Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kopftuchverbot für Lehrerinnen: Ist der Schulfrieden in Gefahr?
> Das Kopftuchverbot in Schulen ist diskriminierend. Linke und Grüne wollen
> es aus dem Neutralitätsgesetz streichen. Die Koalition plant einen Umweg.
Bild: Manche sehen nur ein Kopftuch, andere eine schwere Gefahr für den Schulf…
Berlin taz | Mal wieder das Kopftuch: An diesem Donnerstag bringen Grüne
und Linke je einen eigenen Gesetzentwurf in erster Lesung ein, um das
Neutralitätsgesetz, das nach mehreren Gerichtsurteilen für ungültig erklärt
wurde, anzupassen. Die beiden fast wortgleichen Entwürfe sehen vor, die
Paragrafen 2 und 3 des Gesetzes, das eigentlich „Gesetz zu Artikel 29 der
Verfassung von Berlin“ heißt, ersatzlos zu streichen. Die Paragrafen
verbieten, dass Lehrer*innen an allgemeinbildenden Schulen religiöse
oder weltanschauliche Kleidungsstücke oder Symbole tragen dürfen. Dies
hinderte in erster Linie Musliminnen, die Kopftuch oder Hidschab tragen, an
der Ausübung des Berufs.
In der Praxis sind die Paragrafen bereits seit März Geschichte: Frauen mit
Kopftuch können als Lehrerinnen eingestellt werden. [1][Vereinzelt ist dies
wohl auch geschehen] – wie viele seither eingestellt wurden, kann die
Bildungsverwaltung nicht sagen. Die Rechtsunsicherheit bleibt jedoch
bestehen, denn das alte Verbot steht weiter auf dem Papier. „Dieser
Schwebezustand muss unverzüglich enden“, sagt Tuba Bozkurt, Sprecherin der
Grünen-Fraktion für Antidiskriminierung.
Ihre Kollegin von der Linksfraktion Elif Eralp sieht das genauso – und
eigentlich „hätten wir das auch gut zusammen machen können“. Doch die
Grünen hätten auf ein entsprechendes Angebot ihrerseits nicht reagiert,
sagt sie.
Mehrheitsfähig sind im Parlament beide Entwürfe nicht. Auch im alten
rot-rot-grünen Senat waren linke und grüne Vorstöße in diese Richtung stets
an der SPD gescheitert. Die würde, ebenso wie die CDU, am liebsten am alten
„Kopftuchverbot“ festhalten. Doch nachdem der letzte juristische Versuch,
das Neutralitätsgesetz zu retten, [2][im März vor dem
Bundesverfassungsgericht scheiterte], ist klar, dass etwas passieren muss.
Schwarz-Rot hat sich daher im Koalitionsvertrag vorgenommen, das Gesetz zu
reformieren. Im Laufe des Winters soll ein erster Entwurf stehen, sagt die
Bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Maja Lasic.
## „Neutralität des Staates ist ein hohes Gut“
Der Koalition wird es dabei im Kern darum gehen, zu definieren, was eine
„hinreichend konkrete Gefahr für die staatliche Neutralität oder den
Schulfrieden“ ist. Denn dies ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung
die einzige Voraussetzung, unter der die Einstellung einer Lehrerin mit
Kopftuch mit Verweis auf selbiges verweigert werden darf. Doch was soll das
genau sein, ein „gestörter Schulfrieden“? Lasic hofft, dass eine
Gesetzesreform „ein klares Vorgehen für alle Beteiligten ermöglicht. Auch
wenn man es manchmal vergisst, die Neutralität des Staates ist ein hohes,
schwerwiegendes Gut, das wir auch weiterhin hochhalten müssen.“
Eralp glaubt, es gehe der Koalition nur darum, durch die Hintertür „die
Diskriminierung aufrechtzuerhalten“. Wie solle eine einzelne Lehrerin mit
ihrem Kopftuch denn den Schulfrieden stören? Am Ende würden auch hierüber
die Gerichte zu entscheiden haben, befürchtet sie.
Am weitesten in der Debatte gehen die Grünen: Sie würden am liebsten das
ganze Gesetz abschaffen, das ja auch Angestellten und Beamt*innen in
Rechtspflege, Justizvollzug und Polizei das Tragen von Kopftüchern, Kippas
und Nonnenhabits verbietet. Dies erfordere aber wohl noch mehr Diskussion,
so Bozkurt. Darum habe man den Teil mit den Lehrerinnen nun vorgezogen.
Auch Eralp wäre dafür, das ganze Gesetz zu streichen, aber dies sei ihre
persönliche Meinung, betont sie. Einen entsprechenden Parteitagsbeschluss
der Linken gibt es noch nicht.
20 Sep 2023
## LINKS
[1] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-15…
[2] /Berliner-Neutralitaetsgesetz/!5909609
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Religion
Schule
Kopftuchverbot
Neutralitätsgesetz
Kopftuchverbot
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Stadtland
Kopftuch
Neutralitätsgesetz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte um Neutralität: Grüne wollen mehr Tuch sehen
Das sogenannte Neutralitätsgesetz wollte religiöse Symbole aus dem
Staatsdienst verbannen. Der Senat sollte es ganz streichen, finden die
Grünen.
Kopftuchverbot bei Olympia: Freiheit zur Verhüllung
Jede Frau sollte das Recht haben, frei darüber zu entscheiden, was sie
tragen möchte und was nicht. Wieder einmal bevormundet Paris muslimische
Frauen.
Berlin und der Kopftuchstreit: Geltendes Recht in der Wartezone
Ein Gericht hatte längst entschieden, dass auch in Berlin Lehrerinnen
Kopftücher tragen dürfen. Jetzt hat es auch die Politik eingesehen.
Kopftuch für Lehrerinnen: Ende eines Kulturkampfs
Als letztes Bundesland muss Berlin Lehrerinnen mit Kopftuch zulassen. Dass
Gerichte das wiederholt einfordern mussten, ist peinlich für die Politik.
Berliner Neutralitätsgesetz: Berlin scheitert in Karlsruhe
Das Bundesverfassungsgericht lehnt Beschwerde von Berlin ab: Pauschales
Kopftuchverbot weiter nicht zulässig. Neutralitätsgesetz nun auf dem
Prüfstand.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.