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# taz.de -- Debatte um Neutralität: Grüne wollen mehr Tuch sehen
> Das sogenannte Neutralitätsgesetz wollte religiöse Symbole aus dem
> Staatsdienst verbannen. Der Senat sollte es ganz streichen, finden die
> Grünen.
Bild: Kopftuchverkauf an einem Marktstand in Berlin Kreuzberg
Berlins Grüne wollen das Neutralitätsgesetz komplett abschaffen. Dieser
Vorstoß soll es Frauen ermöglichen, auch dann als Polizistin,
Rechtspflegerin oder Justizvollzieherin im öffentlichen Dienst zu arbeiten,
wenn sie ein Kopftuch tragen. „Das wäre ein Riesengewinn, wenn wir auch in
Berlin Polizistinnen mit Kopftuch hätten“, sagt Tuba Bozkurt. Sie ist
Sprecherin für Antidiskriminierung der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus
und treibt den Antrag maßgeblich mit voran. „Musliminnen, die Kopftuch
tragen, sind Teil der Gesellschaft und diese Normalität sollte sich auch
auf den Straßen, in Schulen und in der Verwaltung abbilden“, findet sie.
Von der Gewerkschaft der Polizei hieß es auf Nachfrage, ihnen seien bisher
keine Polizistinnen bekannt, die im Dienst ein Kopftuch tragen wollten.
Das Gesetz gilt seit 2005 und verbietet es Landesbediensteten, öffentlich
sichtbare religiöse oder weltanschauliche Zeichen zu tragen. Die Debatte
dreht sich seitdem allerdings vor allem um das Kopftuch, besonders an
Schulen. Eine Informatikerin hatte dagegen geklagt, sie wollte über den
Quereinstieg Lehrerin werden, dafür ihr Kopftuch aber nicht ablegen. Das
Bundesarbeitsgericht sprach ihr 2020 eine Entschädigung zu. Eine
kopftuchtragende Lehrerin könne nicht generell abgelehnt werden, sondern
nur wenn das Kopftuch [1][zu einer „konkreten Gefahr“ für den Schulfrieden]
führe, urteilte das Gericht.
Dagegen legte das Land Berlin eine Verfassungsbeschwerde ein, diese
[2][wies das Bundesverfassungsgericht 2023 ab]. Und seitdem hänge vieles in
der Schwebe, sagt Bozkurt. „Ich kenne Schulleitungen, die gern Lehrerinnen
mit Kopftuch einstellen würden, die aber sehen, dass sie keine
Rechtssicherheit haben“, so die Grünen-Politikerin.
## Schulfrieden zu vage
„Das Konzept Schulfrieden ist bewusst vage gehalten – vielleicht reicht es
schon, wenn Kolleg*innen sagen, dass sie den Schulfrieden bedroht sehen,
oder eine neue Schulleitung macht vorherige Entscheidungen rückgängig“,
sagt sie. Das erzeuge Unsicherheit bei Lehrerinnen. „Faktisch hat sich
nichts geändert“, meint sie. „Weiterhin gibt es Referendarinnen mit
Kopftuch, die unsicher sind, ob sie danach eine Einstellung finden werden.“
Deshalb müsse das ganze Gesetz weg. Es widerspreche „einer liberalen und
vielfältigen Gesellschaft“ und es verstärke den Fachkräftemangel,
[3][begründen die Grünen ihren Antrag]. „Ein Blick in andere Metropolen
zeigt, dass ein offener Umgang mit Vielfalt eine Stadt stärker macht“,
schreiben sie. Polizistinnen mit Kopftuch gibt es etwa im Staatsdienst von
Kanada, Neuseeland, Großbritannien und Israel. Das, was das
Neutralitätsgesetz vorgeblich versuche, sei eh vergebens: „Unterschiede
werden sich auf die eine oder andere Art stets zeigen“, schreiben die
Grünen. Aktuell [4][diskriminiere das Gesetz aber bestimmte Gruppen].
Die Grünen wollen die Debatte um das Neutralitätsgesetz nun am liebsten in
den Ausschüssen weiterführen – beteiligt wären die Verwaltungen für
Inneres, Bildung, Antidiskriminierung und für Justiz. Die CDU will das
Gesetz grundsätzlich reformieren und beibehalten. „Die SPD ist sich uneins,
aber ich denke, dass diejenigen, die die Abschaffung wollen, stärker sein
könnten“, meint Bozkurt.
23 Apr 2025
## LINKS
[1] /Kopftuchverbot-fuer-Lehrerinnen/!5958313
[2] /Berliner-Neutralitaetsgesetz/!5909609
[3] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/IIIPlen/protokoll/plen19-065-bp.pdf
[4] /Berliner-Neutralitaetsgesetz/!5895840
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
## TAGS
Kopftuchverbot
Neutralitätsgesetz
Lehrerin
Polizei Berlin
Justiz
Religion
Neutralitätsgesetz
Kopftuch
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