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# taz.de -- Energieimporte aus Russland: Europa kauft mehr russisches LNG
> Das Flüssiggas ersetzt ausgefallene Pipeline-Lieferungen. Auch beim
> EU-Embargo gegen russisches Öl tun sich Schlupflöcher auf.
Bild: Spanien betreibt sechs Terminals zur Flüssiggas-Umwandlung. Dieser hier …
BRÜSSEL taz | Knapp ein Jahr nach dem Ende der Erdgaslieferungen aus
Russland über die Pipeline Nord Stream importiert die EU weiterhin große
Mengen an russischem Erdgas – nur eben in Form von verflüssigtem [1][LNG,
das über europäische Terminals von Schiffen angeliefert wird]. So wurde
nach Daten des Brüsseler Thinktanks Bruegel in den ersten sieben Monaten
des Jahres 2023 an den europäischen LNG-Terminals fast 30 Prozent mehr
russisches Erdgas ins europäische Netz eingespeist als im
Vergleichszeitraum des Jahres 2021, also noch vor Beginn des
Ukraine-Kriegs.
Diese Entwicklung kommt insofern nicht überraschend, weil die ausgefallenen
Pipeline-Lieferungen kompensiert werden müssen. Zudem haben die EU-Länder
den Import anderer fossiler Rohstoffe aus Russland durch ihre zahlreichen
Sanktionen teilweise oder komplett unterbunden. So gilt seit August 2022
ein von der Kommission und vom Rat der EU beschlossenes Kohleembargo.
[2][Auch der Import von Rohöl und bestimmten Erdölprodukten aus Russland
wurde untersagt.]
Allerdings ist der Anteil des russischen LNG am gesamten Flüssiggas-Import
der EU nach wie vor überschaubar. Fast die Hälfte bezog die EU im Juli aus
Amerika, weitere 17 Prozent aus Afrika, 15 Prozent aus Nahost. Russland
hatte trotz der Zunahme der Mengen zuletzt nur 14 Prozent Anteil.
[3][Spanien mit seinen sechs LNG-Terminals] ist derzeit der größte Abnehmer
von russischem Flüssigerdgas, weltweit übertroffen nur von China.
Deutschland importiert seit einem Jahr kein Gas mehr aus Russland. Auch
seine gesamten Erdgasimporte reduzierte es im ersten Halbjahr 2023 um fast
18 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das geht aus Zahlen der AG
Energiebilanzen (AGEB) hervor. Der Rückgang resultiert zum einen aus einem
Zugriff auf gespeicherte Mengen, zum anderen aus einem Rückgang des
Erdgasverbrauchs um rund 10 Prozent.
## Wenig Lust auf neue Sanktionen
Dass jedoch ausgerechnet Spanien so viel LNG aus Russland importiert, ist
pikant. Das Land hat seit Juli den EU-Vorsitz inne und sollte eigentlich
mit gutem Beispiel vorangehen. Doch die spanische Regierung denkt gar nicht
daran, den Import zu stoppen. „Es herrscht ein Gefühl der Knappheit und der
Angst“, sagte die spanische Wirtschaftsministerin Teresa Ribera der
Nachrichtenagentur Reuters in Brüssel.
Der Import von Natur- und Flüssiggas aus Russland ist in der EU nicht
verboten. Nach elf mehr oder weniger erfolglosen Sanktionspaketen zeigen
die Europäer jedoch wenig Lust, neue Strafmaßnahmen zu verhängen. Bei ihrer
Rede zur Lage der Union am vergangenen Mittwoch in Straßburg sagte
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen lediglich: „Wir haben in
Rekordzeit Sanktionen vereinbart.“
Für ein Gasembargo braucht es Einstimmigkeit im Ministerrat, wo die 27
EU-Staaten vertreten sind – und die ist derzeit nicht zu bekommen. Zwar
beziehen Deutschland, Tschechien und die Slowakei gar kein Gas mehr aus
Russland. Doch neben Spanien sind auch Österreich und Italien weiter auf
russische Lieferungen angewiesen. Ungarn hat in diesem Jahr sogar noch neue
Gaslieferverträge abgeschlossen.
Selbst beim russischen Öl, auf das die EU Ende 2022 ein Embargo erlassen
hat, gibt es immer noch Schlupflöcher – auch in Deutschland. Zahlen des
Statistischen Bundesamts lassen den Schluss zu, dass über Indien weiterhin
größere Mengen russisches Öl importiert werden. Bei den Importen aus Indien
handelte es sich „hauptsächlich um Gasöle, die für die Herstellung von
Diesel oder Heizöl genutzt werden“, teilte das Bundesamt mit. Diese Gasöle
werden offenbar aus Rohöl aus Russland produziert, das Indien zum
Vorzugspreis bezieht.
Eine totale Abschottung sei unmöglich, sagte der Nahost-Experte Michael
Lüders im Deutschlandfunk. „Man kann russisches Öl und Gas nicht ohne
Weiteres ersetzen“, denn es gebe nicht genügend Alternativen. Bis zur EU in
Brüssel hat sich diese Einsicht allerdings noch nicht herumgesprochen. Hier
wird das löchrige Ölembargo als Erfolg gehandelt. Und die
Regulierungslücken beim Gas werden kurzerhand verdrängt.
18 Sep 2023
## LINKS
[1] /Fluessiggas-fuer-Deutschland/!5955461
[2] /Energiekrise-und-Oelembargo/!5900012
[3] /LNG-Lieferungen-nach-Europa/!5892646
## AUTOREN
Eric Bonse
Bernward Janzing
## TAGS
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