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# taz.de -- Anerkennung indigener Rechte in Chile: „Schlusslichter“ in Late…
> In Chile gibt es einen historischen Landstreit zwischen dem Staat, den
> Mapuche und Forstunternehmen. Und sie bleibt bis heute noch ungelöst.
Bild: Der Machi Celestino Cordova kommt im Temuco-Gefängnis an, um eine Mapuch…
Seit über 500 Tagen sind die Streitkräfte im Süden Chiles im Einsatz, im
Wallmapu, dem angestammten Territorium der Mapuche, das sich über die
Region Araucanía sowie zwei Provinzen der Nachbarregion Bío Bío erstreckt.
Das liegt daran, dass Chiles Parlament eine erneute Verlängerung des
Ausnahmezustands in der sogenannten Makrozone Süd beschlossen hat, laut
Parlamentswebseite „wegen der Gewalttaten im ländlichen Raum“.
In dieser Zone gibt es [1][einen historischen Landstreit] zwischen dem
chilenischen Staat, einigen Gemeinschaften der Mapuche und der
Forstindustrie, die seit der Militärdiktatur (1973–1990) Ländereien
ausbeutet, die von den Mapuche als ihr angestammtes Territorium angesehen
werden. Vor diesem Hintergrund nehmen Forderungen nach Land und
Landbesetzungen seitens der indigenen Gemeinschaften zu. Das ist ein
entscheidender Teil des Konflikts, den der Staat bis heute nicht gelöst
hat. Dazu kommen Brandanschläge auf Fahrzeuge und Ländereien der
Forstindustrie sowie die Inhaftierung von Mapuche aus politischen Gründen.
Im Gefängnis der südchilenischen Stadt Angol sind sie bereits seit 100
Tagen [2][im Hungerstreik] und fordern die Anerkennung ihrer „politischen,
territorialen, kulturellen und spirituellen Rechte“.
Der Ausnahmezustand, gleichbedeutend mit einer Militarisierung des
Mapuche-Gebiets, wurde erstmalig im Oktober 2021 von der damaligen
rechtsgerichteten Regierung von Sebastián Piñera verhängt. Sieben Monate
später erklärte die derzeitige Mitte-links-Regierung von Präsident Gabriel
Boric einen „begrenzten“ Ausnahmezustand in der Zone, [3][obwohl Boric sich
während seines Wahlkampfs noch gegen diese Maßnahme ausgesprochen hatte].
Die Militarisierung und die auf Sicherheit und Repression ausgerichtete
Politik haben das Misstrauen verschiedener Mapuche-Gemeinschaften
verstärkt, denn aus ihrer Sicht zielen diese Maßnahmen nicht auf die
Behebung der politischen Ursache des Konflikts, nämlich den vom
chilenischen Staat seit dem 19. Jahrhundert begangenen Raub am
Mapuche-Territorium. Der Staat bediente sich Mitteln wie Versteigerungen,
notariellen Tricks und der Umsiedlung von Mapuche auf kleine Parzellen, wie
der Forscher Martín Correa im Interview mit der chilenischen Zeitung
Interferencia erklärt.
## Die Folgen der Pinochet-Diktatur
Die chilenische Agrarreform im 20. Jahrhundert hatte zum Ziel, den
Großgrundbesitz zu überwinden und die prekären Lebensbedingungen der Bauern
zu verbessern. Im Zuge der Reform wurden Landfragen zu einem wichtigen
Eckpfeiler staatlicher Politik, aber auch zum Gegenstand der
Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Sektoren der Gesellschaft.
Während der Regierungszeit des Wahlbündnisses aus linken Parteien, der
Unidad Popular, bewirkte der Präsident Salvador Allende wesentliche
Veränderungen durch das Gesetz Ley Indígena Nr. 17.729, das 1972 zum ersten
Mal die ethnische Identität berücksichtigte.
Laut dem mapuche-chilenischen Journalisten Pedro Cayuqueo hat die
Allende-Regierung den Mapuche-Gemeinschaften schätzungsweise 152.416 Hektar
Land übergeben und damit ein historischer Prozess der Wiedergutmachung
begonnen. Nach dem Putsch vom 11. September 1973 wurden die Gebiete jedoch
wieder ihren Vorbesitzern übergeben. Während der Diktatur, im Jahr 1979,
wurde durch das Dekret Nr. 2.568 die Aufteilung der gemeinschaftlichen
Landtitel vorangetrieben und das Volk der Mapuche wurde um große
Landflächen gebracht, was erneut Armut, Repression und Ausplünderung
bedeutete. Unter Augusto Pinochet wurden Mapuche ermordet, sie verschwanden
oder wurden ins Exil getrieben und verfolgt – darüber hinaus wurde ihr
gemeinschaftliches Zusammenleben durch die erzwungene Aufteilung ihres
Landes größtenteils zerstört.
## Großes Versprechen nach der Militärdiktatur
Während das Land nach der von Pinochet angeführten zivilmilitärischen
Diktatur zur Demokratie zurückkehrte, kamen 1989 von dem damaligen
Präsidentschaftskandidaten und später Präsidenten Patricio Aylwin Azócar
Versprechungen. „Viele von uns hatten Hoffnung, aber das Wichtigste war,
den Diktator loszuwerden“, erinnert sich der Lonko (Autoritätsperson der
Mapuche) José Painaqueo Paillán. In jenem Jahr verpflichtete sich Aylwin
gegenüber indigenen Organisationen der Mapuche, Huilliche, Aymara und Rapa
Nui in der sogenannten Vereinbarung von Nueva Imperial zur
„verfassungsmäßigen Anerkennung der indigenen Völker“ – ein Verspreche…
das er nie einlöste. Zudem sagte er die Ratifizierung des Übereinkommens
Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation zu, was erst 2008 umgesetzt
wurde. Der einzige tatsächliche Fortschritt unter Aylwin war die
Verabschiedung der Ley Indígena Nr. 19.253, des Gesetzes für „Schutz,
Förderung und Entwicklung der Indigenen“, welches 1993 die Gründung der
Nationalen Gesellschaft für indigene Entwicklung (Conadi) nach sich zog.
„Was die Anerkennung indigener Rechte angeht, gehört Chile zu den
Schlusslichtern in Lateinamerika“, schreibt dazu die Forscherin Verónica
Figueroa Huencho bei dem Onlinemedium Ciper. 2021 wurde eine neue
Verfassung ausgearbeitet, die die seit 1980 geltende aus Diktaturzeiten
ersetzen sollte. Dabei wurde auch über Plurinationalität diskutiert, eine
der Hauptforderungen der Großdemonstrationen der sozialen Revolte im
Oktober 2019. Diese Mobilisierung ermöglichte es, eine Mapuche-Frau, Elisa
Loncón, zum ersten Mal als Leiterin der verfassunggebenden Versammlung zu
wählen. Der schließlich beschlossene Verfassungstext wurde jedoch in einem
Plebiszit abgelehnt. Derzeit läuft ein neuer Prozess zur Ausarbeitung einer
Verfassung, der von der extremen Rechten dominiert wird.
Aus dem [4][Spanischen]: Martin Schäfer
Paula Huenchumil ist Journalistin der digitalen Zeitung Interferencia. Sie
ist Mapuche.
10 Sep 2023
## LINKS
[1] /Protestaktionen-der-Mapuche/!5701989
[2] /Indigenenkonflikt-in-Chile/!5708612
[3] /Konflikt-in-Chile/!5857216
[4] /Reconocimiento-de-los-indigenas-en-Chile/!5958644
## AUTOREN
Paula Huenchumil
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