# taz.de -- Konflikt in Chile: Gewalt gegen Mapuche | |
> Trotz Ausnahmezustand ist in Chile wieder ein Mapuche getötet worden. | |
> Präsident Boric hatte die politische Maßnahme zuvor selbst noch | |
> kritisiert. | |
Bild: Mapuche-Frauen bei einer Zeremonie in Puerto Saavedra (Region La Araucan�… | |
BUENOS AIRES taz | In der südchilenischen Region La Araucanía ist ein | |
Angehöriger vom Volk der Mapuche getötet worden. Am frühen Dienstagmorgen | |
war ein Kleinbus mit 30 Waldarbeitern von Vermummten beschossen worden. | |
Während vier Personen durch die Schüsse verletzt wurden, verstarb ein | |
66-Jähriger an den Folgen eines Kopfschusses. | |
„Für einen solchen Gewaltausdruck gibt es keine Rechtfertigung“, erklärte | |
Innenministerin Izkia Siches und kündigte eine intensive Suche nach den | |
Verantwortlichen an. Ähnlich äußerte sich [1][Präsident Gabriel Boric]. | |
Wieder habe die Gewalt ein Opfer gefordert, so der [2][Präsident]. „Wir | |
werden es nicht tolerieren, dass uns Gewalt als Methode der Konfliktlösung | |
aufgezwungen wird“, twitterte er. | |
Seit Jahren kommt es in der Region La Araucanía zu Überfällen und | |
Brandanschlägen auf Farmen, Forstbetriebe und Transportfahrzeuge. Der | |
Verdacht richtet sich auch gegen radikale Gruppen der Mapuche, die für die | |
Rückgabe ihrer Ländereien kämpfen. | |
Doch in den vergangenen Monaten wurden nahezu täglich gewalttätige Vorfälle | |
oder Sabotageakte gemeldet. Der Verband der Lastwagenfahrer*innen und | |
Transportfirmen drohte damit, den Süden des Landes lahmzulegen, sollte die | |
Regierung nicht endlich einschreiten. | |
## Militarisierung statt Politik des Dialogs? | |
Mitte Mai verhängte die Regierung schließlich den Ausnahmezustand über La | |
Araucanía und Teile der Region Bío-Bío. „Wir wollen nicht die Regierung | |
sein, unter der ein Soldat ein Mitglied einer Landgemeinschaft tötet“, | |
versuchte Innenministerin Siches etwas hilflos den Einsatz der Militärs zu | |
erklären. Es gehe darum, „die Landstraßen zu schützen und den freien | |
Personenverkehr und die Versorgung zu ermöglichen“, so Siches. | |
Denn mit der Verhängung des Ausnahmezustands vollzog Präsident Gabriel | |
Boric eine 180-Grad-Wende. Im Wahlkampf hatte er die Militarisierung der | |
Region durch die konservative Vorgängerregierung von Präsident Sebastián | |
Piñera heftig kritisiert und bei seinem Amtsantritt im vergangenen März | |
eine „Politik des Dialogs“ angekündigt. Piñera hatte im Oktober 2021 den | |
[3][Ausnahmezustand über La Araucanía und Bío-Bío verhängt] und diesen bis | |
zum Ende seiner Amtszeit vom Kongress stets verlängern lassen. | |
Die Fronten sind denn auch wieder verhärtet. „Diese Regierung redet schön, | |
macht aber das gleiche wie die davor“ erklärte Víctor Queipul, Anführer | |
eines Teils der Mapuche in Ercilla, einem Epizentrum der gewaltsamen | |
Auseinandersetzungen in La Araucanía. | |
„Die Soldaten auf die Straße zu schicken, wie es Boric getan hat, bedeutet | |
den Mapuche den Krieg zu erklären“, so Queipul in einem [4][Interview] mit | |
der chilenischen Tageszeitung La Tercera. | |
## Mapuche sind uneinig | |
Der Tod des 66-jährigen Waldarbeiters und Mapuche wirft aber auch ein | |
Schlaglicht auf Widersprüche und Uneinigkeit unter den Mapuche. Sie sind | |
keine homogene Gemeinschaft, die an einem Strang zieht. | |
Mit rund 1,6 Millionen Angehörigen sind sie das größte indigene Volk des | |
Andenstaates und stellen gut neun Prozent der rund 17,5 Millionen Chilenen. | |
Sie sind in den südlichen Regionen La Araucanía, Bío-Bío und Los Ríos | |
beheimatet. Ein Großteil lebt jedoch in der Hauptstadt Santiago. | |
25 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Praesidentschaftswahl-in-Chile/!5822998 | |
[2] https://twitter.com/gabrielboric/status/1529207927638138881?s=20&t=e-Uj… | |
[3] /Ausnahmezustand-in-Teilen-Chiles/!5804080 | |
[4] https://www.latercera.com/politica/noticia/victor-queipul-lonko-de-temucuic… | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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