| # taz.de -- 30 Jahre Osloer Abkommen: Kein Partner, nirgends | |
| > 30 Jahre nach dem Handschlag von Rabin und Arafat scheint ein Frieden im | |
| > Nahen Osten ferner denn je. Schuld daran sind beide Seiten | |
| Bild: Wer soll diese Rollen in Zukunft übernehmen? Rabin, Clinton und Arafat 1… | |
| „Klein, aber jüdisch“, darauf zielte Jitzhak Rabin, als er am 13. September | |
| 1993 seinem Erzfeind Jassir Arafat die Hand reichte. Eine Trennung der | |
| beiden Völker, soweit sie möglich war, sollte Terror und Gewalt ein Ende | |
| machen. Völlig klar, dass ein friedliches Zusammenleben nach den | |
| Vertreibungen, nach Kriegen, jahrzehntelangen Menschenrechtsverletzungen | |
| und blutigem Widerstand auf absehbare Zeit illusorisch war. | |
| Israels Ministerpräsident Rabin, der Chef der Palästinensischen | |
| Befreiungsbewegung Arafat und Außenminister Schimon Peres sind damals mit | |
| dem Nobelpreis für ihre Zustimmung zu der Prinzipienerklärung ausgezeichnet | |
| worden. [1][Das Osloer Abkommen] und folgende sahen den schrittweisen Abzug | |
| Israels aus dem besetzten Westjordanland und dem Gazastreifen vor sowie die | |
| Gründung eines autonomen Staates Palästina innerhalb von 5 Jahren. | |
| De facto führte Oslo zu einer Dreiteilung des Landes in ein autonomes, ein | |
| teilautonomes und ein unverändert besetztes Gebiet: die sogenannte C-Zone. | |
| Problematisch war der Verzicht auf einen Baustopp israelischer Siedlungen | |
| in der C-Zone. Rabin, der auf die parlamentarische Unterstützung der | |
| ultraorthodoxen Schas-Partei angewiesen war, argumentierte gegenüber | |
| Arafat, dass er mit einem Baustopp keine Mehrheit in der Knesset für den | |
| Friedensprozess erreichen könne. Arafat willigte ein. | |
| Rabins Arbeitspartei hatte den Siedlungsbau nach dem Sechstagekrieg aus | |
| Sicherheitsgründen selbst aufgenommen. Vor allem im Jordantal und auf den | |
| von Syrien eroberten Golanhöhen entstanden zumeist landwirtschaftliche | |
| Kooperativen, die dem Staat als Wehrdörfer dienen sollten. Bis zur Wende | |
| 1977 lebten kaum 2.000 israelische SiedlerInnen jenseits der | |
| Waffenstillstandsgrenze von 1967. | |
| ## Kuchen und Olivenzweige auch an die israelischen Soldaten | |
| Die Motivation der israelischen Nationalreligiösen, das besetzte Land zu | |
| besiedeln, war hingegen eine andere. Sie wollten festhalten am biblischen | |
| Eretz Israel. Gerade in den 1990er Jahren boomte das Baugeschehen in den | |
| Siedlungen, die günstigen Wohnraum auch für ImmigrantInnen sowie | |
| ultraorthodoxe Familien boten. | |
| Den Siedlungsbau nicht zu stoppen war ein elementarer Fehler des Abkommens. | |
| So haben die Nationalreligiösen mit heute rund einer halben Million | |
| Israelis im Westjordanland – Ostjerusalem noch nicht dazugezählt – | |
| unumkehrbare Fakten geschaffen. Eine Zwei-Staaten-Lösung nach dem | |
| ursprünglichen Modell ist nicht mehr umsetzbar. | |
| Dabei sah es so gut aus, als alles begann: Aus dem tunesischen Exil kommend | |
| zog Arafat mit wehenden Fahnen nach Gaza. PalästinenserInnen verteilten | |
| Kuchen und Olivenzweige auch an die israelischen Soldaten. | |
| ## Der Todesstoß für das Osloer Abkommen | |
| Die Besatzung dauerte in den Teilgebieten des Gazastreifens, die von | |
| israelischen SiedlerInnen bewohnt waren, noch 12 weitere Jahre an. Bis zum | |
| Gaza-Abzug 2005 hatten ExtremistInnen auf beiden Seiten den Friedensprozess | |
| erfolgreich zum Erliegen gebracht. | |
| „Verhandlungen führen, als gäbe es keinen Terror und den Terror bekämpfen, | |
| als gäbe es keine Verhandlungen“, hatte Rabin gepredigt, bis er selbst | |
| Opfer des jüdischen Fanatikers Igal Amir wurde. Mit dem Mordanschlag auf | |
| den israelischen Regierungschef im November 1995 versetzte der fromme | |
| Jurastudent letztendlich auch dem Osloer Abkommen den Todesstoß. | |
| Ob die Verhandlungen 5 Jahre später in Camp David eine echte Chance waren, | |
| ob Arafat aus Angst vor Extremisten im eigenen Lager kniff oder ob der | |
| damalige israelische Regierungschef Ehud Barak der PLO mehr | |
| Verhandlungsspielraum hätte lassen müssen, sei dahingestellt. Sicher ist, | |
| dass Baraks Mantra „Israel hat keinen Partner für den Frieden“ und die kurz | |
| darauf ausbrechende Zweite Intifada der Friedensbewegung den Boden unter | |
| den Füßen nahm. Wenn Mord und Terror die Folge von Friedensangeboten sind, | |
| so die nachvollziehbare Haltung in Israel, dann lassen wir es doch lieber | |
| gleich damit. | |
| ## Gaza ist nicht Singapur | |
| Eine letzte Chance hätte es sein können, als noch mal 5 Jahre später | |
| ausgerechnet Ariel Scharon, der mit seinem Aufstieg auf den Tempelberg die | |
| Zweite Intifada – die früher oder später ohnehin gekommen wäre – | |
| provozierte, den Plan vom Abzug Israels aus dem Gazastreifen vorantrieb. | |
| Und zwar den kompletten Abzug, die Grenzregion zu Ägypten inklusive. | |
| „Wir machen den Gazastreifen zum zweiten Singapur“, frohlockte Dschibril | |
| Radschub, Chef des palästinensischen Geheimdienstes im Westjordanland, | |
| kurz vor dem in Israel extrem umstrittenen Abzug. Endlich hatten die | |
| PalästinenserInnen im Gazastreifen das, was ihnen im September 1993 | |
| versprochen worden war: Autonomie. Ohne nächtliche Ausgangssperren, ohne | |
| Siedlungen und ohne BesatzungssoldatInnen. | |
| Und dann kamen der Wahlsieg der Hamas, die palästinensischen Lagerkämpfe | |
| und schließlich der Raketenbeschuss auf Israel aus dem von den Islamisten | |
| kontrollierten Gebiet. Von Singapur keine Spur. Dabei hätte man beste | |
| Voraussetzungen gehabt mit den endlos langen Mittelmeerstränden, mit | |
| Gasvorkommen vor der Küste Gazas und mit einer internationalen | |
| Gemeinschaft, die nur darauf wartet, die Region wirtschaftlich von | |
| Hilfszahlungen unabhängig zu machen. | |
| ## Es gibt keine Guten und Bösen | |
| So verfahren die Situation heute ist: Es gibt nicht nur einen Schuldigen, | |
| [2][nicht die Guten und die Bösen] in dieser Tragödie, wie Amos Oz den | |
| Konflikt einmal nannte, allenfalls [3][die Starken und die Schwachen]. Gäbe | |
| es auf palästinensischer Seite einen handlungsfähigen Präsidenten, der zu | |
| Kompromissen bereit ist, dann hätte er in Israel keinen Partner. Und | |
| umgekehrt gibt es für Israel niemanden, mit dem es sich in Ramallah oder | |
| Gaza zu verhandeln lohnte. | |
| Oslo ist gescheitert, aber wie würde die Alternative aussehen? Die | |
| PalästinenserInnen haben ein Stück Eigenverantwortlichkeit gewonnen. Die | |
| Gelegenheit ist günstig, im Kampf um internationale Rückendeckung zu | |
| punkten. | |
| 13 Sep 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Susanne Knaul | |
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