| # taz.de -- Internationale Automobilausstellung: Weniger Autos und die richtigen | |
| > Der Wechsel zum Elektromotor reicht nicht aus für die Verkehrswende. Die | |
| > Zahl von 50 Millionen Pkws muss deutlich reduziert werden. | |
| Bild: Es gibt zu viele Autos und die parken mehr, als dass sie gefahren werden | |
| Wir brauchen weniger Autos. Nicht nur eine Antriebs-, sondern eine richtige | |
| Verkehrswende. Ein ganz anderes Verkehrssystem, das nicht mehr auf dem | |
| Individualbesitz von motorisierten Fahrzeugen basiert. Das fordern viele | |
| Aktivist:innen völlig zu Recht in dieser Woche, denn die Autobranche | |
| trifft sich in München zur [1][Messe IAA]. | |
| Autos sind eine ineffiziente Art des Personentransports – zumindest so, wie | |
| wir sie nutzen. Fast 50 Millionen Pkws gibt es in Deutschland. Würde das | |
| ganze Land auf einmal einsteigen, müsste immer noch niemand auf die | |
| Rückbank. Aber es steigt ja nie ganz Deutschland auf einmal ein. Die meiste | |
| Zeit parken die Autos, statt zu fahren. | |
| Die Verkehrswende ist aber einer dieser Fälle, in denen die eigentlich | |
| stärkere Forderung: weniger Autos statt nur der Wechsel zum Elektromotor, | |
| sich vor der de facto stattfindenden Debatte drückt. Für die muss man doch | |
| noch einmal zurück zur schnöden Antriebswende. | |
| Was eigentlich längst als ausgefochten galt, holt die FDP gerade noch mal | |
| zurück in die politische Arena: Bundesfinanzminister [2][Christian Lindner | |
| (FDP), der für die Kindergrundsicherung] oder Klimaschutz kaum Geld im Etat | |
| übrig hat, will die synthetischen Kraftstoffe massiv fördern. E-Fuels | |
| werden mittels Strom aus Wasser und Kohlenstoffdioxid hergestellt. | |
| Verbrennt man sie, entsteht nur so viel CO2 wie bei der Produktion | |
| gebunden, so die Idee. | |
| ## 5 Euro für ein Liter E-Fuel | |
| Die [3][FDP hat auf EU-Ebene] bereits ausgehandelt, dass Autos, die nur | |
| E-Fuels nutzen, auch nach dem Verbrenner-Aus 2035 weiterfahren dürfen. | |
| Damit nicht genug: Wer seinen Verbrennungsmotor mit E-Fuels betankt, soll | |
| nach den Wünschen der Regierungspartei richtig sparen können. Keine | |
| Kraftfahrzeugsteuer, E-Fuels-Dienstwagen sollen steuerlich so günstig | |
| behandelt werden wie beruflich genutzte E-Autos. | |
| Lindner will sich zudem für einen [4][niedrigeren Energiesteuersatz] | |
| einsetzen und sogar bei den Kraftstoffen die Mehrwertsteuer streichen. Das | |
| Problem: Verbrenner sind auch mit E-Fuels ungesünder, ineffizienter und | |
| teurer als E-Autos. Sie verursachen immer noch Abgase. Die | |
| Kraftstoffproduktion erfordert etwa fünfmal so viel Strom, wie man | |
| bräuchte, um E-Autos vergleichbar weit zu bewegen. Fast 5 Euro soll ein | |
| Liter der synthetischen Kraftstoffe kosten. | |
| Es gibt Fälle, etwa im Schiffs- oder Luftverkehr, wo es keine bessere | |
| Lösung als E-Fuels gibt. Im Autoverkehr ist die Technologie aber insgesamt | |
| unterlegen. Sie nützt allenfalls Porsche-Fahrer:innen mit Auspuff-Fetisch. | |
| Wählen etwa manche davon FDP? So ein Zufall: Porsche-Chef Oliver Blume | |
| hatte damit geprahlt, dass er während der Koalitionsverhandlungen der | |
| Ampelregierung „beinahe stündlich“ per SMS über Pläne zu E-Fuels informi… | |
| worden sei – nämlich von Christian Lindner. | |
| Der Sportwagenbauer will seine Flotte nicht vollständig elektrifizieren. Im | |
| vergangenen Jahr hat er eine Pilotanlage für [5][E-Fuels in Chile] | |
| eröffnet. Nun könnte man sagen, es lohne sich nicht, sich an diesem Thema | |
| festzubeißen. Wenn E-Fuels nur in der Luxusnische genutzt werden, halten | |
| sich schließlich auch die negativen Auswirkungen in Grenzen. Kann man das | |
| also nicht pragmatisch hinunterschlucken und der FDP den Sieg gönnen? | |
| ## Car-Sharing statt ein Auto für jeden | |
| Jein. Wenn öffentliche Förderung im Spiel ist, bekommt das Thema E-Fuels | |
| eine neue Dimension. Erstens wäre das Steuergeld an vielen anderen Stellen | |
| besser aufgehoben, schließlich brauchen die Porsche-Fahrer:innen es ganz | |
| sicher nicht. Und zweitens entspricht es nun mal einer Empfehlung, wenn der | |
| Staat etwas subventioniert. In diesem Fall verunsichert das den Löwenanteil | |
| der Verbraucher:innen und Märkte, für die die Elektromobilität die | |
| eindeutig bessere Lösung ist. Lindners Klientelismus verzögert also die | |
| Verkehrswende. | |
| So richtig es ist, weniger Autos zu fordern: Nicht alle Autos sind gleich | |
| schlecht. Ja, für E-Autos werden – wie etwa auch für Smartphones und | |
| andere Alltagsgegenstände – Rohstoffe gebraucht, bei deren Förderung | |
| Konzerne oft die Rechte lokaler Arbeiter:innen und indigener | |
| Bevölkerung verletzen. Und ja, sie können in [6][SUV-Größe] und damit zu | |
| verbrauchs- sowie platzintensiv gebaut sein. Und: Mit dem derzeitigen | |
| Strommix ist das Autofahren (noch) nicht emissionsfrei. | |
| Wer E-Autos deshalb verdammt wie Verbrenner, bleibt widerspruchsfrei, macht | |
| sich die Hände nicht schmutzig – aber schlängelt sich an einer Debatte | |
| vorbei, deren Ausgang Deutschlands Verkehr dreckiger als nötig und noch | |
| viel ungerechter machen könnte. Wir brauchen auch in Zukunft Autos. Es | |
| werden hoffentlich weniger sein, weil wir sie in sinnvollen | |
| [7][Sharing-Modellen] nutzen, statt die Städte mit unnötig vielen | |
| Blechkisten zu verstopfen. Und sie sollten unbedingt strombetrieben sein. | |
| 10 Sep 2023 | |
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| [1] /IAA/!t5617805 | |
| [2] /Lindner-und-die-Kindergrundsicherung/!5950870 | |
| [3] /Streit-ueber-E-Fuels/!5923713 | |
| [4] /Steuerverguenstigungen-fuer-E-Fuels/!5957680 | |
| [5] /Wasserstoff-aus-Chile/!5931101 | |
| [6] /Trend-bei-E-Autos/!5945617 | |
| [7] /Jahresstatistik-zum-Carsharing/!5915897 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Schwarz | |
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