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# taz.de -- Invictus Games in Düsseldorf: Helden der anderen Art
> Die Invictus Games präsentieren sich als Sportevent für versehrte
> Soldaten. Zugleich wirken sie wie eine Imagekampagne für die Bundeswehr.
Bild: Sinn für gute Bilder: Initiator Prinz Harry beim Kniefall bei den Spiele…
Vielleicht trifft es die Bundeswehr mit ihrer Beschreibung ganz gut: „Die
Invictus Games sind ein Sportfest der besonderen Art.“ So steht es auf der
Website der deutschen Streitkräfte. Denn mit herkömmlichen größeren
Sportveranstaltungen haben die erstmals in Deutschland ausgetragenen
Wettkämpfe wenig gemein.
Finanziert werden sie aus dem deutschen Verteidigungsetat mit üppigen 40
Millionen Euro. Hauptsponsor der Invictus Games ist der weltweit
drittgrößte Rüstungskonzern Boeing aus den USA. Teilnahmeberechtigt sind
ausschließlich Menschen, die im Einsatz für das Militär körperliche oder
seelische Verletzungen davongetragen haben.
Besonders ist auch die Auswahl der 21 Teilnehmerländer, die sich bei der
Eröffnungsfeier am Samstag in der Düsseldorfer Arena mit 500 Athletinnen
und Athleten präsentieren werden und sich eine Woche lang in zehn
Sportarten miteinander messen werden. Neben zwölf Nato-Staaten vertreten
Nigeria oder Kolumbien allein ihre Kontinente. Afghanistan und Irak zählen
zwar ebenfalls zu den 23 Ländern [1][der Invictus Games Foundation], sind
aber in Deutschland nicht am Start.
Auf Anfrage der taz, nach welchen Kriterien die Aufnahme von Ländern
erfolgt und ob es Definitionen für Militäreinsätze gibt, die dem Geist der
Invictus Games widersprechen, erklärte Pressesprecher Samuel Newell, die
Anträge würden von Fall zu Fall geprüft. Die Organisation entscheide nach
eigenem Ermessen. Dabei spielten Überlegungen eine Rolle, was ein Beitritt
für die Betroffenen im jeweiligen Land und für die Organisation selbst
bedeutet, die Anzahl und Schwere der „operativen Verluste“ in den letzten
Jahren und welche Hilfsleistungen den Betroffenen im jeweiligen Land zur
Verfügung gestellt werden.
## Der Prinz mit Kriegserfahrung
Ganz besonders ist natürlich auch der Schirmherr und Initiator der
Veranstaltung, der allein mit seinem Namen Aufmerksamkeit garantiert: Prinz
Harry, Herzog von Sussex, der jüngere Sohn des Königs von Großbritannien
Charles III. Als Soldat war er zweimal in Afghanistan im Einsatz und hat 25
Menschen getötet, [2][wie er in seiner Autobiographie berichtet hat]. Die
Erlebnisse dort und seine Teilnahme an den US-amerikanischen Warrior Games,
so erzählt es der Prinz, hätten ihn auf die Idee mit den Invictus Games
gebracht, die 2014 erstmals ausgetragen wurden. Seither steckt er viel
Energie in das Projekt. Gerade hat seine Produktionsfirma, die mit dem
Streaming-Portal Netflix seit längerem schon einen vermutlich 100 Millionen
Dollar schweren Deal ausgehandelt hat, eine Dokuserie über die Invictus
Games drehen lassen. Geld verdienen muss der Prinz nach seiner Abkehr vom
britischen Königshaus nämlich auch noch.
Sein Event hat mittlerweile in Deutschland viele Freunde gefunden. Außer
den Linken haben im Bundestag alle Parteien von der AfD bis zu den Grünen
die Austragung der Spiele in Deutschland befürwortet. Hervorgehoben wird
dabei die Verantwortung, die das Parlament für diejenigen trägt, die sie in
Kriegseinsätze schickt. Die Veranstalter in Düsseldorf, die sich für das
Motto „A Home For Respect“ entschieden haben, heben zweierlei hervor: Zum
einen das Ziel, [3][den versehrten Soldaten eine größere Wahrnehmung und
Anerkennung in der Gesellschaft zu verschaffen]. Zum anderen die Vision,
ein Umdenken und Dialog in der Gesellschaft anzuregen. So heißt es: „Die
Spiele ermöglichen auch einen neuen und anderen Blick auf die Menschen in
der Bundeswehr.“ Für all das scheint der Sport als Instrument eingesetzt zu
werden. Invictus Games heißt übersetzt [4][die Spiele der Unbesiegbaren].
Zum Selbstverständnis des Sports gehört es, auch einen Umgang mit
Niederlagen zu lernen.
Bislang war die Bundeswehr so etwas wie ein Dienstleister für den Sport,
einer der maßgeblichsten Förderer, der beispielsweise bei den letzten
Olympischen Winterspielen in Peking an 17 von 27 deutschen Medaillen
beteiligt war. Im Jahr 2021 wurden für die Sportsoldaten, die sich voll und
ganz auf ihre Leistungssportkarriere konzentrieren können, 46 Millionen
Euro ausgegeben. Mit den Invictus Games, die sich das
Verteidigungsministerium kaum weniger kosten ließ, wird der Sport ein wenig
zum Dienstleister der Bundeswehr.
Der Deutsche Behinderten-Sportverband erklärte etwa, er unterstütze „die
Bundeswehr mit Material, Know-how sowie mit der Kontaktvermittlung zu
Schiedsrichter*innen, Offiziellen und in die Strukturen des Sports von
Menschen mit Behinderung“. Man hebt hervor, dass es jenseits des Sports
eine übergeordnete Aufgabe gibt: „Der DBS sieht darin sowohl Pflicht als
auch Verantwortung unserer Gesellschaft, diejenigen zu unterstützen, die
auf der Welt die Demokratie verteidigen und dabei eine schwere Verletzung
oder eine Behinderung erlitten haben.“
## Zu Gast im „aktuellen sportstudio“
Die Bundeswehr erklärte vor zwei Jahren, den Termin der Spiele habe man in
enger Abstimmung mit dem Deutschen Olympischen Sportbund festgelegt, um
Überschneidungen mit anderen Großveranstaltungen zu vermeiden und „jedem
Event die gebührende gesellschaftliche und mediale Aufmerksamkeit zukommen
zu lassen“.
Auch dieser Plan ist aufgegangen. Am Samstagabend sind Prinz Harry und der
deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius bei einer Institution der
deutschen TV-Sportberichterstattung, im „aktuellen sportstudio“, zu Gast.
Das ZDF erklärt dazu: „Zum journalistischen Profil des ‚aktuellen
sportstudios‘ gehört es, immer mal wieder auch Gesprächsrunden aus dem
Themenfeld Sport und Politik anzubieten. In diesem Fall ergibt sich auch
mit Blick auf den Ukraine-Krieg der Anlass, am Eröffnungstag dieses
internationalen Sportevents für verwundete, verletzte und kranke Soldaten
über Genesung und Rehabilitation durch die Teilnahme an Sport-Events wie
den ‚Invictus Games‘ zu reden.“
André Hahn, der sportpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke,
spricht dagegen von einer Imagekampagne der Bundeswehr. „Die Invictus Games
sind ein besseres Familiensportfest. Ihr sportlicher Wert ist höchst
fragwürdig.“ Zudem beklagt er die Kosten für den Steuerzahler von 40
Millionen Euro. Das deutsche Team bei den Invictus Games würde aus 37
Teilnehmerinnen und Teilnehmer bestehen. Die Zahl der Geschädigten bei den
Bundeswehreinsätzen würde dagegen in den vierstelligen Bereich gehen. „Um
diese Menschen sollten wir uns kümmern, für psychologische
Betreuungsangebote, Entschädigungs- und Rentenzahlungen sorgen.“
Mancherorts spricht man bei den Linken gar wegen der Invictus Games von der
„Militarisierung des Sports“.
Die gesellschaftliche Aktzeptanz einer solchen Sportveranstaltung scheint
aber groß zu sein, wenn außer den Linken sich kaum einer daran stört. André
Hahn versichert, ihm würden im direkten Gespräch Vertreter aus den
Sportverbänden und -vereinen recht geben, dass die Ausgaben für die
Invictus „völlig unverhältnismäßig“ seien. Laut würde so etwas nicht g…
werden, seitdem Bundeskanzler Olaf Scholz mit Beginn des Krieges in der
Ukraine die „Zeitenwende“ verkündet habe.
## Hunger nach heroischen Erzählungen
Thomas Alkemeyer, der in Oldenburg Professor für Soziologie und
Sportsoziologie ist, hält die Einladung von Verteidigungsminister Boris
Pistorius und Prinz Harry ins „aktuelle sportstudio“ im Rahmen der Invictus
Games für ein Anzeichen eines veränderten Stellenwerts der Bundeswehr in
der Gesellschaft. Er könne sich nicht vorstellen, dass das vor vier, fünf
Jahren so reibungslos funktioniert hätte.
Aus einer Binnenperspektive der Teilnehmer können die Spiele etwa als eine
Therapieveranstaltung zur Rehabilitation und Bewältigung von Traumata
verstanden werden. „Von außen betrachtet tragen die Invictus Games zu einer
Renaissance und Popularisierung von Bildern des Heroischen in der
Öffentlichkeit bei.“
Alkemeyer sieht gerade in Krisenzeiten der Verunsicherung einen
gesteigerten Hunger nach heroischen Erzählungen. Sie beantworten
alltägliche Erfahrungen individueller Machtlosigkeit mit Bildern
vorbildhafter Personen, die ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen und
Handlungsmacht beweisen.
Sofern mit Militarisierung des Sports, [5][die etwa die Linken im
Düsseldorfer Stadtrat nun diagnostizieren], eine Hochschätzung
kämpferischer Werte gemeint ist, treffe diese Charakterisierung durchaus
einen Punkt, sagt Alkemeyer. Er kann sich jedoch kaum vorstellen, dass
ausgerechnet mit verwundeten Körpern bei den Invictus Games für einen
Eintritt in die Bundeswehr geworben werden könnte. Er sieht eher
grundsätzlich das Bemühen dahinter, Soldaten in ein besseres Licht zu
rücken, sie als Menschen in Szene zu setzen, die im Einsatz für etwas
Größeres ihre Unversehrtheit, ja ihr Leben riskieren. Dies mobilisiere
kollektive Emotionen.
## Kritik aus Militärkreisen
Welch großen Symbolcharakter die Invictus Games haben, macht auch interne
Kritik aus Soldatenkreisen deutlich. Diejenigen, die dort für das deutsche
Team mitmachen dürfen, repräsentieren nämlich nur einen Teil der
Militäreinsatzkräfte.
Der Bund Deutscher Einsatzveteranen (BDV) bemängelte, dass an den Invictus
Games „keine ehemaligen Angehörigen der Bundeswehr mit Einsatzschädigung
teilnehmen dürften, sondern nur aktive Soldaten“. Zwei Drittel der
Soldaten, die für die Bundeswehr in Einsätze gegangen seien, so schrieb die
Süddeutsche Zeitung kürzlich, seien Zeitsoldaten gewesen.
Inklusiv im Sinne des paralympischen Sportgedankens sind die Invictus Games
gewiss nicht. Das spiegelt sich bereits im intransparenten
Aufnahmeverfahren der Teilnehmerländer wider. Die Invictus Games sind in
der Tat ein Sportfest der besonderen Art.
8 Sep 2023
## LINKS
[1] https://www.invictusgamesfoundation.org/
[2] /Prinz-Harry-ueber-Tod-von-Taliban/!5904740
[3] /Invictus-Games-in-Kanada/!5446661
[4] /Kolumne-Press-Schlag/!5543396
[5] https://www.linksfraktion-duesseldorf.de/home/detail-home/invictus-games-di…
## AUTOREN
Johannes Kopp
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