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# taz.de -- Post von der Bundeswehr: Frieden durch Inklusion
> Trisomie 21 ist nichts, womit sich die Bundeswehr auskennt. Trotzdem
> möchte sie meinen Sohn Willi mit ihrem Talent-Scout bekannt machen.
Bild: Einmal in den Panzer klettern und schon schaut die Welt ganz anders aus: …
Unser Sohn Willi erhielt neulich eine persönliche Einladung sich einen der
begehrten Teilnehmerplätze „als VIP beim TALENT SCOUT“ am „Tag der
Bundeswehr“ zu sichern. Ich bezweifle zwar, dass die Plätze so richtig
begehrt sind, aber ich hätte trotzdem nicht erwartet, dass die Truppe schon
so inklusiv – oder so verzweifelt ist – dass sie sogar schon Rekruten mit
so deutlichen geistigen Einschränkungen nehmen. Da seit der Nazizeit aus
guten Gründen in Deutschland aber kein Register geführt werden darf über
Menschen mit Behinderungen, ist diese Besonderheit dem Einwohnermeldeamt
(welches Willis Daten an die Bundeswehr weitergegeben hat) bestenfalls gar
nicht bekannt.
Mein Mann ärgerte sich über die Postkarte, auf der vorne der Name unseres
Sohnes wie auf dem Namensschild einer Uniform abgebildet war. Die Karriere
eines seiner Kinder als Soldat:in wäre für ihn – neben einer
Theologielaufbahn – wahrscheinlich das berufliche Worst-Case-Szenario.
Willi selber interessiert sich glücklicherweise überhaupt nicht fürs
Militär, sondern mehr für das Sortieren von Farbstiften und Murmeln. Aber
unter anderen jungen Menschen mit [1][Down-Syndrom] ist das Interesse an
einem Job in Uniform (egal welcher) schätzungsweise ziemlich groß. In der
Regel bleibt der Wunsch jedoch unerfüllt. Eigentlich schade, denn dann gäbe
es noch mehr nette Bahnbeamte und wenn wir weltweit alle militärischen
Führungspositionen mit ihnen besetzten, gäbe es auch bald keinen Krieg
mehr. Aber auf mich hört ja wieder keiner.
Ich googelte „Trisomie 21“ und „Bundeswehr“ und der erste Treffer verwi…
im Bericht des Wehrbeauftragten von 2017 auf einen Vorfall, bei dem ein
Offizier während einer Fortbildung seine Kameraden mit den Worten „Bin ich
hier in einer Mongowerkstatt? Ihr seid Affen mit Trisomie 21!“ beschimpft
hatte.
Mal davon abgesehen, dass es bei der [2][Bundeswehr] eine ganze Menge
[3][Probleme mit Diskriminierung] von Minderheiten gibt, praktizieren sie
tatsächlich Inklusion. Laut eigenen Angaben dienen dort zurzeit 9.500
schwer beeinträchtigte Personen. Der Großteil von ihnen (8.100) sind
allerdings Zivilbeschäftigte und sie haben keine geistige, sondern
Körperbehinderung.
Beim Zivilpersonal sind das fast zehn Prozent aller Stellen und die
Bundeswehr liegt damit weit über der Quote. Darauf darf man stolz sein!
Soldat:in kann man mit einer Behinderung allerdings nicht werden und in
Willis Fall ist das wohl auch ganz gut so. Die 1.300 Soldat:innen, die in
der Bundeswehr einen Schwerbehindertenausweis besitzen, leiden in der Regel
unter [4][Einsatzschädigungen], wie beispielsweise einer Posttraumatischen
Belastungsstörung. Da kann man dann nicht stolz sein, wenn die Zahl hoch
ist.
Ich bin dankbar, dass es Menschen gibt, die bereit sind unser Land zu
verteidigen und dafür ihre Gesundheit und im Ernstfall sogar ihre Leben
einsetzen. Ich selber möchte das nämlich nicht tun und ich möchte auch
nicht, dass meine Kinder das tun müssen.
Trotz aller Dankbarkeit habe ich aber immer noch Vorurteile gegen die
Bundeswehr – und das nicht, weil sie dort keine Affen mit Trisomie 21
einstellen. Ich fürchte grundsätzlich in militärischen Machtstrukturen
deren Missbrauch und [5][rechtsextreme Tendenzen]. Wie man mehr gute Leute
dazu bringen soll, zum Bund zu gehen, das weiß ich leider auch nicht.
Ungefragt Nachwuchswerbung für den Soldatenberuf an Minderjährige zu
verschicken scheint mir aber nicht der richtige Weg zu sein.
Um unser persönliches Verhältnis zur Bundeswehr etwas zu entkrampfen haben
wir für Willi nun einen Flecktarn-Jogginganzug bestellt und ihn beim Talent
Scout am Tag der Bundeswehr angemeldet. Es soll dort Militärmusik und
Erbseneintopf nach Bundeswehrart geben. Ich bin sicher, keiner der jungen
VIPs wird sich dafür so begeistern können wie Willi – ich bezweifle nur,
dass er in Sachen Suppe auf den Befehl „Verpflegen Sie jetzt“ warten würde.
6 Jun 2024
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## AUTOREN
Birte Müller
## TAGS
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