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# taz.de -- Wagner-Söldner in Russland: Prigoschin offenbar tot
> Bei einem Flugzeugabsturz in Russland sterben alle 10 Insassen. Die
> Maschine gehörte dem Söldnerchef Jewgeni Prigoschin. Offenbar war er an
> Bord.
Bild: Dieses Bild soll Jewgeni Prigoschin angeblich vor Kurzem in Afrika zeigen
Moskau taz | „Es fällt, es fällt. Fuck. Da, Rauch, es ist in der Nähe des
Bauernhofs. Es brennt. Fuck.“ Ein Video, das mehrere Telegram-Kanäle am
Mittwochabend verbreiteten, zeigt ein abstürzendes Flugzeug. Eine
aufgeregte Frauenstimme ist zu hören. Eine Drohne? „Nein, das ist ein
Flugzeug, es fällt“, heißt es in einem weiteren Video.
Später filmen Augenzeugen in der Region Twer, auf dem halben Wege zwischen
Moskau und Sankt Petersburg, brennende Reste von Flugzeugturbinen und
Flugzeugflügeln – und die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria
meldet, der Notdienst habe den Tod von acht Menschen bestätigt, die sich an
Bord befunden hätten. Drei Crew-Mitglieder und sieben Passagiere sollen
mitgeflogen sein.
Bei der Embraer-Legacy-600-Maschine handelt es sich um einen Privatjet des
Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin. Sein Name soll laut der russischen Agentur
Tass auf der Passagierliste gestanden haben. Lange blieb unklar, ob
Prigoschin tot ist.
Am späten Abend teilte die russische Luftfahrtbehörde Rosawiazija mit,
Prigoschin habe nach Angaben der Fluglinie gemeinsam mit neun weiteren
Insassen in der Privatmaschine gesessen, als sie abstürzte. Alle zehn
Insassen seien ums Leben gekommen.
Ein Sprecher der von Moskau eingesetzten Verwaltung in der ukrainischen
Region Saporischschja, Wladimir Rogow, sagte, auch ihm sei von
Wagner-Leuten versichert worden, dass Prigoschin und dessen enger
Vertrauter Dmitri Utkin an Bord gewesen seien, als die Maschine abstürzte.
Zuvor hatte es laut dpa bereits auf Prigoschins Telegram-Kanal Grey Zone
geheißen, dass der Söldnerführer tot sei.
## Spekulationen auf allen Kanälen
In Telegramkanälen, die dem Milizenführer nahestehen, hatte es gleich nach
dem Absturz geheißen, das Flugzeug sei von einem Raketenabwehrsystem
abgeschossen worden oder es habe eine Explosion an Bord gegeben. Andere
hatten geschrieben, man solle den 60-Jährigen nicht früher als nötig
beerdigen. Ein zweiter Privatjet, der ebenfalls Prigoschin gehören soll,
tauchte kurze Zeit später – laut Flightradar – am Himmel über Moskau auf.
In den sozialen Netzwerken zirkulierten unterschiedliche Versionen.
Auf dem Wagner-Telegram-Kanal Grey Zone wurden Aufnahmen eines Flugzeugs
veröffentlicht, das aus einer Rauchwolke wie ein Stein zu Boden fällt. Die
Nachrichtenagentur AP untersuchte die zwei Videos Einzelbild für Einzelbild
und kam zu dem Schluss, dass die Aufnahmen eine Explosion während des Flugs
nahelegen. Scheinbar fehlt dem Flugzeug auch eine Tragfläche, als es zu
Boden stürzt. Ein solcher freier Fall passiert in der Regel, wenn ein
Flugzeug in der Luft schwer beschädigt wird.
Auch eine [1][Analyse des Internetportals flightradar24] lässt einen
Abschuss denkbar erscheinen. Laut den aufgezeichneten Flugdaten habe die
Maschine plötzlich dramatisch an Geschwindigkeit verloren, sie kurz
angestiegen und habe dann deutlich an Flughöhe verloren. Eine Minute später
sei die Datenübertragung abgebrochen.
Das russische Ermittlungskomitee leitete derweil ein Verfahren wegen
Verstößen gegen die Verkehrssicherheit und den Betrieb im Luftverkehr ein.
In den sozialen Netzwerken gab es Spott. Manche köpften dabei eine
Sektflasche, andere schrieben, Prigoschin habe nun endlich seine geforderte
Munition bekommen. In den staatlichen Nachrichten wurde der Absturz bei
Twer nicht gemeldet.
## Erstaunlich ruhig
Quellen aus der Privatumgebung Prigoschins hatten zuvor russischen
unabhängigen Medien erzählt, sie könnten Prigoschin nicht erreichen.
Sogenannte Z-Kanäle, in denen sich Unterstützer des Krieges in der Ukraine
auslassen, waren zu dem Zeitpunkt erstaunlich ruhig. „Mir fehlen
Informationen“, schrieb etwa der Kriegsberichterstatter Alexander Koz.
Die Chefpropagandistin Margarita Simonjan schrieb, sie halte sich an die
„offensichtlichste Version, nicht an Gerüchte von einer Inszenierung“.
Russlands Präsident Wladimir Putin trat derweil bei einer
Gedenkveranstaltung zu 80 Jahren der Schlacht um Kursk auf. Die Agentur Ria
schrieb unter einem Bild: „Putin mit Orchester“. Das klang fast
doppeldeutig. Die Wagner-Gruppe wird im Russischen oft Orchester oder
Musikanten genannt. Prigoschins Jet stürzte nur 50 Kilometer vor Putins
Sommerresidenz in Waldai ab.
## Zwei Monate nach der Meuterei
Am Mittwoch waren auf den Tag genau zwei Monate vergangen, [2][seit
Prigoschin mit angeblich 25.000 seiner Soldaten in Rostow am Don gemeutert
hatte – und gescheitert war.] Einen „Gerechtigkeitsmarsch“ gen Moskau hat…
er geplant und war damit Putin direkt angegangen. Ein Tabu. Nach wenigen
Stunden war Prigoschin abgedreht, seine Mannen waren von dannen gezogen.
Putin, der in seinen Reden während und nach dem Aufstand nie den Namen
Prigoschin in den Mund genommen hatte, sprach von einem „Dolchstoß“ und von
Verrat. In den Augen des russischen Präsidenten verdienen Verräter den Tod.
Dem Wagner-Chef versprach er [3][freies Geleit nach Belarus].
## Noch Arbeit in Afrika
[4][Was danach mit Prigoschin passierte, war unklar]. Mal soll er
tatsächlich in Belarus gelandet sein, dort sollen einige Firmen, die mit
„Wagner“ verbunden sind, registriert sein. Mal war er doch in Russland, wo
er sich auch nach seiner Kurzzeit-Revolte mit Putin getroffen haben soll.
Vor wenigen Tagen erst war ein Video von ihm aufgetaucht. Der bewaffnete
Söldnerchef ist darin in Tarnkleidung vor Männern auf Pick-ups zu sehen,
hinter ihnen eine sandige Landschaft. Prigoschin behauptet dabei, er sei
„in einem afrikanischen Land“, und [5][die Arbeit in Afrika] werde
weitergeführt.
Wann und wo der Clip gedreht wurde, ist allerdings unklar, und wo sich
Prigoschin zu dem Zeitpunkt befand, ebenfalls. Wie auch, ob er tatsächlich
in der abgestürzten Embraer saß.
Dieser Text wurde mehrfach aktualisiert.
23 Aug 2023
## LINKS
[1] https://www.flightradar24.com/blog/russian-legacy-600-crashes-near-tver/
[2] /Nach-dem-Wagner-Aufstand/!5941458
[3] /Belarus-im-russischen-Machtkampf/!5943048
[4] /Krieg-in-der-Ukraine/!5946223
[5] /Wagner-Gruppe-in-Afrika/!5950691
## AUTOREN
Inna Hartwich
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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