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# taz.de -- Angriff auf UN-Friedensmission in Zypern: Bulldozer in der Pufferzo…
> Ein Straßenbauprojekt in Pyla, wo noch griechische und türkische
> Zyprioten zusammenleben, führte zu Gewalt gegen die UN-Friedensmission.
Bild: Im Bild die Pufferzone in Nikosia auf Zypern
Athen taz | Sie gingen brutal vor: Zuerst rammten sie mit Bulldozern die in
Reih und Glied geparkten weißen Jeeps mit den Großbuchstaben „UN“ auf der
Vordertür und schoben die Fahrzeuge einfach weg. Dann machten sie sich
daran, die von der UN-Friedensmission für Zypern (UNFICYP) auf dem
Sandboden festgemachten Stacheldrahtrollen zu beseitigen – mit Erfolg.
Schließlich nahmen sich die „Kräfte für Spezialoperationen“, wie die
türkisch-zypriotische Nachrichtenseite „Haber Kibris“ schrieb, die
versammelten Soldaten der UN-Friedensmission persönlich vor und drängten
auch sie zurück. „Unsere Spezialkräfte haben die Region unter ihre
Kontrolle gebracht“, jubelte „Haber Kibris“. Drei UNFICYP-Soldaten wurden
verletzt, einer am Kopf.
Was sich am Freitag in der Früh in der von UNFICYP kontrollierten
Pufferzone der nach der völkerrechtswidrigen Invasion türkischer Truppen im
Juli 1974 faktisch geteilten Insel Zypern nahe des Ortes Pyla (türkisch:
Pile) im äußersten Südosten des Eilands abspielte, ist verstörend.
Hintergrund dafür ist, [1][dass Pyla nach der faktischen Teilung der Insel
Zypern mit seinen laut der Volkszählung von 2011 insgesamt 2.771 Bewohnern
der einzig noch verbliebene gemischte Ort mit griechischen und türkischen
Zyprioten ist]. Im Ort gibt es drei Kirchen und eine Moschee. Das
Zusammenleben ist friedlich. Pyla liegt in der Pufferzone und wird von der
multinationalen UNFICYP unter der Leitung des kanadischen Ex-Diplomaten
Colin Stewart und dem militärischen Kommando der Norwegerin Ingrid Gjerde
bewacht.
## „Wir glauben, dass das unser Land ist“
Der „Außenminister“ der 1983 ausgerufenen und nur von der Türkei
anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“ (TRNC), Tahsin Ertuğruloğlu,
verteidigte jedenfalls das gewaltsame Vorgehen bei Pyla.“Wir wollen kein
Land klauen. Wir glauben, dass das unser Land ist. Die UN glaubt, dass das
eine Pufferzone ist.“
Wie Ertuğruloğlu weiter erklärte, soll eine 11,6 Kilometer lange Straße von
der im Inselnorden gelegenen Ortschaft Arsos (türkisch: Yigitler) mit ihren
rund 300 Einwohnern bis nach Pyla „verbessert und ausgebaut“ werden. Das
werde „die Fahrt von und nach Pyla erleichtern und so das Leben der
türkischen Zyprioten in Pyla verbessern. Das Projekt hat nur humanitäre
Gründe“, fügte er hinzu.
Fest steht: die Straßenbauarbeiten von Arsos nach Pyla hatten die Behörden
der „Türkischen Republik Nordzypern“ angekündigt. Informationen zufolge i…
das Straßenbauprojekt aus Ankara finanziert. Die UN hatte im Vorfeld der
Ereignisse vom Freitag jedoch klargemacht, dass sie den Start der
Bauarbeiten für die Straße, die durch die Pufferzone führe, verhindern
werde. Die UNFICYP verurteilte die Angriffe am Freitag aufs Schärfste.
## „Schweres Verbrechen“
Doch nun ist das Kind in den Brunnen gefallen. Nicht nur Zyperns
Staatspräsident Nikos Christodoulidis und der griechische Premier Kyriakos
Mitsotakis verurteilten das umstrittene Straßenbauprojekt und das
gewalttätige Vorgehen der türkischen Zyprioten gegen die
UN-Friedensmission. Der Belgier Charles Michel, Präsident des Europäischen
Rates, [2][tat dies ebenfalls]. Die Republik Zypern ist [3][seit 2004
EU-Mitglied], de jure gilt dies für die ganze Insel.
Ebenso verurteilten die Botschaften der USA, Großbritanniens und
Frankreichs – allesamt ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats – in
einer gemeinsamen Erklärung den Angriff türkischer Zyprioten auf Mitglieder
der UN-Friedenstruppe (UNFICYP) in der Pufferzone: „Wir verurteilen die
Angriffe auf die UN-Friedenstruppe und die Beschädigung von UN-Fahrzeugen
durch türkisch-zypriotisches Personal. Die Bedrohung der Sicherheit der
UN-Friedenstruppen und die Beschädigung von UN-Eigentum stellen nach
internationalem Recht ein schweres Verbrechen dar“, heißt es darin.
Die drei Botschaften äußerten zudem „ihre ernste Besorgnis über den Beginn
des nicht genehmigten Baus einer Straße, die vom Norden in die von den
Vereinten Nationen kontrollierte Sicherheitszone in dem bikommunalen Dorf
Pyla führe“.
## Vertrauen muss wiederhergestellt werden
„Diese Aktionen sind völlig inakzeptabel und untergraben die Fähigkeit der
UNO, ihr Friedensmandat zu erfüllen. Besonders bedauerlich ist, dass diese
Aktionen fortgesetzt werden, obwohl die UNO einen Vorschlag unterbreitet
hat, um den türkisch-zypriotischen Anliegen in der Region Rechnung zu
tragen“, hieß es.
Die USA, Großbritannien und Frankreich „fordern die türkisch-zypriotischen
Behörden auf, die Bauarbeiten unverzüglich einzustellen, das UNFICYP-Mandat
und die Abgrenzung der Pufferzone zu respektieren, von einseitigen Aktionen
abzusehen, die dagegen verstoßen, und alle nicht genehmigten Bauten zu
entfernen“.
Sie warnen zudem davor, dass „weitere Aktionen in Richtung Eskalation die
Aussichten auf eine Rückkehr zu Siedlungsgesprächen untergraben könnten“.
„Einseitige oder eskalierende Aktionen, einschließlich Aktionen, die den
Status quo entlang der Waffenstillstandslinien verändern oder in die
Pufferzone eindringen könnten, müssen eingestellt werden, um Maßnahmen zur
Wiederherstellung des Vertrauens und zur Wiederaufnahme der Verhandlungen
zu ermöglichen“, betonen sie.
## Russland schweigt
In Schweigen hüllt sich bisher hingegen ein anderes ständiges Mitglied im
UN-Sicherheitsrat: [4][Russland]. Aufhorchen ließ zuletzt der Entschluss
der Russischen Föderation, in Kürze konsularische Dienstleistungen „im
nördlichen Teil“ von Zypern anzubieten.
Wie Russlands Botschafter in Zyperns Haupstadt Nikosia, Murat Zyazikov,
erklärte, sei „diese Entscheidung schon lange reif“. Sie habe „keine
politischen Hintergründe“. Damit meint er wohl, dieser Schritt dürfe nicht
als Vorstufe einer Anerkennung der „Türkischen Republik Nordzypern“
verstanden werden. Ein Hinweis darauf, wie sehr man dem Glauben schenken
darf, wird sich nicht zuletzt in der Causa Pyla zeigen.
18 Aug 2023
## LINKS
[1] /Zukunft-mit-vereinten-Schmerzen/!1073117/
[2] https://twitter.com/CharlesMichel/status/1692462191088144490?ref_src=twsrc%…
[3] /EU-muss-den-Norden-belohnen/!758509/
[4] /Zypern-und-die-Russen/!5070757
## AUTOREN
Ferry Batzoglou
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