# taz.de -- Rechte Gewalt auf Zypern: Rechtsradikale greifen Migranten an | |
> Rund 200 Neonazis verwüsten ein Viertel in der Hafenstadt Limassol. | |
> Präsident Christodoulides drückt seine Scham über das Versagen der | |
> Polizei aus. | |
Bild: Zerbrochene Fensterscheibe eines Geschäfts nach dem Angriff eines rechte… | |
BERLIN taz | Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage ist es auf Zypern zu | |
schweren migrantenfeindlichen Ausschreitungen gekommen. Am Freitagabend | |
griff eine Menge von 200 bis 500 Personen im Zentrum der Hafenstadt | |
Limassol wahllos Ausländer an. Ins Visier der Rechtsradikalen gerieten auch | |
Einheimische, die den Verfolgten helfen wollten. | |
Die Menge warf Schaufensterscheiben von Geschäften ein, die von Migranten | |
betrieben werden, zündete Müllcontainer an, warf Steine und | |
Molotow-Cocktails und zerstörte Autos. Viele der schwarz vermummten | |
Teilnehmer riefen: „Zypern ist griechisch“, ein von Rechtsradikalen | |
genutzter Slogan, der sich ursprünglich gegen die Zyperntürken richtete. | |
Augenzeugen berichteten von verstörenden Szenen. Eine Reporterin der Cyprus | |
Mail schreibt, dass Gewalttäter einem am Strand sitzenden Mann drohten, ihn | |
ins Meer zu werfen. Er sei blutig geprügelt worden. Eine aus Asien | |
stammende Frau musste zuschauen, wie ihr Geschäft kurz und klein geschlagen | |
sowie die Kasse geraubt wurde. Zerstört wurde auch ein von einem Syrer | |
betriebener Friseurladen. Mindestens fünf Ausländer wurden verletzt. | |
Die Polizei zeigte sich unfähig, die Menschen und ihren Besitz zu schützen. | |
Zwar waren viele Beamte im Einsatz, aber Reporter berichteten, dass diese | |
größtenteils untätig geblieben seien. Ein geparkter Wasserwerfer kam nicht | |
zum Einsatz. | |
## Polizeipräsenz im Stadtzentrum | |
Erst am Wochenende zuvor hatten Rechtsextreme in der Kleinstadt Chloraka | |
bei Paphos Migranten angegriffen und von ihnen betriebene Geschäfte | |
beschädigt. Erst mithilfe eines Großeinsatzes konnte die Polizei am | |
Dienstag weitere Attacken abwenden. Vordergründig galt der Protest einem | |
heruntergekommenen früheren Touristenkomplex, in dem Migranten wohnen. | |
In Chlorakas wurden 21 Personen festgenommen, in Limassol 13. Weitere 7 | |
Menschen kamen am Samstag im Umfeld einer Protestdemonstration gegen die | |
Rechtsradikalen in Haft. „Zerschlagt den Faschismus – in Limassol und | |
überall“, skandierten mehrere hundert Demonstranten. Der Protest verlief | |
friedlich. Die Lage im auch bei Touristen beliebten Limassol blieb am | |
Sonntag angespannt. Die Polizei war im Stadtzentrum präsent. | |
Am Samstag rief Zyperns Präsident Nikos Christodoulides wegen der Vorfälle | |
eine Sondersitzung ein – es war schon die zweite innerhalb einer Woche, die | |
sich mit den rechtsradikalen Angriffen beschäftigte. Bei dem Treffen waren | |
auch der Innenminister, die Justizministerin, der Zivilschutz, die Polizei | |
und die Feuerwehr dabei. | |
„Ich schäme mich für das, was gestern stattfand“, sagte Christodoulidis. | |
„Auch diejenigen sollten sich schämen, die dafür verantwortlich sind.“ | |
Damit meinte er sowohl die Organisatoren der Demonstration als auch die | |
Polizei und die zuständigen Minister. „Es kann nicht sein, dass der Staat | |
seine Bürger und Fremde nicht schützen kann.“ | |
## Höchste Migrationsrate in der EU | |
In den vergangenen 16 Jahren soll es auf Zypern zu 413 rassistischen | |
Attacken gekommen sein, berichtete die Zeitung Politis. Viele Zyprioten | |
machen [1][die neonazistische Partei Elam (Nationale Volksfront), eine | |
Schwesterorganisation der verbotenen griechischen Partei „Goldene | |
Morgenröte“], für die Eskalation der Gewalt verantwortlich. Elam erhielt | |
bei den letzten Wahlen zwischen 6 und 8 Prozent der Stimmen. | |
Die Republik Zypern verzeichnet gemessen an ihrer Bevölkerungszahl die | |
höchste Migrationsrate unter den EU-Staaten. Politiker beklagen, dass viele | |
Migranten über die Demarkationslinie aus dem türkischen Nordzypern in den | |
Süden geschleust würden. Inzwischen werden aus dem Libanon einreisende | |
Flüchtlinge regelmäßig zurückgeschoben. | |
3 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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