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# taz.de -- Persönliche Geschichten in der Kunst: Zwischen Ding und Geist verm…
> Spiritualität und biografische Bezüge versetzen die Kunst in der
> Düsseldorfer Ausstellung „Calling“ in Schwingungen. Auch goldene Videos
> sind zu sehen.
Bild: Sarah Pucci bestickte Objekte mit Perlen für ihre Tochter Dorothy Iannone
„Ah, oh Jesus! It’s too much!“, bricht es aus Mark Leckey, dem britischen
Videokünstler bei einem gewöhnlichen Spaziergang zum Ende der Pandemie
heraus. Eigentlich nur der durch den Himmel blitzenden Sonne und der Musik
auf seinen Kopfhörern ausgesetzt, steigert sich der alltägliche Moment
angesichts des plötzlichen Freiheitsgefühls nach dem Lockdown zur
spirituellen Überhöhung.
Sein Video „Carry Me into the Wilderness“ ist Resultat und Bekenntnis
dieser – nun ja – „überirdischen“ Erfahrung. Angelehnt an die christli…
Bilderwelt des spätgotischen Malers Lorenzo Monaco irrt man darin durch
eine digitalisierte Landschaft labyrinthartiger Höhlen – begleitet von
Leckeys zwischen Autotune und Kirchenchor changierenden Gottesanrufungen.
Dass Leckey auf Ikonen und religiöse Kultbilder zurückgreift, um seine
himmlischen Eindrücke zu vermitteln, ist naheliegend. Schließlich werden
dem Glauben nach in diesen Objekten die christlichen Inhalte nicht nur
abgebildet, sondern vielmehr verkörpert. Sie fungieren dann als Vermittler
zwischen der dinglichen und der immateriellen Welt.
In der Ausstellung „Calling“ im Düsseldorfer Kunstverein teilen alle
Exponate diesen Status. Die Figuren, Objekte, Stoffe oder Videos sollen
Kunstwerke sein, die einen transzendenten und emotionalen Austausch in Gang
setzten. Auch Leckeys bis ins goldene Glitzern sich steigernde Video ist
vertreten – wohl nicht zufällig in einer Nische am Ende des
Ausstellungsraums, die einer Apsis ähnelt.
## Mal schmuckvoll, mal seltsam kühl
Doch die Sphäre des nicht Greifbaren all dieser mal schmuckvollen, mal
seltsam kühlen Dinge lässt sich nicht auf eine Form der Spiritualität
herunterbrechen. Tradierte Mythologien finden ihren Platz, familiäre
Rituale, individuell Psychologisches.
Sarah Pucci etwa, Mutter der [1][in diesem Winter verstorbenen
US-amerikanischen Malerin Dorothy Iannone], hat in mühevoller Kleinstarbeit
Objekte mit einer Fülle an Perlen und Pailletten versehen. Als Geschenk für
die nach Europa verzogene Tochter wird das Kunstwerk hier zu einer Art
Medium der Zuneigung. Es soll Erinnerung stiften. Ein Kunstobjekt als
Glücksbringer?
## Traumabewältigung durch Kunst-Relikte
Für die experimentelle Popmusikerin Lizzi Bougatsos trifft das Gegenteil
zu: Ihre angekokelten Strumpfhosen sind der traurige Überrest eines
missglückten Band-Auftritts, als ihr Kostüm einmal Flammen fing und sie
sich schwere Verbrennungen zufügte. Indem die Stoffreste nun ausgestellt
werden, scheint es, als wolle Bougatsos Böses bannen. Traumabewältigung
durch Kunst-Relikte?
Waren Autonomie und Selbstbezüglichkeit noch vor einigen Jahrzehnten ein
erstrebenswerter Status zeitgenössischer Kunst, wird, wie in dieser
Düsseldorfer Ausstellung, heute die Distanz zur Biografie der
Kunstschaffenden einfach aufgegeben. Konzept und Ästhetik der Objekte
wirken hier erst im Wissen über den spirituellen Horizont ihrer
Urheber:innern.
Doch auch das hat Tradition: Paul Theks Figur „Dwarf“ von 1969 ist
Überbleibsel einer Installationsreihe, einer „Prozession“ der Gartenzwerge
durch Europa. [2][In der wilden, von tief christlicher Religiosität
geprägten Sinnwelt des 1988 verstorbenen Thek] ist es auch eine Prozession
durch Tod und Wiedergeburt. Das klingt alles esoterisch, ist es auch. Doch
die sehr eigenen, nur persönlich vermittelbaren Verhältnisse der
Künstler:innen zu ihren Werken faszinieren gerade aufgrund ihrer
Irrationalität.
17 Aug 2023
## LINKS
[1] /Nachruf-auf-Dorothy-Iannone/!5905689
[2] /Paul--hek-Retrospektive-in-Karlsruhe/!5189538
## AUTOREN
Robert Schlücker
## TAGS
Kunst
Ausstellung
Biografie
Skulptur
Video
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Haus der Kulturen der Welt
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