| # taz.de -- Förderpreis für junge Buchgestaltung: Faltung, Bindung, Bebilderu… | |
| > Bücher gestalten ist eine eigenständige Kunst. Eine Ausstellung in Berlin | |
| > zeigt die besten Nachwuchsprojekte, als Bücher und als Installationen. | |
| Bild: Seiten aus dem Buch „Entblößen und Verdecken“ von Anna Wank | |
| Berlin taz | Was haben Steinzeitmenschen, Michelangelo und die | |
| Performancekünstlerin Tanja Ostojić gemeinsam? Richtig, sie alle haben in | |
| ihren Werken mit Nacktheit gearbeitet. Entblößte Körper begegnen uns in der | |
| Kunstwelt immer und überall. Dabei fällt auf: Wo es Nacktheit gibt, | |
| reagieren Menschen immer wieder mit Zensur, manchmal auch erst Jahrhunderte | |
| später. So hatten [1][Plattformen wie Instagram und Facebook 2021 | |
| Abbildungen der ca. 30.000 Jahre alten Venus von Willendorf automatisch | |
| gelöscht]. | |
| Und 2019 wurden im [2][Polnischen Nationalmuseum gleich zwei Arbeiten aus | |
| einer Ausstellung entfernt], weil sie als „zu obszön“ galten. Beispiele wie | |
| diese inspirierten die Grafikdesignerin Anna Wank, sich gestalterisch mit | |
| Nacktheit und Zensur in der Kunst auseinanderzusetzen. Für ihre Arbeit | |
| „Entblößen und Verdecken“ wurde sie im Juli als eine von drei | |
| Preisträger*innen mit dem Förderpreis für Junge Buchkunst 2023 | |
| ausgezeichnet. | |
| Eine aktuelle Ausstellung im „einBuch.haus“ in [3][Pankow] präsentiert die | |
| ausgezeichneten Werke unter dem Titel „Up and Coming“. Dafür übersetzt die | |
| Ausstellung die Bücher in den Raum. Auf großen Papierbahnen erstrecken sich | |
| ausgewählte Buchseiten durch die Galerie. Zu jeder Arbeit gibt es außerdem | |
| eine Installation. | |
| Bei Anna Wank besteht diese aus dem Aufruf „Send Nudes“ auf einem Plakat an | |
| der Wand. Daneben sind einst zensierte Beispiele aus der Kunst zu | |
| begutachten. In ihrer Arbeit geht Wank der Frage nach, wieso das Darstellen | |
| von nackten Körpern bis heute immer wieder zensiert wird und wozu das in | |
| der [4][Kunst] führen kann. | |
| Das greift sie auch in der Gestaltung auf: Wank arbeitet mit Faltungen, die | |
| Teile der Seiten bedecken. Die Betrachter*innen sind daher angehalten, | |
| selbst aktiv zu werden und die entstandene [5][Zensur] durch Umschlagen | |
| aufzuheben, also buchstäblich zu „entblößen“. „Mir war wichtig, die g�… | |
| Methode der Zensur nicht zu reproduzieren“, schildert Wank. Daher habe sie | |
| mit dem Mittel der Interaktion spielerisch einen Zugang zum Verdecken | |
| schaffen wollen. | |
| ## Mal persönlich, mal politisch | |
| Neben Wank zählen zu den Prämierten außerdem die Gestalterin Carlota | |
| Barberàn Madruga mit ihrem Werk „Willkommen“ und der in Berlin lebende | |
| Fotograf Shinichiro Shiraishi mit „Samsara“. So hat Madruga in ihrem Buch | |
| Sprache im Alltag von Migrant*innen untersucht und welche Rolle | |
| Bürokratie in ihrem Alltag spielt. | |
| Dafür stellte sie insgesamt 100 Fragen an Migrant*innen, beispielsweise | |
| „Wurde dein Akzent mal als sexy bezeichnet?“ oder „Kannst du richtig du | |
| sein, wenn du auf Deutsch sprichst?“. Die Antworten fallen mal persönlich, | |
| mal politisch aus. Dabei arbeitet Madruga mit einer sachlichen | |
| Schwarzweiß-[6][Gestaltung] und sehr kleiner Groteskschrift, die an eine | |
| bürokratische Typografie erinnert. Im „einBuch.haus“ laufen zusätzlich | |
| Tonbandaufnahmen der Interviews. | |
| Shiraishis Buch dagegen arbeitet nur reduziert mit Schrift und stattdessen | |
| hauptsächlich mit Bildern. In „Samsara“ (altindisch für „Werden und | |
| Vergehen“) zeigt er verfremdete Fotografien der englischen Küste, | |
| ausschließlich in Schwarzweiß. Einzig vier blau gedruckte Bildkarten, die | |
| zwischen den Bildseiten stecken, bringen Farbe in das Werk. Für die | |
| Installation ist eines der Fotos großflächig abgedruckt, darunter liegen | |
| Steine, die Shiraishi von der Küste mitgebracht hat. Das Bildmotiv tritt so | |
| fast schon in den Raum hinein. | |
| Der Förderpreis für Junge Buchkunst wird seit 1989 von der Stiftung | |
| Buchkunst ausgeschrieben. Er zählt zu den bedeutendsten deutschen | |
| Nachwuchsauszeichnungen in der Buchkunst. Eine Altersgrenze für die | |
| Teilnahme gibt es nicht. „Nachwuchs meint hier, dass die Bewerber*innen | |
| auch einen Prototyp einreichen können, der noch keine ISBN hat“, schildert | |
| Carolin Blöink von der Stiftung. | |
| ## Wagemutigere Einsendungen als noch vor ein paar Jahren | |
| So solle die Teilnahme beispielsweise auch Studierenden ermöglicht werden, | |
| die nicht die finanziellen Ressourcen für einen hochwertigen Druck haben. | |
| Kriterien für die Auswahl seien daher weniger die Produktionsqualität als | |
| eine bewusst mutige Herangehensweise – beispielsweise durch eine spezielle | |
| Bindung – die laut Blöink als Inspiration für den klassischen Buchmarkt | |
| dienen soll. | |
| Seit der ersten Ausschreibung 1989 sind zu gedruckten Büchern außerdem | |
| hybride Buchformen dazugekommen, die den analogen Druck mit modernen | |
| digitalen Elementen verknüpft. Die Einsendungen für den Preis seien laut | |
| Blöink insgesamt wagemutiger als noch vor ein paar Jahren. Während es | |
| damals vorrangig um experimentelles Handwerk ging, gibt es heute eine | |
| stärkere Verknüpfung zu politischen Themen. | |
| 22 Aug 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marlena Wessollek | |
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