| # taz.de -- Ökonom über Geywitz' Wohnungsbauvorstoß: „Ich erwarte nicht vi… | |
| > Matthias Günther vom Eduard Pestel Institut reichen mehr | |
| > Abschreibungsmöglichkeiten für den Wohnungsneubau nicht. Er hat andere | |
| > Ideen. | |
| Bild: 14,5 Milliarden Euro will Klara Geywitz bis 2026 für neue Wohnungen wie … | |
| taz: Herr Günther, die Bundesbauministerin will den Wohnungsbau [1][mit | |
| steuerlichen Entlastungen] ankurbeln. Wie gut finden sie diese Idee? | |
| Matthias Günther: Es ist schön, dass sich das Bauministerium aufgerafft | |
| hat, etwas zu tun. Aber ich erwarte nicht viel davon. | |
| Nach dem Plan könnten Investoren in den ersten acht Jahren 48 Prozent der | |
| Baukosten abschreiben. Warum sind Sie so skeptisch? | |
| Wir haben schon 2014 unterschiedliche Abschreibungsmodelle durchgerechnet | |
| und welchen senkenden Effekt sie auf die Miete haben könnten. Unter den | |
| Abschreibungsvarianten hatten wir auch eine, die dem Vorschlag von Frau | |
| Geywitz recht nahekam. Im Vergleich zu damals sind die Baukosten um rund | |
| zwei Drittel gestiegen, und die Zinsen sind rund einen Prozentpunkt höher | |
| als damals. Wenn wir das berücksichtigen, dann liegt das | |
| Absenkungspotenzial heute schätzungsweise bei 1,5 bis 2 Euro pro | |
| Quadratmeter. | |
| Das ist nicht wenig. | |
| Ja, aber das Problem ist: Bei einem Neubau ohne staatliche Förderung liegen | |
| die Mieten heute bei etwa 17 bis 20 Euro pro Quadratmeter – weil es sich | |
| sonst nicht rentiert. Wenn Sie davon also 2 Euro abziehen, dann wäre man | |
| immer noch bei 15 bis 18 Euro pro Quadratmeter – da sind Sie noch lange | |
| nicht im Bereich bezahlbarer Mieten. Außerdem: Investoren können bessere | |
| Abschreibungsmöglichkeiten zur Absenkung der Anfangsmiete nutzen, sie | |
| müssen es aber nicht. | |
| Sie müssen im Gegenzug keine Mietsenkungen garantieren? | |
| Exakt. Investoren bieten das an, was am Markt durchsetzbar ist, und beim | |
| Neubau können sie im Grunde genommen die Miete autonom festsetzen. | |
| Könnte man Mietbegrenzungen zur Voraussetzung machen? | |
| Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen hat zum | |
| Beispiel eine Sonderabschreibung für Unternehmen, die Mietbegrenzungen | |
| garantieren, vorgeschlagen. Das Verbändebündnis Soziales Wohnen fordert | |
| schon über viele Jahre, dass es eine Sonderabschreibung nur für Investoren | |
| geben sollte, die mit einer Mietbegrenzung über wenigstens zehn Jahre | |
| einverstanden sind. Ich finde, es darf keine Förderung mehr ohne | |
| Gegenleistung geben. | |
| Das sieht der Plan von Geywitz aber nicht vor. Ist das also einfach ein | |
| Milliardengeschenk an private Investoren? | |
| Die Idee dahinter ist ja, privaten Investoren einen Anreiz zu geben, wieder | |
| in den Wohnungsbau einzusteigen. Sie bauen, wenn sie daran verdienen; das | |
| ist ein legitimes Anliegen. Aber ich bin mir nicht mal sicher, ob | |
| Investoren überhaupt auf den Plan von Frau Ministerin Geywitz anspringen. | |
| Denn es gibt nur einen relativ kleinen Teil in der Bevölkerung, der | |
| überhaupt in der Lage ist, diese hohen Mieten im Neubau zu bezahlen. Das | |
| ist auch der Grund, warum sich Bauinvestoren aktuell so zurückhalten und | |
| die Bauaufträge einbrechen. Sie haben Angst, dass sie neue Wohnungen im | |
| hohen Preissegment einfach nicht loswerden. | |
| Aber es gibt doch gemeinwohlorientierte Akteure. Die können diese | |
| Abschreibungen doch auch nutzen? | |
| Das Problem ist: Die öffentlichen Unternehmen, die Genossenschaften, die | |
| kirchlichen und alle anderen gemeinwohlorientierten Wohnungsunternehmen, | |
| die im bezahlbaren Preissegment Wohnungen anbieten, würden von höheren | |
| Abschreibungsmöglichkeiten kaum profitieren. Denn sie stecken meist alles, | |
| was sie erwirtschaften, in den Erhalt ihrer Wohnungsbestände und | |
| realisieren keine Gewinne. | |
| Was schlagen Sie vor? | |
| Die Idee, durch Neubau preiswertes Wohnen hinzukriegen, war ohne Förderung | |
| nie möglich. Das geht eigentlich nur durch sozialen Wohnungsbau und viel | |
| mehr staatliche Förderung. Ich setze deshalb schon seit Jahren darauf, dass | |
| man den Sektor der gemeinwohlorientierten Vermietung stärkt. Das heißt vor | |
| allem die öffentlichen, genossenschaftlichen und kirchlichen Unternehmen. | |
| Außerdem müssen wir viel mehr im Bestand bauen, zum Beispiel durch | |
| Aufstockung von Wohngebäuden. Damit könnten wir deutlich mehr Wohnungen | |
| schaffen, [2][als wir es im Moment tun]. Das kann bei entsprechenden | |
| Stückzahlen auch günstiger sein und hätte eine bessere Klimabilanz. | |
| Das Bauministerium betont, dass die Mittel vom Bund für den sozialen | |
| Wohnungsbau deutlich erhöht wurden. Trotzdem [3][ist im vergangenen Jahr | |
| die Gesamtzahl gesunken]. Warum? | |
| Wenn Frau Ministerin Geywitz immer wieder die 14,5 Milliarden Euro | |
| hervorhebt, die bis 2026 bereitgestellt werden, so reicht der Zeitraum zum | |
| einen bereits in die nächste Legislaturperiode. Zum anderen erfordert die | |
| veränderte Situation mit höheren Baukosten und höheren Zinsen auch eine | |
| höhere Förderung je Wohnung. Mit den verfügbaren Mitteln kann also nur eine | |
| kleinere Zahl an Wohnungen gefördert werden. Zudem werden die | |
| Förderbedingungen seitens der Länder meist nicht schnell genug angepasst. | |
| Auch die gestiegene Zeit von der Idee bis zur Realisierung einer | |
| Sozialwohnung bremst mit heute sechs Jahren die potenziellen Investoren. | |
| Das heißt, zu dem Zeitpunkt, wo sie Fördermittel beantragt haben, bis zur | |
| Fertigstellung ist man schon bei einer ganz anderen Kostenstruktur. Es ist | |
| wahnsinnig schwierig, so die Wirtschaftlichkeit zu wahren. | |
| Was würde denn helfen? | |
| Das Bündnis Soziales Wohnen hat bereits im Januar ein Sondervermögen von 50 | |
| Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau gefordert. Bei einer | |
| unmittelbaren Reaktion auf die Forderung hätte man mit dieser Summe die von | |
| der Bundesregierung angestrebten 100.000 Sozialwohnungen je Jahr in dieser | |
| Legislaturperiode noch erreichen können. | |
| 7 Aug 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jasmin Kalarickal | |
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