# taz.de -- Ausstellungen zum Mikrokosmos Club: Der Bass, der Verbindungen scha… | |
> Die Galerie Dittrich & Schlechtriem und die Kunstbrücke am Wildenbruch | |
> zeigen Kunst über Clubs. Thema ist auch die Tür, an der sich alles | |
> entscheidet. | |
Bild: Blick in die Ausstellung „Heute leider nicht“ bei Dittrich & Schlecht… | |
Es ist der schlimmste Albtraum aller Nachtkatzen, die Zurückweisung an der | |
Tür, zusammengefasst in einem Satz: „Heute leider nicht“. Die Wirkung der | |
drei schlichten Worte ist maximal, hat die Person am Einlass sie einmal | |
ausgesprochen, ist Widerspruch in der Regel zwecklos und der Abend erst mal | |
ruiniert. | |
Dass der [1][Künstler Simon Mullan] ausgerechnet diesen Satz als Titel für | |
eine Gruppenausstellung gewählt hat, die sich mit Club- und Jugendkultur | |
beschäftigt und am Freitag in der Galerie Dittrich & Schlechtriem | |
eröffnete, spannt den entsprechenden erzählerischen Bogen: Um große | |
Verheißungen geht es wie um ebenso große Enttäuschungen, und um all das, | |
was dazwischen noch so mitschwingt – die komplizierte jugendliche Suche | |
nach sich selbst, nach Ablenkung und Euphorie. Nach Anerkennung auch. Nach | |
Gemeinschaft, vermittelt durch Musik, durch den Bass, der einem in die | |
Magengrube fährt, sich dort wohlig ausbreitet und der Verbindungen schafft | |
zwischen Fremden. | |
Unterstützt durch Substanzen oftmals, klar. [2][Zuzanna Czebatul], die wie | |
viele der beteiligten Künstler*innen aktives Mitglied der Clubszene | |
Berlins ist, hat diesen ein ironisch-kritisches Denkmal errichtet; eine | |
luftgefüllte, riesige Ecstasy-Pille, die um sich selbst rotiert. | |
Den Bass wiederum gab es bei der Eröffnung nicht erst bei der Afterparty, | |
sondern schon als Performance von Mullan vor der Galerie zu hören. Ein | |
Augenblick zum Einrahmen: ein Auto, aufgetunt mit irre lautem Soundsystem, | |
Techno der über die Linienstraße hinwegdröhnte, sie für ein paar kurze | |
Minuten in einen Outdoor-Rave verwandelte, samt mitwippendem | |
Eröffnungspublikum auf Straße und Baugerüst. | |
Drinnen in der Galerie sorgt für den Sound primär der britische Produzent | |
Ed Davenport, der seine frühen Technoerinnerungen zu einer albumlangen | |
Klangcollage zusammengefasst hat. Klappt man die CD – ja, CD! – auf, ist | |
darin ein Foto des Künstlers beim Auflegen im Jugendzimmer zu sehen. | |
Thematisch passend befasst sich Daniel Hoflund direkt daneben mit | |
Teenage-Fantum in Form einer Sammlung von Tupac-Shakur-Postern. | |
Spielerisch, auf den zweiten Blick oft überraschend gefühlig sind auch | |
viele der weiteren Objekte, Videos und Fotografien im unteren Galerieraum. | |
Die Tür, die einst in den Tresor führte | |
Durch eine Tür, an der sich einst tatsächlich alles entschied, Top oder | |
Flop, muss man an einem anderen Kunstort der Stadt, der Kunstbrücke am | |
Wildenbruch, durchklettern, um zu einer zweiten Gruppenausstellung – „Club�… | |
– zu gelangen, die sich ebenfalls gerade diesem Mikrokosmos Club widmet. Um | |
eine legendäre handelt es sich, um diejenige, die in den 1990ern in den | |
Techno-Tempel Tresor führte, als sich dieser noch im Tresorraum des | |
ehemaligen Wertheim-Kaufhauses in der Leipziger Straße befand. | |
Museal ist die schwere Stahltür von damals inzwischen geworden. Als eines | |
der ersten Objekte [3][zog sie 2019 ins Humboldt Forum]. Mit der Folge, | |
dass in der Jubiläumsausstellung des Clubs im vergangenen Jahr im Kraftwerk | |
statt ihrer die ehemalige Gartenpforte ausgestellt werden musste. Auch | |
darauf verweist Stefan Alber in seinem Beitrag für die Neuköllner Schau. Er | |
hat die Tür nachgebildet, detailgetreu, allerdings nicht aus Stahl, sondern | |
aus leichtem MDF – mitteldichten Holzfaserplatten. | |
Die Kunstbrücke am Wildenbruch, Teil der Kommunalen Galerie Neukölln, eine | |
ehemalige Toilettenanlage an der Brücke über den Landwehrkanal, gäbe | |
räumlich selbst einen guten Club ab. Die Ausstellung spielt das einmal | |
durch, präsentiert – ein wenig didaktisch – den Bausatz eines solchen: die | |
Schlange davor, die Tür, die Bar, die Tanzfläche, den Sitz- und den | |
VIP-Bereich. | |
Raunen und Wispern hört man es schon, bevor man die Treppe nach unten | |
nimmt. Victor Keglis Soundarbeit „Speakeasy“ ist ein Zusammenschnitt von | |
Gesprächsfetzen, wie man sie in den Schlangen vor dem Einlass erlauschen | |
kann. Einsprechen lassen hat Kegli die Sätze nur leider von einer KI, was | |
so klingt, als würde man einer Gruppe feierfreudiger Roboter zuhören. | |
Überzeugender dagegen Matthias Drostes Installation im Außenraum, die an | |
Club-Interieurs angelehnt ist. Ein riesiges Polstermöbel im Stadtraum. | |
Dunkelblauer Samt, der gegen das Nieselgrau dieses Sommers anglänzt, edel | |
wie ein Chesterfieldsofa – beziehungsweise wie eine jener Billigversionen, | |
die man in möchtegern-exklusiven Nachtlokalen vorfindet. | |
Im Inneren sorgt [4][Alona Rodehs] Rauminstallation mit | |
fotolumineszierendem Vinyl, reflektierendem Stoff und Stroboskopeffekten | |
für eine ziemlich intensive Dancefloor-Assoziation – und subtile | |
Zwischentöne. Seit Jahren schon beschäftigt sich die 1979 in Tel Aviv | |
geborene Künstlerin, die auch bei „Heute leider nicht“ eine Arbeit zeigt, | |
mit Nacht und Nachtleben, mit Clubs auch als Orten der Gegenkultur und als | |
Safe Spaces von marginalisierten Gruppen, benutzt dafür, wie jetzt, | |
Materialien, die sichtbar machen. Tanzen ist eben auch politisch. | |
Vieles klingt an, hier wie da, und so ergänzen sich die beiden doch recht | |
verschiedenen Ausstellungen durchaus. Einen echten Clubbesuch können sie | |
freilich nicht ersetzen. Ihr klarer Vorteil jedoch: Man kommt garantiert | |
rein. | |
8 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
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