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# taz.de -- Polizeigewalt in Favelas von São Paulo: Brasiliens blutiges Dauert…
> Polizisten töten bei einer Großoperation in den Favelas von São Paulo
> mindestens zehn Menschen. Der rechte Gouverneur verteidigt den Einsatz.
Bild: Großangelegte Polizeioperation gegen Drogendealer in São Paulo am 30. J…
Berlin taz | „Extrem zufrieden“ sei er, gab São Paulos rechter Gouverneur
Tarcísio de Freitas am Montag vor Journalist*innen zu Protokoll. Was
der Gefolgsmann von Ex-Präsident Jair Bolsonaro in den höchsten Tönen lobt,
halten andere für ein Massaker. Es geht um einen Polizeieinsatz in der
Küstenstadt Guarujá, bei dem mindestens zehn Menschen getötet wurden. Der
Ombudsmann der Polizei von São Paulo spricht von mindestens 19 Opfern.
Vergangenen Donnerstag war ein Polizist der Spezialeinheit Rota von
Drogendealern erschossen worden. Ab Freitag drangen daraufhin
Polizeieinheiten in der „Operation Schild“ in Favelas der Region ein. Sie
verhafteten den mutmaßlichen Schützen, hinterließen aber auch ein Blutbad.
Laut der Polizei seien sie zuvor beschossen worden und hätten, so der
Sekretär für Öffentliche Sicherheit São Paulos „im gleichen Maße“ reag…
Bewohner*innen berichten hingegen von schweren
Menschenrechtsverletzungen. Vermummte Polizisten hätten Häuser gestürmt und
einige der Opfer regelrecht hingerichtet.
Mindestens ein Mann sei gefoltert worden. „Ich hörte seine Schreie und
seine verzweifelten Bitten um Hilfe. Er war Arbeiter und hatte keine
Waffe“, sagte eine Zeugin dem Nachrichtenportal UOL. Die Polizisten sollen
zudem gedroht haben, mindestens 60 Menschen zu ermorden und alle männlichen
Bewohner mit Vorstrafen und Tattoos zu töten. In den sozialen Medien
[1][bejubeln] Polizisten die Einsätze.
## Wenige Reformimpulse von der Lula-Regierung
Racheakte durch Polizisten sind keine Seltenheit in Brasilien. Im [2][Mai
2021] töteten Polizisten 28 Menschen in der Favela Jacarezinho in Rio de
Janeiro nach dem Tod eines Kollegen. Mehrere der Opfer sollen hingerichtet
worden sein.
Gouverneur Freitas kündigte weitere Einsätze in den Favelas an. Er scheint,
wie sein Vorbild Bolsonaro, mit harter Hand regieren zu wollen. Freitas
will auch einen [3][Vorschlag] von Hardlinern der Waffenindustrie prüfen,
der Kameras an Polizeiuniformen wieder abschaffen soll. Diese waren im
Bundesstaat São Paulo eingeführt worden, um Verstöße zu dokumentieren.
Danach war tatsächlich ein Rückgang der Polizeigewalt zu beobachten
gewesen.
Präsident Luiz Inácio „Lula“ da Silva hat sich bisher noch nicht zu der
Gewalt in Guarujá geäußert. In seiner Regierungserklärung versprach Lula
zwar, Polizeigewalt bekämpfen zu wollen, konkrete Ansätze aber gibt es
wenige.
Das liegt zum einen daran, dass die Linke den Sicherheitsdiskurs
stiefmütterlich behandelt und ihn rechten Kräften überlassen hat. Außerdem
hat Lula keine Mehrheit im Parlament, seine Koalition ist fragil. Der
Spielraum für grundlegendere Reformen wie eine Abschaffung der
Militärpolizei, eine Entkriminalisierung von Drogen oder ein Stopp der
Masseneinkerkerung dürfte derzeit klein sein.
Die Regierung hat aber auch wenig Handhabe, weil Sicherheitspolitik in
Brasilien Ländersache ist – und in vielen Bundesstaaten regieren rechte
Law-and-Order-Politiker. Doch auch dort, wo Lulas Partei im Chefsessel
sitzt, sieht es nicht unbedingt besser aus.
Insbesondere der nordöstliche Bundesstaat Bahia, eine Hochburg der
Arbeiterpartei PT, hat sich zu einem Hotspot der Gewalt entwickelt. Allein
am letzten Wochenende starben dort 15 Menschen bei Polizeieinsätzen. Der
aktuelle Gouverneur verteidigte mehrfach Polizeioperationen, und der
ehemalige Gouverneur Rui Costa, unter dem der Bundesstaat einen Anstieg der
tödlichen Polizeigewalt von 313 Prozent erlebte, ist nun Lulas
Kabinettschef.
1 Aug 2023
## LINKS
[1] https://twitter.com/KlaubertD/status/1686277314299002880
[2] /Anti-Drogen-Einsatz-in-Brasilien/!5770604
[3] https://www1.folha.uol.com.br/colunas/painel/2023/07/apos-morte-de-pm-banca…
## AUTOREN
Niklas Franzen
## TAGS
Arbeiterpartei Brasilien
Brasilien
Polizeigewalt
Luiz Inácio Lula da Silva
São Paulo
GNS
Kolumne Fernsicht
Brasilien
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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