# taz.de -- Serie „Shelter – Der schwarze Schmetterling“: Glaubwürdig is… | |
> Amazon hat sich eine Verfilmung von Harlan Coben gesichert. | |
> Herausgekommen ist hanebüchener Unsinn – der einen doch irgendwie | |
> fesselt. | |
Bild: Die Hauptrollen werden in der Serie vor allem von Teenagern gespielt | |
Ein bis zwei Romane veröffentlicht Harlan Coben pro Jahr, fast | |
ausschließlich Thriller und immer Bestseller. Jene Art Bücher, die gar | |
nicht erst als Hardcover erscheint und sich besonders an Flughäfen und | |
Bahnhöfen gut verkauft. Dass diese Lektüre – sprachlich eher unterkomplex, | |
aber clever konstruiert – eine Grundlage für leicht konsumierbaren | |
Streaming-Content ist, [1][hat sich längst herumgesprochen]. | |
Mit Netflix hat der US-amerikanische Autor schon vor Jahren einen | |
millionenschweren Vertrag über mehrere Verfilmungen abgeschlossen. Und nun | |
springt auch Amazon auf den Zug auf. Dort ist man so überzeugt von der | |
Zugkraft des Autors, dass man seinen Namen direkt in den Serientitel | |
integriert hat: „Harlan Coben Shelter – Der schwarze Schmetterling“. | |
Als Grundlage dient die Reihe um Mickey Bolitar, die sich eher an ein | |
jüngeres Publikum wendet – ein Ableger von Cobens Myron-Bolitar-Romanen. | |
Wem diese Namen nichts sagen, der wird von der Serie trotzdem abgeholt: | |
Vorwissen ist nicht nötig, zumal sich die Serie eh nicht strikt an die | |
Buchvorlage hält. | |
Mickey Bolitar (Jaden Michael) ist ein aufgeweckter Jugendlicher, den es in | |
die Kleinstadt verschlägt, aus der seine Familie väterlicherseits stammt. | |
Als sein Vater bei einem Autounfall ums Leben kommt und seine Mutter wegen | |
Depression in die Klinik muss, kommt der talentierte Basketballer bei | |
seiner Tante Shira (Constance Zimmer) unter, zu der er ein eher | |
angespanntes Verhältnis pflegt. Immerhin verguckt er sich gleich am ersten | |
Schultag in die ebenfalls neue Ashley. | |
## Unerschütterlicher Mystery-Grusel | |
Doch als die wenig später spurlos verschwunden ist und Mickey obendrein auf | |
ein unheimlich-verwunschen wirkendes Anwesen aufmerksam wird, wo ihm eine | |
alte Dame (Tovah Feldschuh) zuraunt, dass sein Vater noch leben würde, | |
überschlagen sich schnell die Ereignisse. | |
Sieht man davon ab, dass in der Serie die meisten Protagonist*innen | |
Teenager sind, entspricht die Serie eigentlich exakt dem Muster, das man | |
schon von den Netflix-Adaptionen kennt. Ein wichtiger Bestandteil ist dabei | |
eine ansprechende Besetzung, wobei in diesem Fall vor allem Constance | |
Zimmer („[2][UnReal]“) sowie der charismatische Shootingstar Jaden Michael, | |
der schon als junger Colin Kaepernick in „Colin in Black & White“ positiv | |
auffiel, überzeugen. Noch entscheidender ist allerdings der Plot, der | |
rastlos von einer Wendung und Überraschung zur nächsten jagt. | |
Coben selbst und seine Tochter Charlotte haben dieses Mal die kreative | |
Hauptverantwortung übernommen, was allerdings nicht verhindert, dass auch | |
dieser mit übernatürlichem Mystery-Grusel unterfütterter Thriller in die | |
gleichen Schwierigkeiten gerät wie zuletzt „Ich schweige für dich“ oder | |
„Wer einmal lügt“. Denn all das Tempo und die Spannungsbemühungen haben | |
auch hier zur Folge, dass die Handlung und das Verhalten der Figuren schon | |
ab der ersten Episode derart abstruse Formen annehmen, dass selbst | |
realistischere Dialoge dagegen nicht viel hätten ausrichten können. | |
Glaubwürdig ist hier wirklich gar nichts. | |
[3][Dass dann auch noch der Holocaust ins Spiel kommt], entpuppt sich zwar | |
als nicht ganz so geschmacklos wie befürchtet, lässt die Serie allerdings | |
endgültig in eine Dimension hanebüchenen Unsinns kippen, aus der es kein | |
Entkommen gibt. Das Paradoxe ist nur: Hat man sich einmal darauf | |
eingelassen und nach der ersten doch auch noch die zweite (von insgesamt | |
acht) Folgen angeklickt, kann man kaum aufhören, weil man eben unbedingt | |
erfahren möchte, welche kuriosen Volten die Geschichte noch schlägt. Womit | |
dann wohl das Coben’sche Erfolgsgeheimnis auch schon auf den Punkt gebracht | |
wäre. | |
23 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Patrick Heidmann | |
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