# taz.de -- Rohstoffe aus Westafrika: Senegal will Gas geben | |
> Senegal will Erdgas fördern und verkaufen. Auch Deutschland hat | |
> Interesse. Ist das eine gute Idee oder sollte das Land auf Sonnenenergie | |
> setzen? | |
Bild: Vor dem Horizont des Meeres: Das Gasterminal bei Senegals Küste | |
SAINT-LOUIS UND DIASS taz | Mit hoher Geschwindigkeit fährt das | |
Marineschiff an einem Dutzend kleiner Fischerboote vorbei. Das Geschütz auf | |
dem Vorderdeck ist mit einer Plane abgedeckt. Die Motoren wühlen das | |
Meerwasser auf zu einer Spur weißer Gischt. Soldaten auf der Brücke des | |
zwei Stockwerke hohen Schiffes beobachten die Fischer. Der Abstand beträgt | |
vielleicht 100 Meter. | |
Diese Szene wurde vor einigen Monaten per Smartphone von einer der flachen, | |
bunt bemalten Pirogen aus aufgenommen, mit denen die Fischer auf den | |
Atlantik hinausfahren. Das Bild springt hektisch hin und her. Das große | |
Schiff wendet, kommt zurück. Die Fischer rufen, schreien, gestikulieren. | |
Sie fühlen sich bedroht. Das beabsichtigt die Marine wohl auch. Sie will | |
den Fischern den Weg blockieren. | |
Vor der Küste des westafrikanischen Landes Senegal liegt unter dem | |
Meeresboden ein bedeutendes Erdgasvorkommen, aus dem 2024 die Förderung | |
beginnen soll. Um die Plattformen auf hoher See herum wurden Sperrgebiete | |
eingerichtet, in denen keine Fischerei mehr stattfinden darf. | |
Was zunächst nach einem lokalen Problem klingt, hat eine globale Dimension: | |
Ist es angesichts der Klimaerwärmung jetzt noch ratsam, neue fossile | |
Energiereserven zu erschließen? Auch Deutschland nimmt Einfluss auf den | |
Konflikt: Bundeskanzler Olaf Scholz hat erklärt, Interesse [1][am Import | |
von Erdgas aus Senegal zu haben], um russische Lieferungen zu ersetzen. | |
Welche Auswirkungen würde die Gasförderung haben? Und welche Alternativen | |
gäbe es? Um diese Fragen zu klären, hat die taz mit betroffenen Fischern, | |
den Betreibern eines Solarkraftwerks, EnergieexpertInnen und PolitikerInnen | |
gesprochen. | |
Mame Moussé Ndiaye ist einer der Fischer, die in Saint-Louis leben, einer | |
Küstenstadt im Norden, an der Grenze zu Mauretanien. Er ist aktiv in | |
mehreren Berufsvereinigungen von Fischern – und nimmt sich Zeit für eine | |
Tour in Richtung der Gasplattform, die der Küste am nächsten liegt. Seine | |
Piroge, ein schmales, etwa zehn Meter langes Holzboot, wartet zwischen | |
vielen weiteren auf dem Sandstrand. Die Bordwände sind in Rot, Blau, | |
Schwarz, Gelb mit Schrift und Bildern verziert. | |
Ndiaye und ein Freund schleppen Anker, Seile, Bojen, Tank und den | |
15-PS-Außenbordmotor herbei. Ein paar Jungs und Erwachsene helfen, die | |
Piroge über Holzwalzen zum Wasser zu schieben. Als sie schwimmt, steigt | |
Ndiaye hinein, der Freund zieht mit dem Starterseil den Motor an, der hohe | |
Bug bäumt sich über der ersten Brandungswelle auf. Dann Gas geben, das Boot | |
taucht ins Wellental. Die nächste Schaumkrone bricht, im Nu sind alle auf | |
dem Boot nass, was bei 23 Grad Wassertemperatur aber nichts ausmacht. Drei, | |
vier Mal geht das so, dann bleibt die Brandung hinter der Piroge zurück. | |
## Die Fabrik auf dem Meer | |
Backbord, vielleicht einen Kilometer entfernt, fährt langsam ein | |
Marineschiff, anscheinend dasselbe wie im Video. „Sie passen auf, dass wir | |
der Gasplattform nicht zu nahe kommen“, ruft Ndiaye gegen den Lärm des | |
Windes und der Wellen an. Er steht in der Mitte der Piroge, bewegt sich | |
kaum, gleicht alle Bewegungen des Bootes mit seinem Körper aus. Seine | |
weißen Shorts sind klatschnass, die Zigarette in seiner Faust bleibt | |
trocken. | |
Ein paar Kilometer mit Vollgas raus aufs Meer – und die Häuser von | |
Saint-Louis sind nur noch klein am Horizont zu sehen. Vorne aber, in | |
westlicher Richtung, hebt sich allmählich eine längliche Struktur aus dem | |
Dunst: die Gasplattform. Rot, gelb, weiß und grau schimmern hohe | |
Schiffsaufbauten, Kräne, Schornsteine, Radaranlagen. | |
Die Fabrik auf dem Meer besteht aus einem 1.200 Meter breiten stählernen | |
Wellenbrecher und einem dahinter liegenden künstlichen Hafen, in dem die | |
Pipelines aus der Tiefsee enden. Dort soll das Gas verflüssigt und mit | |
Tankern exportiert werden – vielleicht irgendwann auch nach Deutschland. | |
Die Fabrik schwimmt nicht. Sie steht auf dem Meeresboden, der hier, so nahe | |
der Küste, nur 30 Meter unter dem Wasserspiegel liegt. Diese fest | |
verankerte Lösung wurde aus Sicherheitsgründen gewählt – doch ausgerechnet | |
an einer Stelle, an der sich ein ausgedehntes Riff aus Felsen und Korallen | |
befindet. Der Fischreichtum ist groß. „Das Riff liefert alles“, sagt Ndiaye | |
– nicht nur für den Verkauf, sondern auch für die täglichen Mahlzeiten der | |
Fischerfamilien. | |
Nun aber sind seit etwa zwei Jahren große Wasserflächen über dem Riff für | |
die Fischer gesperrt. Die Marine verhindert die Arbeit dort. Die | |
Verbotszone geht von der Gasplattform 500 Meter in alle Richtungen, was auf | |
mehrere Quadratkilometer hinausläuft. Eine weitere Sperrzone liegt weiter | |
draußen auf dem Meer. Ndiaye: „Viele Boote fahren deshalb kaum noch raus.“ | |
Manche Fischer verlören „ein Viertel ihres Einkommens, andere die Hälfte“, | |
heißt es beim Nationalen Verband der Fischer. | |
Kann das sein? Der Ozean dehnt sich schier unendlich. Spielen ein paar | |
Quadratkilometer wirklich eine Rolle? „Da hinten“, sagt Ndiaye und weist | |
vom Boot aus in die Ferne, „beginnt schon Mauretanien.“ Dort, nördlich der | |
Stadt, ist der Fischfang für senegalesische Boote untersagt, es sei denn, | |
die Eigentümer leisten sich eine kostenträchtige Lizenz. Und im Süden von | |
Saint-Louis seien die Fischvorkommen nicht so reichhaltig. Das ist vor | |
allem ein Problem für die kleinen Pirogen, die für weite Strecken und die | |
hohe See nicht taugen. | |
Jetzt wendet das Boot, es geht zurück zum Ufer. Die Jungs sind zur Stelle | |
und ziehen die Piroge hoch ins Trockene. Alleine auf diesem Stück des | |
Strandes liegen Hunderte Boote dicht an dicht. Der Lebensunterhalt von rund | |
3.000 Familien hänge von ihnen ab, sagt der Fischerverband. Auf der Langue | |
de Barbarie, der nur über Brücken zu erreichenden, lang gestreckten | |
Halbinsel vor Saint-Louis, leben eigentlich fast alle Leute irgendwie vom | |
Fisch – als Händlerinnen, Bootsbauer, Mechaniker, Kneipiers. So könnten | |
Zehntausende EinwohnerInnen von dem Gasprojekt betroffen sein. | |
## 400 Milliarden Kubikmeter Gas | |
Grundsätzlich bietet die Regierung in der Hauptstadt Dakar den Geschädigten | |
Kompensationen, Umschulungen und Ersatzarbeitsplätze in der Gasindustrie | |
an. Bisher hätten sie aber keine Hilfen erreicht, sagen die Vertreter der | |
Fischer. Von der Regierung ist dazu keine Auskunft zu bekommen. Deren | |
Position sieht so aus: Für das ganze Land ist das Gas so wichtig, dass die | |
Vorteile die möglichen Nachteile für die Fischer von Saint-Louis bei Weitem | |
übersteigen. | |
Die Probleme der lokalen Bevölkerung sind Teil einer größeren | |
Auseinandersetzung. 2015 fand das US-amerikanische Unternehmen Kosmos das | |
Erdgas, nach dem es suchte – 125 Kilometer vor der senegalesischen Küste | |
unter dem dort 3.000 Meter tiefen Meeresboden. Heute gehören dem britischen | |
Energiekonzern BP 56 Prozent, Kosmos 27 Prozent, dem staatlichen | |
senegalesischen Unternehmen Petrosen 10 Prozent und Mauretanien 7 Prozent | |
der Anteile. | |
Das Vorhaben heißt inzwischen Greater Tortue Ahmeyim (GTA), und von den | |
Bohrungen in der Tiefsee führen Pipelines auf dem Meeresboden zu einem | |
Schiff etwa 45 Kilometer vor der Küste, wo das Gas gereinigt werden soll. | |
Von dort wird der Rohstoff in Unterwasserröhren zur Gasplattform vor | |
Saint-Louis strömen. | |
BP schätzt die gesamte Gasmenge auf etwa 400 Milliarden Kubikmeter. Zum | |
Vergleich: Die bekannten Gasreserven Saudi-Arabiens betragen etwa sechs | |
Billionen Kubikmeter. GTA ist im Weltmaßstab ein eher kleines Vorkommen, | |
doch es könnte erst der Anfang der Gasökonomie in Senegal sein. Weiter | |
südlich liegen zwei weitere Gasfelder, deren Ausbeutung geplant ist. | |
Die senegalesische Regierung setzt große Hoffnungen in diese neue Art der | |
Energieversorgung. „Die meisten Menschen auf dem Land nutzen noch | |
Holzkohle“, sagt Mamadou Fall Kane. Als energiepolitischer Berater des | |
Präsidenten ist er im Januar 2023 per Video in eine Ausschusssitzung des | |
Bundestages zugeschaltet. Etwa ein Drittel der Bevölkerung habe bisher | |
keinen Zugang zu Strom, erklärt Kane auf Französisch. | |
Das Gas betrachtet die Regierung deshalb als einen Schlüssel zur | |
Entwicklung des Landes. Die geplanten Schritte: Das bisher in Kraftwerken | |
als Brennstoff verwendete Schweröl wird durch Gas ersetzt, wodurch der | |
Ausstoß klimaschädlicher Abgase sinkt. Neue Gaskraftwerke sollen die | |
gesamte Bevölkerung mit Strom versorgen. Gas aus Gasflaschen ersetzt dann | |
Holzkohle beim Kochen, was der Entwaldung entgegenwirkt. | |
Senegal könnte mit eigener Energie seine Industrie aufbauen, beispielsweise | |
die Produktion von Dünger. Schließlich spart der Staat Geld für | |
importiertes Öl, kann andererseits aber eigenes Gas exportieren, was | |
zusätzliche Einnahmen für den Haushalt bringt. | |
Die Klimaschutzorganisation Fridays for Future [2][hält das Gegenteil für | |
richtig]. „Das Gas muss unter dem Meeresboden bleiben“, sagt Yero Sarr von | |
FFF Senegal. Der Student der Physik und Chemie begründet das mit den | |
potenziellen Schäden für die lokale Wirtschaft und das Weltklima. | |
## Genug Sonnen- und Windenergie | |
Unterstützung erhält er auch von der grünen Bundestagsabgeordneten und | |
Energiepolitikerin Lisa Badum: „Senegal hat das Potenzial für eine | |
Versorgung mit 100 Prozent erneuerbarer Energie.“ Eine [3][Studie von | |
Germanwatch und New Climate Institute] belegt, dass genug Sonnen- und | |
Windenergie produziert werden kann, um den Wohlstand in Senegal zu | |
steigern – auch ohne Erdgas. | |
Etwa 60 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Dakar dehnt sich flaches, | |
trockenes, wenig besiedeltes Land aus. Ockerfarbener und rötlicher Boden, | |
einzelne Bäume, Sträucher, dazwischen Neu- und Rohbauten, halb fertige | |
Kreisverkehre, moderne Straßen – hier entsteht der neue Regierungssitz. | |
Dann Strommasten, eine weiße Mauer, das Metalltor rollt zur Seite – Ankunft | |
im Solarkraftwerk Diass. | |
Mame Ndiémé Ndong arbeitet seit 2016 beim staatlichen Stromunternehmen | |
Senelec. Sie hat in Dakar studiert, ist Elektroingenieurin, spezialisiert | |
auf erneuerbare Energie. Sie führt in die Schaltzentrale. Auf drei | |
Bildschirmen sieht man, wie viel Strom die Anlage gerade produziert. Wegen | |
der intensiven Einstrahlung und vieler Sonnenstunden ist die Ausbeute um | |
bis zu 70 Prozent höher als in Mitteleuropa – obwohl draußen der Wind die | |
Solarmodule ständig einstaubt, sodass deren typische blaue Farbe kaum zu | |
sehen ist. | |
In Hunderte Meter langen Reihen sind sie auf Pfosten montiert und liefern | |
Energie, ohne dass irgendeine Ressource aus der Erde geholt und verbrannt | |
werden müsste. Ungefähr einen Kilometer lang und 400 Meter breit ist das | |
Gelände. Finanziert hat das zum guten Teil die KfW, die Entwicklungsbank | |
der Bundesregierung. | |
„Da kommt der Traktor“, sagt Ndong. Sie trägt Jeans, weißes Kopftuch und | |
dunkle Sonnenbrille gegen das brutal helle Licht. Rechts am Fahrzeug ist | |
eine lange, rotierende Bürste angebracht, die die Photovoltaikmodule mit | |
Wasser reinigt. Regelmäßig fährt ein Beschäftigter die Reihen ab. | |
Heute machen erneuerbare Energien gut 30 Prozent der installierten | |
Kapazität zur Stromerzeugung in Senegal aus. Das sind rund 400 Megawatt, | |
weniger als 1 Prozent der Stromerzeugung deutscher Solaranlagen. Mehr wäre | |
durchaus möglich, auch viel mehr. „Wir haben genug Sonne und genug Land. | |
Senegal ist dünn besiedelt“, sagt Ndong. | |
Ein Schritt in diese Richtung wurde gerade verabredet. Frankreich, | |
Deutschland und weitere Staaten wollen Senegal 2,5 Milliarden Euro geben, | |
damit der Anteil der Ökoenergien auf 40 Prozent steigt. Aber die Regierung | |
lege Wert darauf, beides zu machen, sagt Ndong – Ökostrom und Erdgas | |
parallel. Das sei eine „politische Entscheidung“. Von Senegals | |
Energieministerin Aïssatou Sophie Gladima ist bekannt, dass sie meint, ihr | |
Land müsse „auf zwei Beinen laufen“. | |
Braucht Senegal wirklich beides, Erdgas und erneuerbare Energie? Der | |
ausschlaggebende Vorteil der Gasökonomie besteht in den zusätzlichen | |
Erlösen, die anfangs 20 Prozent der Staatseinnahmen ausmachen könnten. | |
Denn ein großer Teil des Erdgases soll erst mal exportiert werden, wie | |
Präsidentenberater Kane in einer Mail an die taz betont. Die später zu | |
erschließenden Felder seien dann eher für den Eigenbedarf bestimmt. Wobei | |
neue Gaskraftwerke und Pipelines, die der Versorgung der eigenen | |
Bevölkerung dienen könnten, bisher nur auf dem Papier existieren. | |
„Großes Verständnis“ äußert der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby… | |
das Interesse der Regierung, Geld einzunehmen, um es in Entwicklung zu | |
investieren, in Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Straßen, | |
Stromleitungen. | |
Diaby wurde in Senegal geboren. Der dortige Wohlstand liegt, je nach | |
Berechnung, bei 3 bis 8 Prozent des deutschen. „Der Begriff Energiewende | |
bedeutet hier etwas anderes“, sagt Fabian Heppe, der Vertreter der | |
Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung in Dakar, „hier geht es zunächst um | |
Energie für alle.“ | |
Mögliche Nachteile der Gasstrategie aus senegalesischer Sicht sind mögliche | |
Korruption und eine ungerechte Verteilung des Reichtums, negative Beispiele | |
dafür sind Nigeria und Angola. Und: Deutschland und viele reiche Staaten | |
wollen ihren Gasverbrauch verringern, um bis Mitte des Jahrhunderts | |
klimaneutral zu werden – investiert Senegal also in eine sterbende | |
Technologie? | |
Global gesehen besteht der wesentliche Nachteil im zusätzlichen Ausstoß | |
klimaschädlicher Treibhausgase. Der Verzicht darauf macht wiederum den | |
entscheidenden Vorteil einer Fokussierung Senegals auf erneuerbare Energien | |
aus. | |
Außerdem würden Ökokraftwerke zusätzliche Arbeitsplätze für die | |
einheimische Bevölkerung bringen, während die Gasökonomie die Fischerei | |
bedrohe, erklärt Fridays-for-Future-Aktivist Sarr. Ein Nachteil der | |
Erneuerbaren: Ökoenergie lässt sich auf absehbare Zeit höchstens in die | |
Nachbarländer, nicht aber weltweit exportieren, was weniger Einnahmen im | |
Vergleich zum Gas bedeutet. | |
## Die Doppelstrategie: Gas und erneuerbare Energien | |
Und welche Rolle spielt nun Deutschland in diesem Konflikt? Als | |
Bundeskanzler Scholz im Mai 2022 nach Senegal reiste, kündigte er zusammen | |
[4][mit Präsident Macky Sall] Kooperationen in der Gasförderung an. Die | |
Reise fand kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine statt, Gas aus | |
dem Osten sollte schnell ersetzt werden. Auch in diesem Jahr ist aus dem | |
Bundeskanzleramt zu hören, dass der westafrikanische Staat ein potenzieller | |
Flüssiggaslieferant sei. Präsidentenberater Kane schreibt, Senegal sei | |
offen für Lieferungen nach Deutschland. | |
Praktisch ist, soweit bekannt, bisher aber nichts passiert. Deutschland | |
kann seinen Gasbedarf ohne Probleme aus anderen Quellen decken. Die | |
Grünen-Politikerin Lisa Badum fordert, den „Gasdeal mit Senegal nun endlich | |
zu beerdigen“. In [5][einem Streitgespräch mit Diaby] im Spiegel sagte sie: | |
„Die Welt braucht keine neuen Gasfelder.“ Diaby antwortet hart darauf: „D… | |
ist neokoloniales Denken.“ Er will von seiner Koalitionskollegin wissen, | |
warum ein reicher Staat wie Katar Gas fördern dürfe, ein armer wie Senegal | |
aber nicht. | |
Diese Frage stellen sich auch MitarbeiterInnen des Entwicklungsministeriums | |
in Berlin. Dort weiß man, dass die Bevormundung anderer Regierungen keine | |
gute Idee ist. Faktisch lässt sich das SPD-geführte Ministerium deshalb auf | |
eine Doppelstrategie in Senegal ein: Gas und Erneuerbare. Wobei eine | |
Sprecherin betont: „Mit deutschen Entwicklungsgeldern wird keine | |
Gasinfrastruktur finanziert.“ | |
Nun könnte es so weitergehen: Senegal beginnt bald, das Erdgas vor der | |
Küste zu exportieren und gewisse Mengen selbst zu nutzen. Dabei spielt der | |
kleine Anteil des Eigenverbrauchs für das Weltklima kaum eine Rolle. Denn | |
das Land mit seinen knapp 18 Millionen Menschen verursacht nur 0,07 Prozent | |
der globalen Treibhausgas-Emissionen. | |
Anders sieht es beim Export aus. Deutschland ist für etwa 2 Prozent der | |
klimaschädlichen Abgase weltweit verantwortlich. Kaufen wir und andere | |
reiche Staaten das Erdgas aus Westafrika, um das hiesige Wohlstandsmodell | |
am Laufen zu halten, verschärft dies das Klimaproblem erheblich. So | |
betrachtet liegt die Hauptverantwortung im Norden, nicht im Süden. | |
Viele KlimaaktivistInnen fordern deshalb, dass die reichen Staaten | |
ihren Verbrauch fossiler Energie schnell einschränken, und die Konsequenz | |
dieser Forderung würde lauten: Das Gas Senegals sollte unter dem Meer | |
bleiben. | |
Doch daraus erwächst ein Dilemma: Mit den Exporteinnahmen fiele auch der | |
Eigenverbrauch weg, denn mit diesem alleine lässt sich das teure | |
Förderprojekt nicht finanzieren. Realistisch betrachtet wird das Gas also | |
fließen, und zwar auch in den Norden. | |
Zurück von der Bootstour in Saint-Louis wird nun der Außenbordmotor | |
abgeschraubt und über den Strand nach Hause getragen. Während er das Boot | |
ausräumt, macht Mame Moussé Ndiaye sich Gedanken: „Für uns Fischer ist das | |
Gas schlecht, für das Land aber ist es gut.“ Wenn man es jetzt schon | |
gefunden habe, solle man es auch nutzen, meint der Mann, dessen | |
Lebensunterhalt gefährdet ist. | |
Allerdings müsse der Staat das Geld dann auch gut investieren, sagt er. Die | |
Fischer bräuchten Hilfe bei den Lizenzen für die Fangfahrten in | |
mauretanischen Gewässern. Und am besten würde neben der Sperrzone im Meer | |
ein künstliches Riff aufgeschüttet, um die Einkommen der Fischer zu | |
sichern. | |
Solche Wünsche ließen die Regierung und BP bisher aber unbeantwortet. Einer | |
der Nachbarn, die Ndiaye beim Ausladen helfen, sagt: „Die Fischerei hat | |
hier keine Zukunft. Ich hoffe, dass meine Kinder Staatsdiener werden.“ | |
Dieser Artikel wurde möglich durch finanzielle Unterstützung des | |
Recherchefonds Ausland e. V. taz.de/auslandsrecherche | |
22 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Deutschlands-Gas-Deal-mit-Senegal/!5902627 | |
[2] /Deutschlands-Deal-mit-Senegal/!5896251 | |
[3] https://newclimate.org/resources/publications/renewable-senegal | |
[4] /Senegals-Praesident-entschaerft-Krise/!5941919 | |
[5] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/spd-und-gruene-streit-ueber-gasf… | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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