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# taz.de -- Hamburger*innen und der Regen: Die ewige Beschwerde
> In meiner Kindheit in Damaskus wurde Regen als ein Geschenk Gottes
> betrachtet. In Hamburg ist der Regen Anlass für Beschwerden.
Bild: Immer zu viel oder zu wenig: Regen in Hamburg
Vor ein paar Wochen stand ich am Kiosk und sah die Titelseite der taz: „Nur
Europäer und Hunde liegen in der Sonne: In Ägypten rufen Fernsehspots dazu
auf, sich vor Hitze zu schützen und im Schatten zu bleiben“. Statt einer
Hitzewelle gab es hier Regen. In Hamburg würde ich titeln: „Regen, Regen,
Regen, das Leben ist wie der Regen“.
Meine Perspektive auf Regen hat sich komplett verändert, seitdem ich
deutsche Freund*innen kennengelernt habe. Oder vielleicht sollte ich
sagen, seitdem ich Norddeutsche kennengelernt habe. Ich kann mit Freunden,
Kolleginnen, der Verkäuferin auf dem Markt oder mit dem Sitznachbarn im Bus
über das Wetter und den Regen reden. Es läuft fast immer gleich ab: Wenn es
vor Kurzem noch warm gewesen ist, dann wird der Regen meistens kommentiert
mit: „Oh, die Natur hat das gebraucht.“ Wenn es aber mehrere Tage
hintereinander regnerisch ist, kommen Beschwerden. Und immer bringt jemand
einen Spruch über Zucker oder richtige Kleidung.
Bei dem ganzen Nass in den vergangenen Wochen habe ich mich an den Regen in
meiner ersten Heimat, in Syrien, erinnert. Hier meine ich nur meine Familie
und die Gegend, in der ich aufgewachsen bin, denn ich kenne nicht ganz
Syrien. Im Sommer in [1][Damaskus] hat es in meiner Erinnerung selten
geregnet, der Regen kam lieber im Frühling oder Winter. Ich erinnere mich,
wie sehr sich meine Eltern freuten, wenn es doch ausnahmsweise regnete.
Denn der Regen ist auch in Syrien wichtig für die Landwirtschaft. Als Kind
bekam ich das Gefühl, dass Regen wie ein Geschenk für uns und die Natur
war, ich freute mich darüber.
Viele Jahre später habe ich gelesen, dass [2][Regen] auch ein
revolutionäres Symbol sein kann. Mit dem Regen kommt der Neuanfang, es
können neue Dinge in der Natur und in der Gesellschaft wachsen. In Tunesien
wurde nach der Revolution 2010 ein Lied über den Regen zweckentfremdet, der
Text geht so: Willkommen Regen, komm über die Blätter, ein Traum ist wie
eine Rose, die wächst, und die Sichel wird zum Mond.
Auch in meinem religiösen Kontext kann der Regen gelobt werden: Viele
Muslim*innen sagen, dass die Regenstunden heilige Stunden sind, es ist
eine besondere Zeit zu beten. Wer zu dieser Zeit kann, sollte mit Allah
seine Wünsche und Bitten teilen.
Und ich erinnere mich, wie in Filmen, Musik und Literatur der Regen mit der
Liebe in Verbindung gebracht wurde. Es ist ein Klischee, aber trotzdem
träumten (gerade in meiner Jugend) viele Verliebte davon, ihre
Partner*innen zu finden und gemeinsam im Regen spazieren zu gehen.
In Deutschland ist alles zum Thema Regen anders. Vielleicht liegt das
daran, dass ich von einem warmen, romantischen Sommerregen in Damaskus
träumte und nicht von einem kalten, seitlich fliegenden Hamburger Regen.
Aber eine Frage bleibt: Wieso kann man sich beschweren, wenn es mal wieder
regnet, aber andererseits aber auch, wenn es nicht genug regnet?
Einerseits kann ich die Norddeutschen verstehen, denn wir müssen in Hamburg
Sonne für den langen Winter speichern. Die vielen grauen Wolken können die
Stimmung trüben, wir können seltener draußen sein und miteinander Zeit
verbringen. Und hier ist das Wetter auch mehr Teil der Diskussion über die
Umwelt und die [3][Klimakrise].
Aber andererseits kann ich mich nicht an das Beschweren gewöhnen und ich
will nicht selber damit anfangen. Ich bemühe mich, immer wenn es regnet, an
meine syrische Mutter zu denken und zu wiederholen, was sie oft sagte, wenn
es regnete: „Allah yebath alkhayr“ – Gott sendet uns Gutes.
27 Aug 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Hussam Al Zaher
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