# taz.de -- Deutsche Fehlersuche: Differenz aushalten und nachfragen | |
> Rassismus, Queerfeindlichkeit, Colorism, Klassismus und Ableismus wurde | |
> unserer Kolumnistin schon vorgeworfen. Zu Recht, findet sie. | |
Bild: Diskriminierungsfrei arbeiten ist unter den gesellschaftlichen Rahmenbedi… | |
Du findest, das hätte man besser ausdrücken können? Du kennst einen | |
Begriff, den du an dieser Stelle für inklusiver hältst? Hier wurde eine | |
Gruppe nicht mitgedacht? Schnell einen Kommentar mit Rotstift schreiben: | |
den Fehler aufzeigen und korrigieren. In etwas genervtem Ton, man macht das | |
schließlich unbezahlt. | |
In meiner „Bubble“ – queerfeministisch, Schwarz und PoC – gibt es ein s… | |
deutsches Hobby: die Fehlersuche. Gibt es etwas an diesem Text oder auf | |
dieser Veranstaltung, das nicht perfekt ist? Gibt es etwas, das man | |
bemängeln und kritisieren kann? | |
Schon wieder eine Diskussion über rassistische Sprache in Kinderbüchern. | |
Ich teile meinen zehn Jahre alten Text. Kein Bock, das jedes Mal neu zu | |
schreiben. Doch jetzt bekomme ich Nachrichten, in denen mir erklärt wird, | |
dass man „Schwarz“ großschreibt. Es handle sich dabei ja um eine politische | |
Selbstbezeichnung und kein Farbadjektiv. Ich antworte, dass ich das 2013 | |
bei kaum einer Redaktion durchsetzen konnte. Daraufhin keine Reaktion. | |
Nach dem Podium gibt es zwei Rückmeldungen aus dem Publikum. Eine | |
bemängelt, dass man sich begrifflich präziser hätte ausdrücken können. Die | |
andere, dass die Sprache zu akademisch gewesen sei. Beides ist richtig. Wir | |
sahen gerade einen rhetorischen Tanz beim Versuch, dem stetigen Wandel von | |
Selbstbezeichnungen und diskriminierungssensibler Sprache gerecht zu werden | |
und [1][gleichzeitig auch für die Anwesenden verständlich zu sein], die | |
sich nicht in akademischen oder aktivistischen Debatten herumtreiben. Man | |
kann anerkennen, dass beides versucht wurde, oder beanstanden, dass beides | |
nicht ganz geklappt hat. Das ist eine Entscheidung. | |
## Diskriminierungsfrei arbeiten ist fast unmöglich | |
Rassismus, Queerfeindlichkeit, Colorism, Klassismus und Ableismus wurden | |
mir schon vorgeworfen. Zu Recht. Ich bin ja schließlich ein Kind meiner | |
Zeit. Mich nervt allerdings, was dafür zum Anlass genommen wurde und wie | |
leicht sich mein „Fehlverhalten“ hätte besprechen lassen. | |
Andere aufklären ist wichtig, aber oft eine Machtgeste: Was, wenn die | |
Person deine Infos gar nicht braucht? Was, wenn ihr die gleichen | |
Informationen vorliegen, sie aber andere Schlüsse daraus zieht? | |
Aktivist*innen nutzen unterschiedliche Selbstbezeichnungen, weil sie | |
aus verschiedenen Generationen und Bewegungen kommen. Sie setzen nach | |
Abwägen bestimmte Schwerpunkte bei Veranstaltungen. Wir sollten Verbündeten | |
einen Vertrauensvorschuss geben und wohlwollend nachfragen statt motzen; | |
Differenz aushalten statt belehren. | |
Diskriminierungsfrei arbeiten ist unter den gesellschaftlichen | |
Rahmenbedingungen fast unmöglich. Das gilt besonders für Projekte von | |
marginalisierten Personen, Selbstorganisationen oder der freien | |
Kulturszene. Also dort, wo die Ressourcen besonders knapp sind. Nicht nur | |
deshalb macht es Sinn, [2][machtkritischer und diskriminierungssensibler | |
Arbeit] wohlwollend statt missbilligend zu begegnen. | |
15 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Simone Dede Ayivi | |
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