| # taz.de -- Nach Polens Getreideimportverbot: Streit ums Korn | |
| > Erst verbietet Polen den Import von ukrainischem Getreide, dann fordert | |
| > Polen von der Ukraine mehr Dankbarkeit. Die Nachbarstaaten liegen im | |
| > Clinch. | |
| Bild: Ein Arbeiter an einem durch einen russischen Angriff zerstörten Getreide… | |
| Eigentlich sind Polen und die Ukraine gute Verbündete. Doch mit [1][Putins | |
| Aufkündigung des Getreidedeals] ist es dem russischen Kriegstreiber | |
| gelungen, Zwietracht zu säen. Am Dienstag bestellten Warschau und Kiew | |
| sogar gegenseitig die Botschafter ein. Marcin Przydacz, der außenpolitische | |
| Berater des polnischen Präsidenten, hatte zuvor im Staatssender TVP den | |
| polnischen Importstopp für ukrainische Agrarprodukte verteidigt – und in | |
| diesem Zusammenhang mehr Dankbarkeit von Kiew für die „viele Hilfe“ Polens | |
| gefordert. „Die Ukraine sollte damit beginnen, das zu schätzen, was Polen | |
| in den vergangenen Monaten und Jahren für sie getan hat. Für uns am | |
| wichtigsten ist jetzt die Interessenverteidigung der polnischen Bauern.“ | |
| Das kam im kriegsgeschüttelten Nachbarland gar nicht gut an. „Es gibt | |
| nichts Schlimmeres als einen Retter, der von dir schon Geld für die Rettung | |
| fordert, während noch das Blut aus deinen Wunden trieft“, schrieb Andrij | |
| Sybiha, stellvertretender Büroleiter des ukrainischen Präsidenten Wolodimir | |
| Selenski, auf Facebook und wies den Vorwurf zurück, die Ukraine sei nicht | |
| dankbar genug. Die ukrainischen Soldaten verteidigten jeden Tag die | |
| westlichen Werte und die Sicherheit der ganzen Region gegen den russischen | |
| Aggressor, so Sybiha auf Facebook weiter. Sie täten dies auch im Interesse | |
| Polens. Die Äußerungen seien „inakzeptabel“, musste sich dann auch der | |
| Botschafter Polens in Außenministerium der Ukraine anhören. | |
| Daraufhin bestellte Polens [2][nationalpopulistische Regierung] ihrerseits | |
| den ukrainischen Botschafter ein. Noch am Dienstagabend warf Polens | |
| PiS-Premier Mateusz Morawiecki der Ukraine einen „Fehler in der | |
| Außenpolitik“ vor. „Wir werden immer den guten Ruf Polens und seine | |
| Sicherheit verteidigen“, so Morawiecki auf Twitter. | |
| Spät abends schrieb Selenski ebenfalls auf Twitter, dass die Freiheit und | |
| das Wohlergehen beider Länder sowie das Zusammenhalten gegen den russischen | |
| Krieg an erster Stelle stehen sollten. Doch am nächsten Morgen drohte | |
| Radoslaw Fogiel (PiS), der Chef des polnischen Parlamentsausschusses für | |
| Außenpolitik: „Die Ukraine muss sich darüber im Klaren sein, dass es bei | |
| solchen Streitigkeiten für Polen deutlich schwerer wird, die Ukraine | |
| weiterhin zu unterstützen.“ | |
| Hintergrund der Animositäten ist der Streit über den [3][Export von | |
| Getreide] und anderer Agrarprodukte aus der Ukraine in die EU und nach | |
| Afrika. Nachdem die EU schon 2016 einen Großteil der Zölle für ukrainische | |
| Importe landwirtschaftlicher Produkte liquidiert hatte, importierten | |
| Großaufkäufer in den unmittelbaren Nachbarstaaten Millionen Tonnen Getreide | |
| aus der Ukraine. | |
| Das Nachsehen hatten die meist kleineren Bauernhöfe in Polen, Ungarn, der | |
| Slowakei, Rumänien und Bulgarien, die sich an Umweltauflagen der EU halten | |
| müssen, viele Pestizide, die in der Ukraine erlaubt sind, nicht einsetzen | |
| dürfen – und damit nicht konkurrenzfähig waren. Ihr Getreide blieb häufig | |
| unverkauft in Speichern und Silos liegen. | |
| Dramatisch wurde die Situation aber erst mit Aufkündigung des Getreidedeals | |
| seitens Russlands. Seitdem dürfen ukrainische Getreideexporte nicht mehr | |
| das Schwarze Meer passieren. Zwar verhängte die EU auf Antrag der | |
| ukrainischen Nachbarstaaten einen befristeten Importstopp für ukrainisches | |
| Getreide in die EU, erlaubte aber ausdrücklich den Transit durch EU-Staaten | |
| bis zu den Häfen, von denen aus das ukrainische Getreide vor allem nach | |
| Afrika verschifft werden sollte. Zu wenig berücksichtigt wurde dabei aber, | |
| dass die Umschlagkapazität der Häfen beschränkt war. | |
| Die Transitstaaten – darunter Polen – sahen sich nicht in der Lage, das | |
| logistische Problem zu meistern, die Kapazitäten auszubauen oder auch | |
| andere EU-Länder in die neue Lieferkette aufzunehmen. Die Folge: ein | |
| starker Preisverfall bei Agrarprodukten in Polen und den anderen vier | |
| Nachbarstaaten der Ukraine. Eigentlich sollte das EU-Exportverbot am 15. | |
| September auslaufen, doch Polen kündigte bereits an: „Ohne uns.“ [4][Im | |
| Herbst sind Wahlen in Polen.] Auch das muss die PiS berücksichtigen. Denn | |
| in Polen werden die Wahlen auf dem Land gewonnen, nicht in den Städten. | |
| Daher der plötzlich so scharfe Ton der PiS-Politiker gegenüber der Ukraine. | |
| 2 Aug 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gabriele Lesser | |
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