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# taz.de -- Klinikkonzern gegen Gewerkschaftlerin: Gefeuert wegen 28 Minuten
> Helios hat eine Anästhesistin fristlos gekündigt, weil sie zu früh nach
> Hause gegangen sein soll. Der Marburger Bund vermutet einen anderen
> Grund.
Bild: Dringend gebraucht, bei Helios gefeuert: Klinikärzt:innen
Hamburg taz | Es sind an diesem Mittwochmittag viele Mitarbeiter*innen
aus verschiedenen Kliniken zum Arbeitsgericht Hamburg gekommen, um der
Ärztin Franziska Schlosser Rückhalt zu geben. Schlosser klagt gegen eine
Kündigung seitens der Helios Endo-Klinik. Im Prozess vertreten wird sie von
der Ärzt*innen-Gewerkschaft Marburger Bund, in der sie Mitglied ist.
Nach 23 Jahren, die Schlosser ohne einen einzigen Vorfall in der
Endo-Klinik Altona gearbeitet hat, erfuhr sie im Mai von ihrer Kündigung.
Helios begründet diese so: Nach einem Bereitschaftsdienst von 24 Stunden
soll die 54-Jährige 28 Minuten früher nach Hause gegangen sein. Dem
[1][Marburger Bund] dränge sich der Eindruck auf, dass Helios durch die
Kündigung Angst zu verbreiten und so das gewerkschaftliche Engagement der
Mitarbeitenden zu bremsen beabsichtigt.
Die Anästhesistin gehört bereits seit 2012 zu der Verhandlungskommission
des Marburger Bundes für den Tarifvertrag der Helios-Ärzt*innen. Auch sonst
sei sie bereit, Kolleg*innen bei Problemen zu helfen, wie sie sagt. 2021
gehörte sie zur Streikleitung bei einem Ärzt*innen-Warnstreik in Hamburg.
Ebenso im März 2023: Dabei hielt sie eine Rede anlässlich des Streiks vor
Tausenden Menschen, der NDR filmte sie für einen Beitrag. Einige Zeit
später, im Mai, erhielt sie dann die fristlose Kündigung von der
Endo-Klinik.
## Aus dem Operationssaal geholt
Der [2][Konzern Helios betreibt 87 Kliniken in Deutschland] und beschäftigt
rund 76.000 Mitarbeitende. Bereits 2019 war die Helios Mariahilf-Klinik
Hamburg in die Diskussion geraten, als mehrere Ärzt*innen in der
Geburtshilfe schlagartig kündigten und unzureichende Rahmenbedingungen
kritisierten (taz berichtete).
Schlosser war am 10. Mai gerade im OP tätig, als plötzlich eine Kollegin
kam, um sie abzulösen. Schlosser sollte nach vorn auf den Gang vor den OP
gehen. Dort wurde ihr ein Brief übergeben, in dem sie von dem
Geschäftsführer der Helios Endo-Klinik, Philip Wettengel, über den
[3][Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs] informiert worden sei. „Ich fühlte mich
richtig überrumpelt. Zumal ich an dem Tag dann mit dieser Nachricht im Kopf
ja trotzdem noch weiterarbeiten musste,“ berichtet die Anästhesistin.
Schlosser gibt sich überzeugt, dass es Helios nicht um die angeblichen 28
Minuten an sich gehe, sondern um einen persönlichen Angriff auf sie als
Person. „Weil ich laut bin und an Tarifverhandlungen teilnehme. Ich bin
wohl unbequem und soll entfernt werden“, sagt die Ärztin.
Nach dem Warnstreik 2021 habe Helios ihr ebenfalls Arbeitszeitbetrug
vorgeworfen. Damals habe sie aber lückenlos belegen können, dass der
Vorwurf unbegründet war. „Das wurde auf dem kurzen Dienstweg ohne Aufsehen
– aber auch ohne Entschuldigung – geklärt,“ sagt die 54-Jährige.
Die genauen Hintergründe spielen beim Aufeinandertreffen Schlossers und
ihres Arbeitgebers vor Gericht erst einmal keine Rolle. Bei der sogenannten
Güteverhandlung geht es darum, eine Einigung zwischen beiden Parteien zu
finden, bevor es zu einem langen Gerichtsprozess kommt.
Der Anwalt der Klinik beruft sich auf die 28 Minuten Arbeitszeitbetrug und
spricht von Vertrauensmissbrauch, da Schlosser die behauptete Tat auch in
einer Anhörung danach nicht zugegeben habe. Schlossers Kolleg*innen, die
mit im Saal sitzen, schütteln die Köpfe.
Katharina von der Heyde, Geschäftsführerin der Gewerkschaft Marburger Bund
und Prozessbevollmächtigte Schlossers, betont, dass es der betroffenen
Ärztin darum gehe, ihren Job zu behalten. Schlosser selbst sagt vor
Gericht: „Ich will die Wahrheit ans Licht bringen. Die Vorwürfe gegen mich
sind haltlos. Ich will weiterhin in der Endo-Klinik tätig sein.“
Pedram Emami, [4][Landesvorsitzender des Marburger Bunds], kritisiert:
„Egal wie der Fall ausgeht: Ich meine, es soll ein Exempel an Frau
Schlosser statuiert werden, damit intern die Mitarbeitenden wissen, was
passieren kann, wenn man sich für die Arbeitnehmerrechte engagiert.“
Schlosser habe keine Abmahnung erhalten, schon das sei wohl ein Punkt, an
dem die Kündigung scheitern könnte, sagt die Prozessbevollmächtigte von der
Heyde.
## Ärztin will Arbeitsplatz behalten
An diesem Mittwoch kommt es zwischen den beiden Parteien zu keiner
Einigung. Der Klinik-Konzern bietet Schlosser eine Abfindung an. Es ginge
der Ärztin aber nicht um das Geld, sondern um ihren Arbeitsplatz, sagt sie.
Der nächste Termin vor dem Arbeitsgericht soll nun im November stattfinden.
Die laufenden Tarifverhandlungen mit Helios hat der Marburger Bund
bundesweit vorerst unterbrochen. Emami zufolge, um weitere Mitglieder der
Verhandlungskommission zu schützen.
Der Helios-Konzern wollte sich auf Anfrage der taz nicht zu dem Fall
äußern, da es sich um ein laufendes Verfahren handele.
13 Jul 2023
## LINKS
[1] /Tarifverhandlungen-in-Kliniken/!5936688
[2] /Tarifstreit-im-oeffentlichen-Diskurs/!5923765
[3] /Kampf-gegen-Union-Busting-in-Bremen/!5885634
[4] https://www.marburger-bund.de/hamburg
## AUTOREN
Emily Kietsch
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