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# taz.de -- Machtmissbrauch an Universitäten: Vorwürfe gegen Dozenten
> An der Humboldt-Universität dürfen Student*innen nur noch in
> Begleitung in die Sprechstunde eines Dozenten. Grund ist der Vorwurf
> sexualisierter Gewalt.
Bild: Das Machtgefälle ist auch an Unis hoch – das begünstigt Machtmissbrau…
Berlin taz | Gegen einen Dozenten der Alten Geschichte an der
Humboldt-Universität in Berlin (HU) werden Vorwürfe sexualisierter Gewalt
erhoben. Im Raum steht auch, dass die Universität bereits seit 20 Jahren
von seinem mutmaßlich übergriffigen Verhalten gewusst und kaum reagiert
habe. Erst seit einigen Wochen steht auf der Webseite der Universität der
Hinweis, dass Studentinnen an seiner Sprechstunde „ausschließlich nach
Voranmeldung bei der stellvertretenden dezentralen Frauenbeauftragten der
Philosophischen Fakultät“ teilnehmen sollen.
Diese „6-Augen-Regel“ lege fest, dass weiblich gelesene Student*innen
nur noch in [1][Begleitung der Frauenbeauftragten] mit dem Dozenten
sprechen sollen, erklärt Maxi, die nur mit ihrem Vornamen in der
Öffentlichkeit auftreten will. Sie ist Studentin und Teil von „Keine Uni
für Täter“, ein Zusammenschluss von aktuellen und ehemaligen Student*innen,
die ähnliche Erfahrungen mit dem Dozenten gemacht haben. Die Uni begründet
die Regelung nicht. „Wir wissen aber, was der Grund ist“, sagt Maxi. Die
Vorwürfe gegen den Dozenten seien ziemlich lange schon ein „offenes
Geheimnis“.
Auf die Frage, was genau die Vorwürfe seien, antwortet Maxi zögerlich. Sie
selbst zählt nicht zu den Betroffenen. Sie habe Bedenken, genauere Aussagen
der Betroffenen, mit denen sie im Austausch ist, weiterzugeben. „Er weiß
dann, wer es ist“, meint sie. Es handle sich um „Berührungen
unterschiedlicher Art und Länge an verschiedenen Körperstellen“, sagt sie.
Die Zahl der Betroffenen befinde sich im zweistelligen Bereich. Da er viele
Grundlagenmodule unterrichte, sei es kaum möglich, „an ihm vorbeizukommen“.
In einer Stellungnahme des [2][Referent*innenrats (RefRat)] der HU
heißt es, dass es die ersten „kritischen Anmerkungen seitens der
Studierendenschaft“ bereits 1997 gab. 10 Jahre später sei der Dozent
unfreiwillig als Studiendekan zurückgetreten. Grund dafür soll eine
Abmahnung wegen sexueller Belästigung gewesen sein. Auf Twitter teilen
Menschen Berichte von Vorlesungen, in denen der Dozent sich sexistisch
verhalten habe. Teilweise liegen die Vorfälle schon Jahrzehnte zurück.
## Zu wenig Unterstützung
Strukturen zur Unterstützung von Student*innen, die an der Universität
sexualisierte Gewalt erleben, gebe es kaum, erklärt Benjamin Kley vom
RefRat. Außer der Frauenbeauftragten gebe es keine weiteren
Ansprechpersonen. In den bisherigen Gesprächen sei zu wenig passiert.
Deshalb habe der RefRat zwei Beratungsangebote eingerichtet. Zusätzlich
gebe es von der Fachschaft Geschichte ein Awareness Team. Kley fordert mehr
Strukturen von der Uni zur Unterstützung von Betroffenen. Außerdem fordert
der RefRat die Entlassung des Dozenten.
Die Fachschaft Geschichte äußert sich auf taz-Anfrage nicht zu den
aktuellen Vorkommnissen. Auch die Frauenbeauftragte sagt, dass sie sich
nicht äußern kann, da der Vorgang „personalrechtliche Relevanz“ habe. Die
Pressestelle der Universität sagt, dass die Universität Machtmissbrauch und
sexualisierte Gewalt verurteile.
Heike Pantelmann forscht an der Freien Universität (FU) zu sexualisierter
Gewalt an Universitäten. Auf die Frage, ob die „6-Augen Regel“ eine
ausreichende Maßnahme zum Schutz der Student*innen sei, antwortet sie:
„Auf keinen Fall. Das ist eine Notfallmaßnahme.“ Personen, die einmal
übergriffig waren, würden mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit wieder
übergriffig werden.
Die Vorkommnisse an der HU seien kein Einzelfall. [3][„Übergriffe gibt es
an allen Universitäten, überall“], so Pantelmann. Ein starkes Machtgefälle
würde Übergriffe begünstigen. Zudem gebe es ein gesellschaftlich
verbreitetes Bild, dass „intellektuelle Menschen“ nicht übergriffig würde…
„Das ist natürlich total falsch und gefährlich.“
Dass der Umgang mit sexualisierter Gewalt in den Bereich der
Frauenbeauftragten fällt, hält sie für falsch, [4][denn es sei in den
meisten Fällen ein Männerproblem.] Zur aktuellen Lehrtätigkeit sagt sie:
„Ich glaube, dass das ganz oft offene Geheimnisse sind.“ Die Aufarbeitung
des Falles sei daher enorm wichtig. „Es muss darüber gesprochen werden,
ganz viel. Denn im Moment ist es nicht mal sagbar.“
## Vorwürfe gegen weiteren Dozenten
An der HU gibt es derzeit gegen einen weiteren Dozenten im Fachbereich
Geschichte Vorwürfe sexualisierter Gewalt. Er soll im Global History Master
tätig gewesen sein, der von der FU und der HU zusammen angeboten wird. Eine
Mitarbeiterin des Friedrich-Meinecke-Instituts, das den Master
mitorganisiert, sagt: „Ich glaube, es gibt ein größeres, strukturelles
Problem an den Universitäten.“ Aus Angst vor Konsequenzen möchte sie anonym
bleiben. Die aktuellen Vorfälle seien lediglich einzelne Beispiele.
Aufmerksam wurde das Institut auf die Vorwürfe durch einen Bericht einer
Wissenschaftlerin über einen körperlichen, sexuellen Übergriff. Den Namen
des Täters hat sie nicht genannt, doch schnell kam eine Vermutung auf, denn
schon vorher seien Gerüchte und Geschichten zirkuliert, sagt die
Mitarbeiterin. Alle institutionellen Verbindungen zum mutmaßlichen Täter
seien nun vonseiten des Instituts gekappt.
„An Universitäten gibt es kein gutes, einheitliches System, mit solchen
Vorwürfen umzugehen. Es bleibt an Einzelpersonen hängen“, sagt die
Mitarbeiterin, das sei auch der Grund, warum mit den Vorwürfen von
sexualisierter Gewalt in diesem Fall so anders umgegangen werde als in dem
des Dozenten für Alte Geschichte.
26 Jul 2023
## LINKS
[1] https://www.geschichte.hu-berlin.de/de/bereiche-und-lehrstuehle/alte-geschi…
[2] https://www.refrat.de/
[3] /Uebergriffe-von-Professor-in-Erfurt/!5921746
[4] /Sexuelle-Belaestigung-im-Alltag/!5752598
## AUTOREN
Kajo Roscher
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