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# taz.de -- Chinas Außenminister verliert Amt: Qin Gangs großer Sprung ins Aus
> Chinas Außenminister Qin Gang, Vertrauter von Präsident Xi, ist aus
> seinem Amt entfernt worden. Er war seit Wochen nicht mehr öffentlich
> aufgetreten.
Bild: Nicht mehr Chinas Außenminister: Qin Gang
Peking taz | Einen Monat nach seinem [1][mysteriösen Verschwinden] klärt
sich das Schicksal von Chinas Außenminister Qin Gang zumindest ein bisschen
auf: Am Dienstag stimmte der Ständige Ausschuss des Volkskongresses dafür,
den 57-Jährigen von seinem Amt zu entfernen. Ihm folgt sein Vorgänger Wang
Yi.
Es ist der wohl größte politische Skandal innerhalb von Chinas
Parteiapparat seit Jahren. Dabei ist nach wie vor unklar, warum Qin konkret
geschasst wurde. Auch wenn die Kommunistische Partei vielleicht bald eine
offizielle Erklärung nachreichen sollte, wird angesichts ihrer dystopischen
Intransparenz die Weltöffentlichkeit wohl nie erfahren, was sich genau
hinter den Kulissen zugetragen hat.
Ein Blick zurück: Der in der nördlichen Provinz Hebei geborene Qin Gang
galt als regelrechter Shootingstar innerhalb der Kommunistischen Partei.
Seine berufliche Karriere verbrachte er fast durchgängig im
Außenministerium.
Dort fiel er den Pekinger Korrespondenten spätestens in den frühen zehner
Jahren in seiner Rolle als Sprecher auf: Bei den täglichen
Pressekonferenzen des Ministeriums erarbeitete sich Qin mit seinen
konfrontativen und nationalistischen Art einen berüchtigten Ruf als
chinesischer „Wolfskrieger“.
## Der „Wolfskrieger“ beeindruckte in den USA mit Basketball
Doch der Diplomat konnte anders, wenn er denn wollte. In seiner Rolle als
Botschafter in Washington, wohin er 2021 versetzt wurde, konnte er durchaus
charmant und weltgewandt sein. Unvergessen bleibt sein Besuch beim
NBA-Spiel der Washington Wizzards, als er in der Pause locker ein paar
Körbe auf dem Platz warf. Selten hat man einen Botschafter Pekings derart
human wahrgenommen.
Als Qin Gang [2][Anfang des Jahres schließlich Chinas neuer Außenminister
wurde], war dies der letzte Beweis, dass der Spitzendiplomat einen
exzellenten Draht zu Staatschef Xi Jinping unterhielt. Die meisten
Beobachter hätten damals darauf gewettet, dass Qin die Spitze seiner
Karriere noch längst nicht erreicht hat.
Nun ist es jedoch definitiv anders gekommen. Seine Causa mag möglicherweise
darauf hindeuten, dass es innerhalb der Führung um Xi internen Streit gibt.
Doch letztlich war die Art, wie man den Fall handhabte, eine nonchalante
Machtdemonstration des Staatschefs: Scheinbar unbeeindruckt von der
Weltöffentlichkeit, die Chinas autoritären Sicherheitsapparat offen vor
Augen geführt bekam, kümmerte man sich nicht um gesichtswahrende
Erklärungen – sondern ließ Qin einfach spurlos verschwinden.
Für [3][Chinas Außenpolitik] wurde seine Abwesenheit in den letzten Wochen
zunehmend zu einem Problem, das über das reine Image des Landes hinausging.
Viele Regierungen zeigten sich hinter vorgehaltener Hand irritiert, mit was
für einen Staat sie es zu tun haben.
## Qins Fall zeigt, dass China kein normaler Staat ist
Dabei ist bislang in der medialen Öffentlichkeit untergegangen, dass Qins
Reisen und offiziellen Termine bereits seit Wochen von Wang Yi übernommen
wurden. Der bekleidet zwar einen hochrangigen Parteiposten, hatte aber
eigentlich keinerlei Regierungsfunktion mehr inne.
Mehr als deutlicher kann man nicht demonstrieren, dass China eben nicht wie
ein „normaler“ Staat funktioniert, sondern dort einzig die Kommunistische
Partei das Sagen hat.
Das faszinierende an der Causa war, dass in Chinas hochzensiertem Internet
nach wie vor einige Gerüchte über Qins Verbleiben in den sozialen Medien zu
lesen waren. Die prominenteste Theorie lautete, dass Qin Gang eine Affäre
mit einer Hongkonger Fernsehjournalistin gehabt und möglicherweise sogar
ein uneheliches Kind gezeugt habe. Auch von dekadenten Geschenken an die
junge Frau war die Rede. Bestätigt ist bislang nichts davon.
Auch in der Bevölkerung stieß die Geheimniskrämerei auf wachsende Kritik.
„Jeder ist über etwas besorgt, kann es aber nicht öffentlich sagen“,
schrieb der parteitreue Kommentator Hu Xijin auf der Onlineplattform Weibo.
## Die wahren Entlassungsgründe werden wohl nie bekannt
Bis Redaktionsschluss war nicht bekannt, was tatsächlich zu Qin Gangs
Amtsenthebung geführt hat. Doch welche offizielle Erklärung auch
nachgereicht wird: Es scheint fraglich, dass die Öffentlichkeit jemals mit
Sicherheit sagen kann, was genau sich hinter den Kulissen zugetragen hat.
Ähnlich war es schon beim Verschwinden anderer Prominenter – vom
Unternehmer Jack Ma bis hin zur Tennisspielerin Peng Shuai.
Dass sich mit dem neuen und alten Außenminister Wang Yi Chinas
diplomatische Linie ändert, gilt als unwahrscheinlich. Wenn überhaupt,
dürfte Chinas vor Selbstbewusstsein berstende Nationalismus nur noch weiter
zunehmen. Wang gilt als noch lauterer Polterer als Qin.
25 Jul 2023
## LINKS
[1] /Chinas-repressives-System-gegen-Promis/!5948420
[2] /Chinas-neue-Aussenpolitik/!5920759
[3] /Treffen-von-Baerbock-und-Qin-Gang/!5930369
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
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