Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verfrühter Sommerurlaub: An berufstätige Eltern denkt niemand
> Jetzt gehen wieder die Debatten um die Fehlzeiten kurz vor Ferienbeginn
> los. Die wahren Schulverweigerer sind jedoch die Schulen.
Bild: Billiger, wenn man ihn schon kurz vor Ferienbeginn startet: Familienurlaub
Seit zirka zwei Wochen, da begannen die Sommerferien in NRW, werde ich mit
Artikeln belästigt, die mir erklären, warum man seine Kinder nicht früher
aus der Schule nehmen darf, um [1][billiger in der Urlaub zu fliegen.]
Wenn man genauer hinschaut, fällt schnell auf: Wie groß das Problem
tatsächlich ist, weiß keiner. Es gibt keine Statistik, die Fehlzeiten vor
den Ferien oder eventuelle Bußgeldverfahren wegen eines Verstoßes gegen die
Schulpflicht erfasst – nur sporadische Anekdoten von jemanden, der jemanden
kennt, der mit einem Schuldirektor verwandt ist oder [2][Bundespolizisten,
der schon einmal ein Schulkind am Flughafen gesehen haben will.] Die
Artikel sollen ganz offensichtlich dazu dienen, Eltern zu ermahnen und zu
erziehen. Das ist aber nur einer der Gründe, warum sie mir auf die Nerven
gehen.
Der zweite und viel gewichtigere ist, dass die Gegenperspektive vollständig
fehlt. Es gibt nämlich ein Phänomen, ich nenne es mal „Vorferien“, das
berufstätigen Eltern das Leben schwer macht. Es ist ja nicht nur so, dass
ich nicht billig in den Urlaub fliegen darf. Oder mir ein Bein ausreißen
muss, bei dem Versuch, mit 32 Urlaubstagen 63 Ferientage betreuungsmäßig
abzudecken. So richtig arbeiten soll ich halt lieber auch nicht.
Zuverlässig werden in den letzten zwei, drei Wochen vor den Ferien alle
Tagesroutinen außer Kraft gesetzt.
Eine kleine persönliche Auswahl der vergangenen zwei Wochen: Mittwoch bis
Donnerstag, Projekttage, „der Unterricht endet am Mittwoch und Donnerstag
um 12.30 Uhr, am Freitag um 11.25 Uhr, einzelne Projekte können von diesen
Zeiten abweichen“. Montag, „Mobilitätstag“ (früher hieß das Schulausfl…
ein Kind muss um 8 Uhr da sein, das andere um 10.30 Uhr, dafür muss die
Rückfahrt von verschiedenen außerschulischen Lernorten geklärt werden.
Dienstag, Sportfest, endet um 13 Uhr. Mittwoch, letzter Schultag, endet um
11.25 Uhr.
## Projekttage und Abschiedsfrühstücke
Dazu sind natürlich diverse Dinge zu organisieren: Fahrkarten, Materialien
für die Projekttage, Kuchen fürs Picknick, Zeug fürs Abschiedsfrühstück.
Ein halbes Dutzend Einverständniserklärungen (die erst im Schulranzen
gesucht, unterschrieben und dann hinterhergetragen werden müssen, weil
meine Kinder sie grundsätzlich vergessen).
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich finde soziales Lernen wichtig
und gut. Ich glaube sogar, dass es die wichtigsten Lektionen der gesamten
Schulzeit enthält – der Schulstoff wird ja eh vergessen oder ist bald
überholt. Aber spricht irgendetwas dagegen, es zwischen 8 und 13 Uhr
stattfinden zu lassen? Sind mickrige fünf Stunden ungestörter Arbeitszeit
am Tag wirklich so viel verlangt?
Aber natürlich beschränkt sich das auch gar nicht auf die Vorferien. Hier
erscheint es nur besonders willkürlich, weil es ja organisatorisch leicht
vermeidbar wäre. Anders als die Unterrichtsausfälle im gesamten Rest des
Jahres, an die wir uns schon gewöhnt haben. In diesem Jahr wurden meine
Kinder sogar nach Hause geschickt, damit in der Schule in Ruhe die
Abiprüfungen abgenommen werden können.
Natürlich sind die als Schüler einer weiterführenden Schule auch alt genug,
um mal ein paar Stunden allein zu bleiben. Nur verbringen sie sie halt
vorzugsweise damit, all die Medieninhalte zu konsumieren, die ich ihnen
sonst verbiete. Was Lehrer meiner Erfahrung nach auch nicht richtig finden.
Wie man es auch dreht und wendet: Berufstätige Eltern sind in diesem System
einfach nicht vorgesehen.
Wem darf ich denn eigentlich einen Bußgeldbescheid zustellen für die
unzureichende Beschulung meiner Kinder? Gilt diese Schulpflicht immer nur
auf der einen Seite? Gut, dass jetzt Ferien sind. Dann muss ich mich nicht
weiter aufregen. Und die Kinder müssen nicht so früh aufstehen, bevor sie
eh wieder nichts lernen.
5 Jul 2023
## LINKS
[1] /Niedersachsens-Verkehrsminister-hat-Idee/!5859740
[2] /Klimaschutz-als-Privileg/!5897266
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Schulferien
Niedersachsen
Schule
Ferien
Schule
Flugscham
Reiseland Spanien
Flughafen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Lehrermangel: Die Schulabbrecher
Zu viel Druck im Referendariat, starre Hierarchien, Kampf mit der
Bürokratie. Warum jedes Jahr Hunderte angehende Lehrer ihre Ausbildung
aufgeben.
Klimaschutz als Privileg: Lieber Schamflüge und Extra-Scheine
Züge sind teurer als Billigflieger und brauchen länger. Deshalb können sich
nicht alle Menschen leisten, klimafreundlich zu reisen.
Tourismus in Barcelona: Weniger Kreuzfahrten und Billigflieger
Barcelonas Stadtverwaltung und die Tourismusbranche möchten weg vom
„Overtourism“. Die Zwangspause durch die Pandemie scheint dabei zu helfen.
Niedersachsens Verkehrsminister hat Idee: Bundespolizei gegen das Kofferchaos
Althusmann fordert vom Bundesinnenminsterium, mehr Polizei am Flughafen
einzusetzen. Kurzfristig, gegen ein Urlaubschaos. Das ist nicht schlüssig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.