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# taz.de -- Frauenfußball in Australien: Matildas im Land der harten Männer
> Australiens Sportkultur ist von Rugby und Cricket geprägt. Fußball hat es
> schwer, doch gerade der Frauenfußball hat viel geschafft.
Bild: Ausnahmezustand: Melbourne vor einem Spiel des australischen Frauenteams
In Auckland spielen am heutigen Donnerstagabend die „New Zealand Ferns“
gegen Norwegen. Im mit 80.000 Tickets ausverkauften Stadium Australia in
Sydney werden derweil die „Matildas“ auf Irland treffen.
Die Eröffnungsspiele, ja die gesamte [1][Frauenfußball-Weltmeisterschaft,]
die mit bislang 1,2 Millionen verkaufter Tickets eines der größten
Frauenturniere in der Sportgeschichte wird, sind etwas großes, ein
Meilenstein für den Frauenfußball in Down Under.
Ein hart erkämpfter Meilenstein, schreibt die australische
Sporthistorikerin Marion Stell. Die Wissenschaftlerin hat mithilfe
vergilbter Zeitungsberichte die Genesis eines Sportes analysiert, der in
Australien noch bis vor wenigen Jahren im besten Fall als Randerscheinung
galt, im schlechtesten als Objekt für Spanner.
Stell analysierte Hunderte von Zeitungsausschnitten zum Frauenfußball. „Als
ich genauer hinsah, fand ich sie konfrontierend und beunruhigend. Diese
Alben enthielten Texte, die diese Frauen und den Sport herabsetzten,
trivialisierten und sexualisierten“, sagt die Historikerin.
## Sexismus in Reinform
Zwar spielten in Australien Frauen schon während des Ersten Weltkriegs
Fußball, und der erste einheimische Frauenfußballclub war kurz später,
1921, gegründet worden. Aber das erste offizielle Länderspiel zwischen den
Frauenauswahlen Australiens und Neuseelands fand erst 1979 statt. „Es war
ein Samstagnachmittag, es gab einen kleinen Bericht auf Seite 68 der
Lokalzeitung – über den männlichen Schiedsrichter –, und etwa 200 Menschen
waren anwesend“, berichtet Stell.
Was Journalisten in den 1970er Jahren über die Spielerinnen schrieben, fand
sie schockierend, aber letztlich doch nicht überraschend. In der
Presseberichterstattung sei es immer wieder um Themen wie Aussehen, Mode,
Körperteile, sexuelle Attraktivität, angedeutete Sexualität und andere
Anzüglichkeiten gegangen. Selbst ein überwiegend neutraler Spielbericht sei
mit Schlagzeilen wie „Wunderschöne Torjägerinnen“ oder „Mode bei
australischen Meisterschaften“ aufgepeppt worden. Ein Kommentator schrieb
sogar, er wolle „nach jedem Tor mit diesen hübschen kleinen Fußballerinnen
schmusen. Ich wäre durchaus bereit, ganz offiziell als Trainer und Masseur
zu fungieren“. Selbst Schülerinnen wurden nicht verschont. Jamie Rosman,
die erst 15 Jahre alt war, als sie erstmals für Australiens Nationalteam
spielte, wurde als „attraktiv“, „langbeinig“ und „dunkeläugig“, als
„Gazelle“ und „Model“ beschrieben, die sich allerdings für ein „unfe…
Spiel“ entschieden habe.
Solche Zuschreibungen sind heute auch in der ansonsten oftmals sehr groben
australischen Sportberichterstattung kaum noch verbreitet. Auch wenn es in
gewissen Medien immer mal wieder verbale Ausrutscher gibt – die Einstellung
der australischen Gesellschaft gegenüber dem Frauenfußball hat sich in den
vergangenen Jahren verändert.
Der Wert und die Qualität von Fußball allgemein werden stärker anerkannt,
in einem Land, in dem traditionell [2][Rugby und Cricket] die Massen
begeistern. Früher war Soccer, wie Fußball auch genannt wird, die Domäne
von männlichen Einwanderern aus Südeuropa und Südamerika. Wenn die sich im
Rugby oder Cricket engagieren wollten, schlug ihnen nicht selten Rassismus
entgegen, weshalb sie sich eher für den Fußball entschieden.
## Unterstützung von Oben
Das Interesse an Frauenfußball hat zuletzt besonders an der Basis stark
zugenommen. Immer mehr Mädchen und Frauen beginnen schon in jungen Jahren
mit dem Sport, und die Zahl der Spielerinnen, Trainerinnen und
Betreuerinnen ist erheblich gestiegen, parallel zu den Investitionen in den
Frauenfußball.
Der Australische Fußballverband (FFA) hat sich der Entwicklung und
Förderung des Frauenfußballs verschrieben und finanzielle Unterstützung,
Infrastruktur und Ressourcen bereitgestellt, um das Wachstum zu fördern.
Durch diese Investitionen konnten Trainingszentren eröffnet, Trainer
bezahlt und Entwicklungsprogramme für die Spielerinnen aufgesetzt werden.
Dies hat einen größeren Talentepool und ein wettbewerbsfähigeres Umfeld für
den Frauenfußball im Land geschaffen und damit auch das Interesse von
Sponsoren gestärkt.
Und nun die WM. Für Australien ist diese Fifa-Frauen-WM 2023, die mit den
oben genannten beiden Spielen eröffnet wird, das größte Sportevent seit den
Olympischen Spielen in Sydney im Jahr 2000. Für australische und
neuseeländische Fußballerinnen ist es noch mehr.
Denn die sind wohl der wichtigste Faktor, der zum Erfolg beitragen kann.
Der Erfolg der Matildas in den Stadien der Welt hat entscheidend dafür
gesorgt, den Frauenfußball im Land bekannter und attraktiver zu machen. Die
Matildas haben [3][bei großen Turnieren gute Leistungen] gezeigt und unter
anderem das Viertelfinale der Olympischen Sommerspiele 2021 in Tokio
erreicht, wo sie gegen die Britinnen erst nach Verlängerung ausschieden.
Damit habe sich das Selbstbewusstsein der Spielerinnen gestärkt, sagen
Beobachterinnen.
Stars wie die Stürmerin Sam Kerr würden es wohl kaum tolerieren, wenn
Journalistinnen und Journalisten schreiben, sie und ihre Teamkolleginnen
seien „hübscher anzusehen als ihre männlichen Fußballkollegen“.
20 Jul 2023
## LINKS
[1] /Fussball-WM-der-Frauen-2023-in-der-taz/!vn5944606
[2] /Fussball-auf-Australisch/!827170/
[3] /Australien-schafft-es-ins-Viertelfinale/!5116943
## AUTOREN
Urs Wälterlin
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