Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rammstein-Konzerte in Berlin: „Manche führen, manche folgen“
> Die umstrittene Band Rammstein spielte zum zweiten Mal in Berlin. Fans
> kamen zuhauf, manche machten sich Gedanken. Inzwischen wurden weitere
> Vorwürfe laut.
Bild: Manche glauben, manche zweifeln: zwei Rammstein-Fans vor dem Konzert am S…
Das italienische Paar ist aus Österreich angereist, wo die beiden leben.
Sie haben Tickets für das zweite Berliner Konzert von Rammsteins Europe
Stadium Tour am Sonntag. Er trägt ein weißes T-Shirt, auf dem die Band im
Stil der Animationsserie The Simpsons gezeichnet ist. Das sieht niedlich
aus.
Haben die italienischen Medien über die Vorwürfe gegen Till Lindemann
berichtet? „Ja“, sagt er. Haben die beiden darüber nachgedacht, deswegen
nicht zu kommen? „Nein. Wir sind wegen der Musik hier. Solange nichts
bewiesen ist…“, sagt er. Seine Partnerin ergänzt: „Aber wenn es stimmen
würde, dann wäre das schrecklich.“ Wenn es stimmte, würden sie auf ein
Rammstein-Konzert gehen? „Nein“, sagt sie, „das würde ich nicht.“
## Lieder von Gewalt und Missbrauch
Tags zuvor haben einige hundert Menschen vor dem ersten Konzert im
Olympiastadion demonstriert. „Gegen Machtmissbrauch. Vor Gericht statt auf
die Bühne. Keine Show für Täter“, war zu lesen. Am Sonntag gibt es keine
Demo. Einige Fans tragen schwarze Rammstein-T-Shirts, auf denen vorn in
weißer Schrift zu lesen ist: „Manche führen.“ Auf der Rückseite steht:
„Manche folgen.“
Die Ästhetik von Rammstein, ihr Auftreten, ihre Slogans und Lyrics, stehen
in der Tradition emanzipatorischer Popkultur. Rammstein wollen satirisch
gelesen werden. Manche Texte Lindemanns lehnen sich an den Stil Grimm'scher
Märchen an und handeln von Gewalt und Missbrauch. [1][Lindemann spielt
darin den gewalttätigen Mann] und Täter. Nun aber stehen Rammstein-Fans vor
der Frage, ob ihre Helden möglicherweise ein Verhalten an den Tag legen,
das sie in ihren Texten beschreiben.
Wer den Clip von Kayla Shyx gesehen hat, in dem die YouTuberin ein System
zur Rekrutierung junger Frauen für After-Show-Partys und Sex beschreibt,
mag zum Schluss kommen, dass bei dieser Art von „Casting“ – jenseits von
Fragen von strafrechtlicher Relevanz – [2][ethische Grenzen überschritten
wurden].
## „Wir haben Angst und sind allein“
Unten im Olympiastadion haben sich zu zehntausenden die Hardcore-Fans
versammelt und feiern die Band, auf der Haupttribüne sitzt und steht ein
Publikum, das man so auch in der U-Bahn antreffen könnte. Zwar sind die
meisten zwischen vierzig und fünfzig und es gibt einen leichten
Männerüberhang, um mich herum finden sich aber viele Paare, darunter eine
afrodeutsche Frau mit ihrem Freund, Frauen in Sommerkleidern, und eine
vierköpfige Familie. Die jüngste, ein blondes Mädchen mit Gehörschutz,
scheint der größte Fan in der Familie zu sein, sie singt manche Lieder mit.
Wer sie hört, hat heute aber vielleicht andere Assoziationen als früher:
„Wir haben Angst und sind allein“, singt Lindemann in „Engel“. Das Bild,
das mir dazu in den Sinn kommt, sind Kayla Shyx und ihre Freundin, auf
einer Ledercouch sitzend. Als „Ich will“ an der Reihe ist, singt Lindemann:
„Ich will, dass ihr mir vertraut. Ich will, dass ihr mir glaubt.“ Die
Hardcorefans unten jubeln, sie glauben gern.
Andere Fans geben in den sozialen Medien zu Protokoll, dass sie
Rammstein-Songs in ihrer Playlist inzwischen überspringen. Nach dem Konzert
unterhält sich ein Vater im Band-Shirt mit seiner erwachsenen Tochter. Er
sinniert über den narzisstischen Charakter von Popstars und ist sich
sicher, dass großer Erfolg die Persönlichkeit verändert.
## Neue Vorwürfe, nun gegen Flake
Am Montagmorgen sehen sich Rammstein-Fans mit einer [3][Recherche von NDR
und Süddeutscher Zeitung] konfrontiert. Darin wird beschrieben, dass das
„Casting“-System größere Ausmaße hatte als bisher angenommen. Zitiert wi…
außerdem eine Frau, die schwere Vorwürfe gegen Rammstein-Keyboarder
Christian „Flake“ Lorenz erhebt.
Außerdem wurde am Montag bekannt, dass während des Konzerts am Sonntag zwei
Personen von der Polizei abgeführt wurden. Eine dritte Frau habe sich
unerkannt entfernen können, wie die Nachrichtenagentur dpa meldete. Laut
Angaben einer Polizeisprecherin hatte Sicherheitspersonal beobachtet, wie
sie sich während des Konzerts an Kabelschächten zu schaffen machten, die zu
Lautsprecherboxen führten. Die Motive seien noch unklar. Die Polizei
leitete Ermittlungen wegen versuchter Sachbeschädigung ein.
17 Jul 2023
## LINKS
[1] /Sexualwissenschaftler-ueber-Till-Lindemann/!5939896
[2] /Der-Fall-Till-Lindemann/!5938658
[3] https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/investigativ-rammstein-till-lind…
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
## TAGS
Schwerpunkt #metoo
IG
Rammstein
Pop
GNS
Gewalt gegen Frauen
Rammstein
Zukunftsvision
IG
Rammstein
Sexuelle Übergriffe
Schwerpunkt #metoo
## ARTIKEL ZUM THEMA
Berichterstattung über Till Lindemann: Wehret der Einschüchterung!
Erstmals hat ein Gericht die Berichterstattung über die Vorwürfe gegen
Rammstein-Sänger Till Lindemann beanstandet. Der Beschluss ist alarmierend.
Rammstein-Fans im Zeitgeist: Die Verwahrlosten
Mit ihrer emotionalen Verwahrlosung stehen Rammstein-Fans keineswegs
allein. Sie repräsentieren eine Minderheit, die immer weitermarschieren
will.
Lindemann im KitKat: Kein Safe Space für Till
Der Rammsteinsänger steht beim Besuch im KitKat vor offenen Türen. Der
sex-positive Club hat sich damit zum Non-Safe-Space gemacht.
Fans beim Rammstein-Konzert in Madrid: In einem anderen Jahrhundert
Rammstein gab in Madrid das einzige Spanien-Konzert seiner Stadiontour
2023. Trotz Vorwürfen gegen Till Lindemann bleiben Fans unerschütterlich.
Sexualwissenschaftler über Till Lindemann: „Er hat etwas Gepanzertes“
Im Pornovideo von Rammstein-Sänger Till Lindemann werden Frauen
entsubjektiviert. Sebastian Schädler spricht über den fehlenden Spaß am
Begehren.
Vorwürfe gegen Rammstein: Mal hü, mal hott
Die Gruppe Rammstein veranstaltet nach Vorwürfen junger Frauen juristischen
Firlefanz. Eine Rekonstruktion durch den Anwalt der taz.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.