Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Vorwürfe gegen Rammstein: Mal hü, mal hott
> Die Gruppe Rammstein veranstaltet nach Vorwürfen junger Frauen
> juristischen Firlefanz. Eine Rekonstruktion durch den Anwalt der taz.
Bild: Mal Recht auf ihre Sicht der Dinge, mal Abmahnung: die Band Rammstein
Die taz hat am 11.6.2023 eine „presserechtliche Abmahnung“ von Hamburger
Anwälten erhalten. Sie wollen im Namen der Band Rammstein der taz gewisse
Aussagen verbieten. Bei den Anwälten handelt es sich jedoch um andere als
die medial präsenten juristischen Vertreter des Sängers Till Lindemann, die
rechtliche Schritte angekündigt haben. Die unterschiedlichen Abmahnungen,
die bisher vorliegen, widersprechen sich teilweise. Wir versuchen zu
rekonstruieren.
Die Hamburger Anwälte wollen folgende Behauptungen untersagen, die
[1][erstmals in einem Text am 9.6. auf taz Online publiziert wurden:]
„Seitdem gehen immer mehr Frauen an die Öffentlichkeit, teilen ihre
Erfahrungen, deutsche Medien veröffentlichen quasi täglich neue Recherchen.
Die Vorwürfe unterscheiden sich, summieren sich aber zum Bild eines
missbräuchlichen Systems: Frauen sollen aus der ‚Row Zero‘, einem
privilegierten Bereich vor der Bühne, ausgesucht, in einen Backstagebereich
gebracht und dort einige von ihnen unter Drogen gesetzt worden sein. In
einer schwarz gehaltenen Kammer unter der Bühne sollen sie zu sexuellen
Handlungen gedrängt worden sein.“
Die zweite beanstandete Stelle lautet: „Durch Anwälte ließ Rammstein nun
die Vorwürfe zurückweisen und kündigte rechtliche Schritte gegen die Frauen
und Medien an.“ Man soll also nicht mehr sagen dürfen, dass Rammstein
juristisch gegen Veröffentlichungen von Vorwürfen gegen sie vorgeht.
Dabei ist evident, dass sie genau das tun: Am 28.5.2023 haben dieselben
Anwälte im Namen der Band und von deren Mitgliedern die Irin Shelby Lynn
abgemahnt, mit den Worten „as you know, we represent the legal interests of
Rammstein GbR and the individual members“. Die Hamburger verlangten in der
Abmahnung, deren Text der taz in Gänze vorliegt, dass Lynn öffentlich die
von ihr erhobenen Vorwürfe nicht weiter verbreitet und eine strafbewehrte
Unterlassungserklärung abgibt. Wörtlich heißt es: „with the above-mentioned
dissemination of untrue facts, you are violating our client’s general right
of personality“. Dazu kündigen sie weitere Schadensersatzforderungen an.
Am 3.6. verbreitet die Band über soziale Medien die Aufforderung:
„beteiligt euch nicht an öffentlichen Vorverurteilungen jeglicher Art denen
gegenüber, die Anschuldigungen erhoben haben. Sie haben ein Recht auf ihre
Sicht der Dinge.“ Am 6.6. verbreitet die FAZ, dass „nach dpa-Informationen
… die Band auch eine Anwaltskanzlei eingeschaltet (hat), die die Vorwürfe
prüfen soll“. Es gibt also Vorwürfe, die die Band interessieren.
Am 8.6. erklärt eine andere Anwaltskanzlei, diesmal aus Berlin, den Sänger
Till Lindemann zu vertreten, nicht jedoch die ganze Band. Öffentlich auf
einem eigens dafür genutzten Medienportal schreibt sie: „So wurde
wiederholt behauptet, Frauen seien bei Konzerten von ‚Rammstein‘ mithilfe
von K.O.-Tropfen bzw. Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu
ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können. Diese
Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr.“ Zu den weiteren Vorwürfen erklärt sich
die Kanzlei nicht.
Am 10.6. dann kritisiert der Deutsche Journalisten-Verband das Vorgehen der
Berliner Anwälte als Einschüchterungsversuch.
Der Bundeskanzler lässt am selben Tag mitteilen, dass er sich für die
Recherchen rund um Vorwürfe gegen die Band Rammstein interessiert. Sein
Regierungssprecher fordert „Aufklärung“. Offenbar besteht so großes
öffentliches Interesse, dass sich die höchsten Stellen des Staates
einschalten.
Auch deswegen sieht die taz keine Veranlassung, die begehrte
Unterlassungserklärung abzugeben oder den Artikel zu sperren. Dass die
Rammsteins und ihr Sänger mal hü, mal hott schreien, spricht nicht für eine
schlüssige Verteidigungsstrategie. Mal sagen sie, alle hätten ein Recht auf
ihre Meinung – gehen dann aber doch gegen unliebsame Äußerungen juristisch
vor.
Erfreulicherweise bestimmen diese Leute nicht, was auf der Bühne des
öffentlichen Interesses über sie gespielt wird.
Transparenzhinweis: In einer früheren Version hat unser Autor geschrieben,
es habe in der Abmahnung geheißen: „with the above-mentioned desimination
of untrue facts, you are violating our client´s general right of
personality …“. Das ist falsch. In der Abmahnung steht: „with the
above-mentioned dissemination of untrue facts, you are violating our
client´s general right of personality …“. Wir haben den Fehler korrigiert.
A.d.R.
13 Jun 2023
## LINKS
[1] /Vorwuerfe-gegen-Rammstein-Saenger/!5937200
## AUTOREN
Johannes Eisenberg
## TAGS
Schwerpunkt #metoo
Rammstein
Anwalt
IG
Schwerpunkt #metoo
Kolumne Änder Studies
Unschuldsvermutung
Rammstein
Schwerpunkt #metoo
Schwerpunkt #metoo
Schwerpunkt #metoo
Julian Reichelt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Rammstein-Konzerte in Berlin: „Manche führen, manche folgen“
Die umstrittene Band Rammstein spielte zum zweiten Mal in Berlin. Fans
kamen zuhauf, manche machten sich Gedanken. Inzwischen wurden weitere
Vorwürfe laut.
Vorwürfe gegen Rammstein: Das Patriarchat hat Angst vor Gen Z
Die Metal-Szene schweigt zum #MeToo-Skandal um Rammstein-Sänger Till
Lindemann. Dabei braucht es keine juristisch geprüften Straftatbestände, um
Kritik zu üben.
Der Fall Till Lindemann: Jenseits des Juristischen
Ob die Ermittlungen gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann zu einer
Verurteilung führen oder nicht: Gesellschaftlich muss es Konsequenzen
geben.
Plattenfirma auf Distanz zu Rammstein: Keine Werbung mehr für die Cashcow
Nun kündigt auch Musikkonzern Universal Konsequenzen aus den Vorwürfen
gegen die bei ihm unter Vertrag stehende Band Rammstein an – und zeigt sich
"schockiert".
#MeToo bei der Polizei: Macht missbraucht
In Baden-Württemberg ist der oberste Polizeibeamte in einem #MeToo-Fall
angeklagt. Es ist durchaus möglich, dass der Polizist freigesprochen wird.
Sexualisierte Gewalt in Kulturbranche: Der größte #MeToo-Fall Deutschlands
Berichte über einen mutmaßlichen MeToo-Fall in der Musikwelt häufen sich.
Auch unsere Kolumnistin greift das Thema nochmals auf - aus guten Gründen.
Rammstein, Punk und Männlichkeitswahn: Nie wieder 1984
Rammstein scheint gedanklich seit 40 Jahren festzustecken. Die Schlagzeilen
um Till Lindemann sollten niemanden überraschen. Am wenigsten ihn selbst.
Reichelt gegen Reschke: Kampf der Framings
Julian Reichelt ist juristisch gegen „Reschke-Fernsehen“ vorgegangen. Doch
damit hat der Wettstreit um Deutungshoheit erst begonnen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.