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# taz.de -- Ausnahmefahrer der Tour de France: Wettstreit zweier Überflieger
> Warum sind Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar so unerreichbar gut? Die
> Genetik spielt gewiss eine Rolle, aber es gibt auch andere Gründe.
Bild: Pogacar und Vingegaard haben die Konkurrenten mal wieder abgehängt
Jonas Vingegaard [1][und Tadej Pogacar] dominieren diese Tour de France.
Sie waren schon bei der letzten Tour ihren Konkurrenten weit mehr als eine
Radlänge voraus. Das führt dieser Tage die Analysten immer wieder zu
demselben Satz: „Die beiden fahren in einer anderen Liga.“ Dieser Befund
ist ebenfalls von sportlichen Leitern, Rennstallchefs und den Fahrern
selbst zu hören. Und es gibt wohl kaum eine Übertragung einer Bergetappe
der Tour, während der die TV-Kommentatoren diesen Satz nicht fallen lassen.
Was genau hebt die beiden so von den anderen ab? Man kann es vielleicht auf
drei Punkte reduzieren: Sie sind genetisch bevorteilt, im Training höchst
diszipliniert und ihre individuellen Voraussetzungen werden in einem
wissenschaftlich arbeitenden Umfeld noch ganz besonders gefördert.
Vom Talent des Tadej Pogacar schwärmten die Experten schon, als er noch ein
Teenager war. „Ich kenne die Leistungsdaten von Pogacar, seit er 14 ist.
Sie waren schon damals phänomenal, und sie stiegen Saison für Saison stetig
an“, erzählte Radoje Milic, Trainingswissenschaftler am
leistungsdiagnostischen Zentrum der Universität Ljubljana, bereits vor
einigen Jahren gegenüber der taz.
Der junge Pogacar machte in seiner Jugend allerdings auch kaum mehr, als
Rad zu fahren und zur Schule gehen. Er bewältigte die Umfänge, die ihm die
Trainer aufgaben. Er hatte, wie er selbst gern betont, viel Spaß dabei,
weil er eben merkte, dass er immer besser wurde. Die regelmäßigen Tests in
Ljubljana bestätigten die eigenen Beobachtungen schwarz auf weiß.
## Ungewöhnliche Widerstandskraft
Vingegaard wurde im frühen Alter nicht so viel Bewunderung
entgegengebracht. Der Kreis beschränkte sich vornehmlich auf die
Mitarbeiter des Rennstalls Coloquick. „Wir waren erstaunt, wie gut er
regeneriert, wie viel Widerstandskraft er noch in der dritten Woche hat“,
erzählte Christian Moberg Jorgensen, dänischer Ex-Radprofi, erst
Teamkollege des jungen Vingegaard bei dem kleinen dänischen Rennstall, dann
auch dort sportlicher Leiter.
Vingegaard war aber bei weitem nicht so explosiv wie Pogacar, gewann
deshalb auch nicht all zu viele Rennen in der Jugend. Nur wenn das Profil
so hart war oder das Wetter so scheußlich, dass er die Konkurrenz durch
seine Widerstandskraft zertrümmern konnte, fuhr er als Erster über die
Ziellinie.
Bei Vingegaard musste man detailliert in den Daten lesen, um sein Potenzial
zu erkennen. Jumbo-Visma machte das. „Als er zu uns kam, war er ein stiller
Junge, der vor allem froh war, dass er einen Profivertrag hatte. Denn außer
uns wollte ihn damals niemand haben“, blickt Merijn Zeeman, sportlicher
Leiter und Talenteförderer par excellence beim niederländischen Rennstall,
auf die Anfänge zurück.
Aber es überzeugten die Daten. Und spätestens 2021, als Vingegaard erstmals
Tadej Pogacar beim Bergsprint der UAE-Tour bezwingen konnte, war die
Hoffnung, ein ganz neues Radsport-Juwel im eigenen Kader zu haben, mit den
Händen zu greifen. Vingegaard holte als Ersatzmann für den gestürzten
Kapitän Primoz Roglic im gleichen Jahr den zweiten Platz bei der Tour. Im
Jahr darauf war er ganz oben.
„2021 war ich mental noch nicht bereit, es richtig mit Pogacar
aufzunehmen“, erklärte Vingegaard später seine vergleichsweise defensive
Fahrweise bei der damaligen Tour. [2][2022 setzte er aber die Akzente]. Zu
seinem Erfolg gehört das mentale Wachsen dazu, der Glaube daran,
konkurrenzfähig zu sein.
Möglich ist auch, dass beide Fahrer am besten von den jeweiligen
Spezialitäten der eigenen Rennställe profitieren. Jumbo etwa fiel durch
frühzeitigen Einsatz von Ketonen auf, jenen Nahrungsergänzungsmitteln, die
Extra-Ausdauer bescheren. Bei Pogacars Rennstall UAE wird auf die besondere
Stimulierung der Mitochondrien als Kraftwerke der Zellen gesetzt. „Das
Besondere bei beiden ist, dass sie nicht nur Großtalente sind, wie sie im
Radsport nur alle paar Jahre vorkommen. Sie gehören auch einer Generation
an“, sagte Grischa Niermann, sportlicher Leiter von Vingegaard.
Das bedeutet, dass sich beide gegenseitig in Leistungsregionen treiben, in
die sie sonst, als alleinige Überflieger, gar nicht vordringen müssten.
Dass es ein ewiges Duell bleibt, glaubt aber Niermann nicht: „Vergesst mir
nicht [3][Remco Evenepoel.] Und auch Primoz Roglic kann auf der Höhe der
beiden sein.“ Diese vier bei einer Grand Tour gegeneinander beziehungsweise
miteinander, was die Teamkollegen Vingegaard und Roglic betrifft, wäre das
Nonplusultra des Radsports heute.
12 Jul 2023
## LINKS
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[3] /Dominator-bei-der-Spanienrundfahrt/!5875184
## AUTOREN
Tom Mustroph
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