# taz.de -- Tim Declerq bei der Tour de France: Traktor mit Muskelkraft | |
> Tim Declerq ist ein besonderer Helfer bei der Tour. Der Belgier soll für | |
> sein Team Tempo im Peloton machen. Das kann kaum einer so gut wie er. | |
Bild: Declerq gibt wieder mal alles, um potentiellen Ausreißern das Leben schw… | |
Beginnt eine Fernsehübertragung der Tour de France, ist ein Mann gewöhnlich | |
die meiste Zeit im Bild: Tim Declerq, der Mann mit der Startnummer 54. Vor | |
allem auf Flachetappen fährt der Belgier vorn. „Mein Job ist es, das Feld | |
zusammenzuhalten für den Massensprint“, erklärt er der taz. Deshalb beginnt | |
die Stressphase seines Arbeitstages auch früh. In den ersten Rennstunden | |
spannt er sich vors Peloton. „Das ist manchmal ein wenig einsam. Du trittst | |
und trittst. Es hat aber auch etwas Gutes. Deine Mannschaftskameraden | |
kommen immer wieder nach vorn und bringen dir Wasserflaschen“, sagt | |
Declerq. | |
[1][Der Helfer] ist in diesen Stunden König. Denn seine Spezialität, über | |
eine sehr lange Zeit ein gleichmäßig hohes Tempo treten zu können, ist sehr | |
gefragt. „In unserem Team spielt Tim eine wichtige Rolle. Natürlich wollen | |
wir Etappen vor allem mit unseren schnellen Leuten gewinnen, hier bei der | |
Tour vor allem mit Fabio Jakobsen. Aber damit Fabio überhaupt eine Chance | |
hat, muss Tim das Feld zusammenhalten. Er ist einfach ein ganz besonderer | |
Teil des Teams“, sagt Davide Bramati, der sportlicher Leiter von Soudal | |
Quick Step. | |
Der besondere Wert von Declerq ist: Er füllt diese Rolle so gut aus, dass | |
der Rennstall über Stunden niemanden anderes für die Tempoarbeit im Feld | |
einsetzen muss. Diese Bärenkräfte spiegeln sich auch in den Spitznamen | |
wider, die Declerq erhielt. Bei der San-Juan-Rundfahrt in Argentinien | |
beeindruckte er die Fans so sehr, dass sie ihm den Spitznamen „el tractor“ | |
verpassten. | |
Manchmal allerdings erhält der Traktor auch die Erlaubnis, seine Position | |
zu verlassen. Dann darf er sich selbst als Ausreißer vor dem Feld | |
versuchen. So geschah es auf der 8. Etappe der Tour de France. Das dortige | |
Profil war zu schwer für [2][Topsprinter Jakobsen]. „Es war schön, das | |
Rennen mal ganz von vorn zu erleben“, erzählte Declerq. „Schade war nur, | |
dass wir lediglich drei Mann vorne waren. Mit fünf, sechs Mann, die richtig | |
treten können, hätte man bessere Chancen gehabt. Aber um zu gewinnen, muss | |
man eben auch etwas riskieren“, blickt er zurück. | |
## Enormer Respekt | |
Nach 170 von insgesamt 200 Kilometern wurde er eingefangen. Befriedigung | |
verschaffte ihm die Panik, die er im Hauptfeld ausgelöst hatte. „Sie | |
mussten dort eine ganze Menge Jungs opfern, um an uns dranzubleiben“, sagt | |
er und grinst. Und tatsächlich sorgte die Anwesenheit Declerqs vorn in der | |
Spitzengruppe für große Sorgenfalten bei der Konkurrenz. | |
Christian Pömer, der sportlicher Leiter bei Bora hansgrohe, betont: „Der | |
Respekt vor ihm ist ganz enorm. Und er hat uns auf der Limoges-Etappe auch | |
keine Ruhe gelassen. Wir haben gesagt: ‚Boah, mit Declerq, da weißt du nie, | |
wozu der imstande ist. Das ist ein 12-Zylinder-Motor oder eigentlich ein | |
großer Schiffsdiesel. Und wenn der mal in Schwung kommt, dann ist das eine | |
besorgniserregende Situation für alle, die dahinter sind.‘“ | |
Nun, Declerq wurde weit vor dem Ziel zur Erleichterung aller noch | |
eingefangen. Aber es war auch ein wenig Mitleid zu spüren. Denn es gibt | |
wohl kaum einen Arbeiter im Peloton, dem selbst die Konkurrenz nicht mal | |
einen großen Sieg gönnen würde als eben Tim Declerq. | |
Bis zu den Kontrolleuren des Weltradsportverbands UCI haben sich | |
mittlerweile die Bärenkräfte des Belgiers herumgesprochen. Vielleicht auch | |
deshalb wurde just, während die taz mit ihm sprach, sein Rad auf verbotene | |
Eletromotoren gescannt. Es wurde nichts gefunden. Der „Traktor“ ist | |
[3][also nicht mit E-Mobilität unterwegs], sondern ganz klassisch mit | |
Muskelkraft. | |
Besondere Trainingspläne gibt es nicht, versichert Declerq. „Ich bin in | |
dieser Hinsicht genetisch bevorteilt. Ich habe allerdings nicht die | |
Explosivität, die andere haben“, sagt er. | |
Wenn er nicht vorn im Feld fährt, um das Feld zusammenzuhalten für den | |
Massensprint, kümmert er sich im Gruppetto um seinen Sprinter Jakobsen und | |
tut alles dafür, damit der bei den Bergetappen vor Ablauf des Zeitlimits | |
ankommt. An solchen Tagen holt er auch ganz klassisch die Wasserflaschen | |
von den Begleitfahrzeugen. Ist das Profil hingegen flach, wird ihm ganz | |
vorn das Wasser zugetragen. Dann hat der Tretprolet mal wieder | |
Königsstatus. | |
10 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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