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# taz.de -- Obdachlosigkeit in Berlin: Mehr als ein Bett
> In einer 24/7-Unterkunft in Berlin-Kreuzberg können Frauen auch tagsüber
> so lang bleiben, wie sie wollen. Trotz Erfolg ist das Projekt gefährdet.
Bild: Zimmer mit Aussicht: Gemeinschaftsraum in der 24/7 Unterkunft für obdach…
Frauen sitzen beieinander, gebückt über noch fast weiße Leinwände, auf
denen sie langsam ihre Geschichten in bunten Farben entstehen lassen.
Währenddessen sprechen sie über ihre Probleme und öffnen sich einander. So
berichtet die Psychologin Hanna Höhe vom einem „Kreativnachmittag“ in der
Wohnungslosenunterkunft für Frauen am Halleschen Tor.
Dass sich diese Szene in einer [1][Berliner Obdachlosenunterkunft]
regelmäßig so abspielt, wirkt auf den ersten Blick kaum möglich.
Üblicherweise müssen obdachlose Menschen die Notunterkünfte am frühen
Morgen verlassen. Doch in der sogenannten 24/7-Unterkunft dürfen sie den
ganzen Tag bleiben und das sogar über Wochen oder Monate hinweg.
„Das ist ein Angebot, was es zu erhalten gilt“, sagt Senatorin für Arbeit
und Soziales, Cansel Kiziltepe, die am Donnerstag die Unterkunft besuchte.
Denn nur die Langfristigkeit des Angebotes ermögliche nachhaltige Erfolge.
Laut eines Zwischenberichts, den das Institut für Sozialökonomische
Strukturanalysen im Mai dem Senat übergab, wechseln 6 Prozent der Frauen in
betreutes Wohnen oder eigene Wohnungen. 10 Prozent verlassen die
Unterkunft, um im Gesundheitsbereich, beispielsweise einer stationären
Therapie unterzukommen. Der überwiegende Teil der Frauen geht zurück auf
die Straße oder macht keine Angaben. Dass diese Vermittlungszahlen klein
wirken, erklärt der Fachverantwortliche Jens Rockstedt so: „Für uns zählen
auch die kleinen Schritte als Erfolge.“ Die Beantragung von
Ausweisdokumenten oder Wohnungsberechtigungsscheinen sei für viele schon
ein großer Schritt.
## EU-Förderung läuft aus
Zur Zeit gibt es in Berlin zwei 24/7-Unterkünfte. Diese sind momentan beide
bedroht, da die EU-Förderung im Herbst dieses Jahres ausläuft. Kiziltepe
beteuert, dass sie für die weitere Finanzierung kämpft, aber sicher ist
diese vor allem vor dem Hintergrund der drohenden Haushaltskürzungen nicht.
Dabei sei es sehr wichtig, dass [2][wohnungslose Frauen] die Möglichkeit
haben, länger an einem sicheren Ort zu bleiben, sagt Höhe. „Sie können erst
mal wieder Energie sammeln, die sie schon längst nicht mehr haben.“ Danach
seien sie überhaupt erst in der Lage, sich mit ihren Problemen
auseinanderzusetzen und die Beratungsangebote anzunehmen. Sozialarbeiter
Ivo Titze stimmt zu: „Es bedarf sehr viel Zeit. Unser höchstes Gut ist,
dass wir die haben.“
Ein weiterer Vorteil sei der unbürokratische Aufnahmeprozess, betont Titze.
Die Staatsbürgerschaft spiele keine Rolle und auf Wunsch können die Frauen
anonym bleiben.
Genauso willkommen wie alle anderen Frauen sind trans* Frauen. Höhe
erklärt, dass diese in anderen Obdachlosenunterkünften für Frauen meist
erst nach der Änderung des Personenstandes zugelassen werden. [3][Das ist
allerdings ein langwieriger, teurer Prozess, zu dem wohnungslose Menschen
oft keinen Zugang haben.] Titze betont: „Wenn hier eine Person steht und
sagt, ich bin eine Frau und weiß nicht, wo ich schlafen soll, dann nehmen
wir diese Person auch auf.“ Zu Diskussionen komme es durchaus zwischen den
Bewohner:innen, das betreffe auch Rassismus. Aber vieles lasse sich durch
Gespräche und Aufklärungsarbeit lösen.
6 Jul 2023
## LINKS
[1] /Obdachlosenunterkuenfte-in-Berlin/!5041903
[2] /Weiblich-obdachlos-unsichtbar/!vn5758458
[3] /Entwurf-des-Selbstbestimmungsgesetzes/!5928990
## AUTOREN
Kajo Roscher
## TAGS
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Wohnungslosigkeit
Sozialarbeit
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Lesestück Recherche und Reportage
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