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# taz.de -- Fünfter Teil von „Indiana Jones“ im Kino: Mit gichtigem Finger…
> Für den Actionfilm „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ muss
> Harrison Ford wieder auf Nazijagd gehen. Das ist wie immer schön
> ironisch.
Bild: Gutgelauntes Finale? Indiana Jones (Harrison Ford) und sein Patenkind Hel…
Indiana Jones war immer da. Selbst wenn der notorische Archäologe
eigentlich erst [1][1981, in Steven Spielbergs „Jäger des verlorenen
Schatzes“], damit anfing, den Nazis, den Russen oder den blutrünstigen
Thuggee-Kriegern die Bundeslade, den Heiligen Gral, den Shankara-Stein oder
den magischen Kristallschädel abzujagen.
Denn seine ersten Abenteuer begannen in den 30ern, darüber hinaus erdachte
ein Serien-Franchise auch die Erlebnisse eines jungen Indy. Die Figur des
Indiana Jones, im Kino von jeher wacker verkörpert durch Harrison Ford, ist
also so etwas wie ein Zeitenwanderer: 1935 kämpfte er gegen die Bösen. 2023
tut er dies noch immer.
Passend dazu startet der lange angekündigte und durch viele teure
Personalwechsel vor und hinter der Kamera sowie die Coronakrise ständig
verschobene, vermutlich letzte Indy-Film mit einer Rückblende in die 40er:
Ein CGI-verjüngter Harrison Ford macht dort das, was er am besten kann –
als eine Art „Monuments Man“ Artefakte von den Nazis zurückholen.
In diesem Fall geht es um das vom griechischen Mathematiker Archimedes
erdachte „Rad des Schicksals“, ein klassisches Indy-MacGuffin, das – wie …
viele andere, mit besonderen Kräften belegte Fantasy-Kino-Schätze – aus
separaten Teilen besteht, damit sichergestellt ist, dass irgendjemand
dauerhaft jemand anderem hinterherjagen muss.
## Die Knochen bei jeder Bewegung spüren
So jagt ein Nazi-Physiker mit dem etwas verunglückten Namen Jürgen Völler
(Mads Mikkelsen) das fehlende Teil des uhrenartigen Mechanismus und
entpuppt sich bereits beim ersten Aufeinandertreffen in und auf einem
wunderschönen Retro-Zug voller Nazis, Bomben und Granaten als würdiger
Indy-Gegenspieler.
Wenn man sich die lange, nervenaufreibende, dröhnende und pausenlos das
eigene Franchise sowie andere Actionfilme zitierende Eingangsszene
anschaut, ist es kein Wunder, dass Indy danach Ruhe nötig hat. Darum
treffen wir erst 1969 wieder auf ihn, da ist er recht betagt (wenn auch
nicht so alt wie sein 81-jähriger Impersonator Ford).
Er hält staubige Archäologie-Vorlesungen, spürt die Knochen bei jeder
Bewegung und hängt die löchrigen Socken zum Trocknen ans Fenster. Und
schert sich kaum um seine Mitmenschen, die die [2][Landung der
US-Astronauten auf dem Mond] feiern und zu David Bowies „Space Oddity“
kräftig einen durchziehen.
Wieder ins Abenteuer gelockt wird Indy durch sein blitzgescheites Patenkind
Helene (Phoebe Waller-Bridge), der Indys Schatzsucher-Kollege Basil (Toby
Jones) vor seinem Tod das Interesse am „Rad des Schicksals“ vererbt hat.
Als in Hollywood bewährtes, wenn auch in diesem Fall nicht durch
körperliche Anziehung definiertes Duo aus altem Mann und junger Frau machen
sich die beiden auf eine Artefakt-Jagd, die sich gewaschen hat. Doch die,
das muss man leider sagen, trotz Atemlosigkeit, fantastischer Tricks,
energetischer Schauspieler:innen und schön gruseliger Settings dennoch
über eine Kopie der Kopie der Kopie nicht hinauskommt: Das Déjà-vu-Gefühl
will sich nicht verabschieden.
## Gefühlt auf müder Flamme
Für Indy selbst ist das vermutlich kaum anders – vielleicht flackert seine
Leidenschaft darum auf gefühlt müder Flamme. Indiana Jones scheint in den
langen Jahren seiner Existenz zu einem has-been geworden zu sein.
Sichtbares Interesse äußert er erst am Ende, das – aus Spoilergründen soll
es nur angedeutet werden – symptomatisch das verspricht, was er schon immer
suchte: Wahre Erkenntnis durch einen der Größten des Fachs.
Man kann Indys – trotz um ihn herumfliegender Pfeile, Kugeln und Nazis –
fühlbaren Gleichmut also verstehen.
Wie um die Bedeutsamkeit der Filmreihe durch Opulenz zu retten, hat
Regisseur James Mangold („Walk the Line“, „Wolverine“) mit unter anderem
den Beatles („Magical Mystery Tour“), David Bowie und Antônio Carlos
Jobims’ „Girl from Ipanema“ darum den vermutlich teuersten aller
Soundtracks eingekauft (Gesamtbudget: Knapp 300 Millionen Dollar …), dazu
den 91-jährigen John Williams gebeten, aus seinem großartigen Indy-Thema
noch etwas herauszukitzeln. Was John Williams selbstverständlich gelungen
ist.
Dennoch schafft es der letzte Indy nicht, etwas anderes zu sein als das,
was er bereits seit Jahren ist: ein nicht aus der Ruhe zu bringender
Hau-drauf-Wissenschaftler, dem die Sprüche sogar von den Lippen perlen,
wenn er mit nur einem gichtigen Finger an einer Klippe über dem Abgrund
baumelt. Und das hatte bei Indiana Jones ohnehin immer etwas Ironisches.
Anstatt sich also wirklich mit dem Thema Alter zu beschäftigen und ihm als
weiblichen Gegenpart etwa ebenfalls eine best-agerin an die Seite zu
stellen; oder anstatt Action und Rhythmus anders, neu zu denken; oder die
Ironie zumindest zum Teil durch Trauer, Sehnsucht, Verzweiflung zu
ersetzen, wirkt „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ ein wenig wie
ein langer Trailer zu den früheren Filmen. Indiana Jones braucht kein
tragischer Held zu sein – das passt nicht zu ihm. Ein bisschen mehr
Seriosität hätte man ihm dennoch gegönnt.
27 Jun 2023
## LINKS
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[2] /50-Jahre-Mondlandung/!5611323
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Spielfilm
Abenteuer
Nazis
Finale
Spielfilm
Schwerpunkt Berlinale
Graphic Novel
Science-Fiction
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