# taz.de -- Comic von Paco Roca: Kapitän Haddock und Indiana Jones | |
> Jäger des verlorenen Kulturguts: „Der Schatz der Black Swan“, eine | |
> spanische Graphic Novel, bürstet das Schatzsucher-Genre gegen den Strich. | |
Bild: Szenen aus „Der Schatz der Black Swan“ – nach einem wahren Kriminal… | |
Eine stürmische Nacht auf offener See an Bord des Bergungsschiffs „Ithaka“ | |
vor Gibraltar. Die Besatzung ortet ein Wrack. Die lange Suche hat sich | |
scheinbar gelohnt. Auf dem Meeresboden liegen die Überreste einer alten | |
Fregatte. Ein ungeheurer Schatz wartet dort auf seine Bergung. – Wenige | |
Zeit und ein Ortswechsel später: Erneut tobt ein Sturm, als ein Flieger mit | |
der tonnenschweren Beute auf dem Flughafen in Florida landen soll. Was | |
Frank Stern, der Leiter von „Ithaka Deep Sea“, anpackt, kann eigentlich | |
nicht misslingen. | |
Was zunächst wie eine Szene aus einem Abenteuerfilm wirkt, entpuppt sich | |
später in Guillermo Corrals und Paco Rocas Graphic Novel „Der Schatz der | |
Black Swan“ als ein schwerer Raub: Die tollkühnen Schatztaucher sind | |
Gauner, die das Edelmetall im Wert von 500 Millionen US-Dollar in einer | |
Nacht-und-Nebel-Aktion außer Landes schaffen, um ihn nicht mit anderen | |
teilen zu müssen. Vor allem nicht mit Spanien, in dessen Hoheitsgewässern | |
das Wrack gefunden wurde, und zu dessen Kulturgut der Fund gehört. | |
[1][Schon das Coverbild der neuen Graphic Novel des spanischen | |
Comiczeichners Paco Roca („Kopf in den Wolken“, „Die Heimatlosen“)], | |
geschrieben vom Diplomaten Guillermo Corral, verweist mit dem kreisrunden | |
Blick durch ein Bullauge auf ein Gefecht zweier Fregatten. Und zitiert | |
damit das Cover eines anderen, klassischen Schatzsucher-Comics, „Das | |
Geheimnis der Einhorn“ von Hergé aus der „Tim und Struppi“-Reihe, bei der | |
es um einen jahrhundertealten Schatz geht, der im Fortsetzungsband Hergés, | |
„Der Schatz Rackhams des Roten“, gefunden wird. | |
Das Schiff „Black Swan“, von der hier nun die Rede ist, existierte nicht | |
als historisches. Allerdings gibt es einen bekannten nordamerikanischen | |
Piratenfilm aus den 40er Jahren mit diesem Titel. Der Name steht vielmehr | |
allgemein für die vielen mythenbeladenen Schiffswracks, die es noch zu | |
bergen gilt, samt ihrer sagenhaften Schätze. Doch liegt der Graphic Novel | |
ein realer spektakulärer Fall zugrunde: 2007 barg das Bergungsunternehmen | |
„Odyssey“ unter dem Decknamen „Black Swan Project“ an einem geheimen Or… | |
vermutlich in den Gewässern vor Cádiz – die Fracht eines Wracks, deren Wert | |
auf 500 Millionen US-Dollar geschätzt wird. | |
Odyssey gab damals vor, es handele sich um die britische Fregatte „Merchant | |
Royal“. Der Fall landete 2009 vor Gericht in Florida, wo das Gold | |
eingelagert wurde. Es stellte sich heraus, dass das Schiff die spanische | |
Fregatte „Nuestra Señora de las Mercedes“ war, die 1804 vor Cádiz versenkt | |
wurde. Der Schatz kehrte dann 2012, nach fünf Jahren Rechtsstreit und | |
weiteren Urteilen, zuletzt vor dem Obersten Gerichtshof, nach Spanien | |
zurück. Odyssey wurde wegen räuberischer Täuschung zu einer Geldstrafe | |
verurteilt. | |
In der Graphic Novel sind die Lage des Schiffes, Namen und Hintergrund | |
leicht verändert worden. Trotzdem ist der reale Fall deutlich erkennbar. | |
Roca und Corral entzaubern dabei beiläufig die allzu romantische | |
Vorstellung vom heroischen wie selbstlosen Entdeckertypus à la Indiana | |
Jones und decken die Gier dahinter auf: Drahtzieher des Ithaka-Unternehmens | |
ist mit Frank Stern, der zunächst als eine Mischung aus Kapitän Haddock und | |
Indiana Jones erscheint, ein ehemaliger Börsenmakler, der für seine Ziele | |
über Leichen geht. Nicht in James Bond- (beziehungsweise Blofeld-)Manier, | |
sondern wesentlich subtiler. | |
Die wahren Helden sind hier die unscheinbaren Angestellten des spanischen | |
Kulturministeriums, die kriminalistische Ermittlungen anstellen müssen, um | |
die – von Ithaka verschleierte – Identität von Schiff und Schatz zu kläre… | |
Nach und nach bestätigt sich der Verdacht, dass die gesunkene Fregatte | |
nicht, wie behauptet, eine englische, sondern eine spanische namens | |
„Merced“ ist, die 1804 nahe der Küste von einem englischen Kriegsschiff | |
versenkt wurde – wie im realen Fall der „Nuestra Señora“. | |
So spielt sich diese toll gezeichnete Abenteuergeschichte vornehmlich in | |
Büroräumen ab. Ein Team von Spezialisten macht sich unter der Leitung des | |
jungen Diplomaten Álex daran, juristisch gegen das in den USA beheimatete | |
Unternehmen vorzugehen, um den Schatz zurück nach Spanien zu bringen. Die | |
Figur Álex ist angelehnt an den Autor Corral selbst: er koordinierte damals | |
den Fall des von Odyssey geborgenen Schatzes und dessen Rückholung. | |
Obwohl die Schauwerte von Büroräumen naturgemäß nicht so spannend sind wie | |
die von Schiffsgefechten und Mantel-und-Degen-Kämpfen, entwickelt sich ein | |
subtiler Thriller, der die Leser*innen in Atem hält und bis zur letzten | |
Seite spannend bleibt. Paco Roca beweist einmal mehr, wie sein visuell der | |
„Ligne claire“ Hergés verpflichteter, zurückhaltender Zeichenstil einer | |
Erzählung dienen kann. | |
Mit sehr feinen Schattierungen porträtiert er eine Handvoll lebensnaher | |
Charaktere, die trotz ihrer unspektakulären Berufe doch sympathisch | |
erscheinen und mit feinem Humor dargestellt werden. Die Graphic Novel | |
erweist sich auch als profunder Kommentar zur Diskussion, wem gefundene | |
Schätze oder Kunstwerke eigentlich gehören. „Kulturgüter sind Zeugen | |
unserer eigenen Geschichte. Man sollte sie nicht missachten oder | |
vermarkten“, sagte Guillermo Corral anlässlich der deutschen | |
Veröffentlichung des Buches. | |
12 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Ralph Trommer | |
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