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# taz.de -- Neuer Science-Fiction-Film von Spielberg: Virtuell ist besser
> In „Ready Player One“ schickt Spielberg seine Helden in den Wettstreit
> mit Großkonzernen. Das Setting erinnert an Videospielwelten der achtziger
> Jahre.
Bild: Mit solchem Begleiter lässt es sich gut kämpfen. Aech und Parzival in �…
Bei Wade Owen Watts’ morgendlichem Abstieg von einem Turm übereinander
geschachtelter Wohnwagen in Columbus, Ohio, stechen hinter den Fenstern die
Virtual-Reality-Brillen der Bewohner ins Auge. Auch Wades Abstieg endet
schließlich unter einem Haufen Schrott damit, dass er seine VR-Brille
aufsetzt und sich aus der grauen, vollgemüllten Realität des Jahres 2045 in
die verlockende virtuelle Welt der OASIS flüchtet.
Die OASIS ist das Lebenswerk und Vermächtnis des Programmierers James
Donovan Halliday. Wie für Wade (Tye Sheridan), der mit seinem virtuellen
Avatar Parzival in der Welt der OASIS Freundschaften geschlossen hat und
sich Fähigkeiten erworben hat, ist die virtuelle Welt längst zum
eigentlichen Leben für die Mehrzahl der Menschen geworden.
Steven Spielberg zeichnet in seinem neuesten Film „Ready Player One“ ein
düsteres Bild einer dystopischen Realität, die mit den Verlockungen des
Virtuellen schon lange nicht mehr mithalten kann. Zumal die virtuelle Welt
die Aussicht auf realen Reichtum verheißt: vor seinem Tod hat Halliday, der
Schöpfer der OASIS, ein Rätsel geschaffen, bei dem es drei Aufgaben zu
lösen gilt. Für die Lösung der drei Rätsel gibt es drei Schlüssel zu
gewinnen – dem Gewinner aller drei Schlüssel winkt die alleinige Kontrolle
über die virtuelle Welt der OASIS und das Vermögen Hallidays.
Großkonzerne wie Innovative Online Industries beteiligen sich mit
Heerscharen von Teilnehmern an dem Wettstreit – bislang jedoch ebenso
erfolglos wie Parzival, sein gigantischer Freund Aech oder die junge
Art3mis (Olivia Cooke). Bis Parzival beginnt, im Archiv von Hallidays
Erinnerungen nach Hinweisen zu suchen. Mit einem Mal erweist sich die erste
Herausforderung – ein Hindernisrennen mit King Kong als ultimativem Gegner
– durch einen einfachen Kniff als lösbar.
## Uralter Plot in moderner Welt
Parzival wird zum Star der OASIS, was ihn neben der Anerkennung virtueller
Bewunderer und Bewunderinnen auch zum Objekt des Neides für Innovative
Online Industries macht. Um Parzival, Aech und Art3mis beginnt sich ein
kleines Grüppchen zu scharen, das es gemeinsam mit den scheinbar
überlegenen kommerziellen Herausforderern aufnimmt.
„Ready Player One“ erzählt eine herzensgute Handlung, die den uralten Plot
vom Auszug des Ritters ins Unbekannte, sein Wachsen an den Aufgaben bis zur
persönlichen Reife, in eine virtuelle Welt verlegt. Am Ende wirft es die
Helden dennoch unvermittelt zurück in die Realität und nicht zufällig
findet der Film genau an dieser Stelle noch einmal zu sich selbst.
Spielberg umwebt den uralten Archetypenplot mit kunstfertigen Stickereien
aus Anspielungen aus der Populär- und Videospielkultur der 1980er Jahre.
Doch all die Koloraturen, die teils detaillierten Referenzen in der
virtuellen Welt können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Spielberg
beweisen zu wollen scheint, dass er noch immer in der Lage ist, jene
massenkompatiblen Blockbuster zu liefern, für die er einst Ende der 1970er
Jahre bekannt wurde.
Ab etwa Mitte der 1980er Jahre wechselte Spielberg zwischen Blockbustern
und liberalen Message-Filmen – bis Anfang der 2000er Jahre mit dem
verlässlichen Ergebnis, mit den Erfolgen der „Indiana Jones“- oder
„Jurassic Park“-Filme die finanziell heikleren Zwischenfilme abzusichern.
Unterdessen hat sich dieser Trend umgekehrt. Spielbergs letzte große
Blockbustererfolge waren „Krieg der Welten“ von 2005 und der vierte
„Indiana Jones“-Film von 2007.
## Keine klassische Spielberg-Innovation
Seither haben seine Filme mit klarer Botschaft wie „Lincoln“, „Bridge of
Spies“ oder zuletzt sein grandioser Film „Die Verlegerin“ über die Krise
der Pressefreiheit, weibliche Emanzipation und das Zeitalter analoger
Medien deutlich mehr überzeugt. „Ready Player One“ hat das Zeug dazu, diese
Tendenz zu beenden, ohne jedoch an Spielbergs Mischung von populären
Elementen und formaler Innovation aus früheren Jahrzehnten anschließen zu
können.
Die maue Charakterzeichnung des Films, die sterile Anrufung von Referenzen,
der es über weite Strecken an jener Liebe zum Detail fehlt, die in Kauf
nimmt, nicht auf den allerersten Blick allgemein verständlich zu sein,
rücken „Ready Player One“ unangenehm in die Nähe der Welle von Retrofilme…
mit denen Hollywood gerade die eigene Buchhaltermentalität, die Sicherheit
dem Experiment vorzieht, überdeckt.
Zumindest mit Blick auf die angekündigten Projekte könnte „Ready Player
One“ dennoch die Wende für Spielberg markieren. Der Film bietet solide
Unterhaltung und steigert die Vorfreude auf die nächsten beiden Projekte:
„Die Entführung von Edgardo Mortara“ handelt von der Entführung eines
jüdischen Jungen, der von der Inquisition in ein katholisches Kloster
verschleppt wird, und eine Neuverfilmung der „West Side Story“.
Vor allem letzteres Projekt weckt Hoffnungen: ein Musical über Rassismus
und die Beziehung zwischen Weißen und Nichtweißen Amerikanern, das
voraussichtlich mitten in den nächsten Präsidentschaftswahlkampf hinein
starten wird, bietet die Aussicht auf eine Rückkehr zu jener Mischung aus
Pathos, Liberalität und Massenappeal, mit der Spielberg einmal berühmt
wurde.
4 Apr 2018
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
Science-Fiction
Film
Videospiele
Steven Spielberg
Spielfilm
Spielfilm
Meryl Streep
Schwerpunkt Berlinale
Die Couchreporter
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