# taz.de -- Nicole Anyomi über Rassismus im Fußball: „Das war erschreckend�… | |
> Die Nationalspielerin Nicole Anyomi äußert sich zum Rassismusvorfall bei | |
> der U21-EM. Auch sie hat schon ähnliche Erfahrungen gemacht. | |
Bild: Beim Spiel gegen Vietnam gibt Stürmerin Anyomi Anweisungen | |
taz: Nicole Anyomi, nach dem Länderspiel gegen Vietnam (2:1) hat die | |
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg Ihre Leistungen herausgehoben. | |
Sind Sie froh, dass Sie auch im Nationalteam wieder als Stürmerin | |
auflaufen? | |
Nicole Anyomi: Das liegt mir auf jeden Fall mehr. Ich bin eine | |
Offensivspielerin, kann sicherlich auf mehreren Positionen spielen, vorne | |
links oder rechts, aber auch auf der Zehnerposition, aber ich fühle mich in | |
der Spitze am wohlsten. | |
Bei der EM im vergangenen Jahr haben Sie noch das Backup für Giulia Gwinn | |
als Rechtsverteidigerin gegeben. Aber eigentlich waren Sie damit nicht | |
glücklich? | |
Für mich war es damals überraschend, eine ganz neue Position erlernen zu | |
müssen, weil ich bis dahin nie als Außenverteidigerin gespielt hatte. Ich | |
wollte dieses Projekt gerne bei der Nationalmannschaft annehmen, um zu | |
spielen. Man hat mir dann angesehen, dass es nicht meine ideale Rolle ist. | |
Sie leben in Frankfurt, einer multikulturellen Stadt. Das spiegelt sich | |
aber im Frauenfußball in Deutschland überhaupt nicht wider. Wie können mehr | |
Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund gewonnen werden? | |
Gute Frage. Viele verstecken sich noch, viele dürfen vielleicht auch nicht. | |
Mir wurde damals von meiner Mutter auch gesagt, ich solle nicht Fußball | |
spielen. Mein Vater hat sich dann durchgesetzt. | |
Warum hatte Ihre Mutter denn Vorbehalte? | |
Sie hat gesagt, ich sei ein Mädchen, und wollte mich lieber zum Reiten | |
schicken, sage ich mal. Aber ich bin mit zwei Brüdern aufgewachsen und habe | |
viel Fußball gespielt – und das wollte ich weitermachen. Mein Vater hat | |
dann wohl bei mir ein gewisses Talent gesehen und meiner Mutter gesagt: | |
„Lass sie weiterspielen!“ | |
Früher haben Sie berichtet, dass sich eine ältere weiße Frau von Ihnen | |
weggesetzt hat. Kommt Diskriminierungen dieser Art noch vor? | |
Solche Erfahrungen habe ich in Essen gemacht, wenn ich nach der Schule in | |
die U-Bahn gestiegen bin. Aber jetzt nicht mehr: Frankfurt ist eine Stadt | |
mit vielen Kulturen und Nationalitäten, da habe ich so etwas noch nicht | |
erlebt. | |
Sehen Sie sich als Role Model? | |
Doch, warum nicht? Ich glaube schon, dass mich einige als Vorbild ansehen. | |
Ich möchte zeigen, dass es hier auch erfolgreiche Sportlerinnen mit | |
Migrationshintergrund gibt. | |
Den deutschen Fußball haben gerade die rassistischen Beleidigungen in den | |
sozialen Medien gegen Youssoufa Moukoko und Jessic Ngankam aus der | |
U21-Nationalmannschaft erschüttert. Sie haben etwas Ähnliches nach dem | |
EM-Finale gegen England (1:2 nach Verlängerung) vor einem Jahr auch erlebt. | |
Ich habe in dem Finale einfach nach meiner Einwechslung kein gutes Spiel | |
gemacht. Das hatte verschiedene Gründe, meine Handverletzung spielte eine | |
Rolle, aber es lief einfach nicht. Nach dem Spiel habe ich keine schönen | |
Kommentare bekommen, da habe ich mir natürlich Gedanken gemacht. Gott sei | |
Dank haben mich Mitspielerinnen unterstützt. Was bei Youssoufa Moukoko und | |
Jessic Ngenkam passiert ist, war natürlich erschreckend. Da stimme ich | |
beiden zu: Wenn es läuft, sind wir Deutsche, wenn es nicht läuft, gilt das | |
nicht. Das ist sehr schade in der heutigen Zeit. | |
Haben Sie die Beleidigungen bewusst gelesen damals? | |
Ich war nur kurz auf meinen sozialen Medien, als das auftauchte. Man will | |
das eigentlich nicht lesen, aber dann klickt man halt schon drauf. Ich habe | |
direkt danach die Kommentarfunktion deaktiviert. | |
Öffentlich darüber gesprochen haben Sie erst viel später in der | |
Dokumentation „Born for this“. Haben Sie die Kommentarfunktion wieder | |
aktiviert? | |
Ja, denn ich bin da auch stärker geworden. Ich lasse so etwas nicht mehr so | |
stark an mich ran, aber natürlich kann man das nicht ganz verhindern. | |
Wenn so etwas vorkäme, würden Sie das öffentlich machen? | |
Das kommt auf die Situation an, dazu habe ich mir noch keine Gedanken | |
gemacht. Früher habe ich so etwas nicht öffentlich gemacht. Da dachte ich | |
immer: „Ins eine Ohr rein, zum anderen wieder raus“, aber manchmal muss man | |
einfach etwas sagen. Insofern kann ich mit den beiden von der U21 voll | |
mitfühlen. | |
Die Fifa will bei der Frauen-WM eine spezielle Software für Verbände und | |
Spielerinnen einsetzen, die mittels künstlicher Intelligenz solche | |
Kommentare unterbindet. | |
Davon habe ich gehört, das wäre sicherlich ein Mittel, mit dem gearbeitet | |
werden sollte. | |
Haben solche Beleidigungen zugenommen in letzter Zeit? | |
Nein, gar nicht. | |
Auch die erstmals mit 32 Teams ausgespielte WM wird in Australien und | |
Neuseeland ein Zusammentreffen der Kulturen. Deutschland hat mit Marokko, | |
Kolumbien und Südkorea eine besonders bunte Gruppe erwischt. | |
Ich freue mich deshalb sehr auf die WM, das ist unter diesem Aspekt noch | |
mal etwas ganz anderes als eine EM, weil man auf Nationen anderer | |
Kontinente trifft – auch unbekannte Gegner. | |
Jetzt bestreiten Sie mit Deutschland die WM-Generalprobe gegen Sambia, das | |
erste WM-Spiel gegen Marokko, was zu Ihrer Vita passt. | |
Ja, irgendwie schon. Es ist schön, jetzt gegen zwei afrikanische | |
Mannschaften zu spielen. Wobei ich aber über deren Spielweise gar nicht so | |
viel sagen kann, weil ich noch nie gegen solche Teams gespielt habe. Aber | |
ich weiß, dass wir auf schnelle, physisch starke Spielerinnen achtgeben | |
müssen, die einen anderen Fußball spielen als wir Europäer. | |
Ihre Mutter kommt aus Togo, ihr Vater aus Ghana: Sind Sie schon mal in den | |
Heimatländern Ihrer Eltern gewesen? | |
Ich habe jetzt wirklich im Winter vor, mit meiner Mutter oder allein | |
dorthin zu fliegen. Das erste Mal mit 23 Jahren. | |
27 Jun 2023 | |
## AUTOREN | |
Frank Hellmann | |
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