Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- 20 Jahre 8mm Bar in Berlin: Hort des glückseligen Chaos
> Zum 20. Geburtstag hat die 8mm Bar eine Kompilation herausgebracht. Große
> Kaliber der Berliner Rockszene sind darauf vertreten.
Bild: Von der 8mm Bar beeindruckt (können es nur nicht zeigen): Das Trio Gewal…
Es gibt mehrere Gründe dafür, warum die 8mm Bar, gelegen am Südende der
Schönhauser Allee, heute einigermaßen monolithisch in der Berliner
Clublandschaft dasteht. Erstens ist sie im cleanen und weitestgehend
durchgentrifizierten Prenzlauer Berg einer der wenigen verbliebenen schönen
Schmutzflecke.
Zweitens ist sie dezidiert ein Ort für die (internationale) Rockszene
inmitten einer Stadt, die heute von elektronischer Clubkultur geprägt ist.
Und drittens zeigt sie eben, welch wunderbarer Underground noch heute in
der Berliner Gitarrenmusik existiert. Wer die Substile des Rock mit all
seinen Vorsilben – Punk-, Noise-, Kraut-, Psychedelic-, Avant-, Math-,
Art-, Jazz-/Prog- – erleben will, der besuche einfach gelegentlich die 8mm
Bar.
Ende 2022 hat der Club sein 20-jähriges Jubiläum gefeiert, nun erscheint
etwas verspätet zum runden Geburtstag eine „20 Years“-Kompilation, die all
die genannten Stile gut abbildet. Fans verstärkter Gitarrenmusik werden
hier reichlich fündig: das Punkrock-Trio Jealous ist etwa am Start, es
eröffnet mit seinem angepisst-dräuenden Song „Debbie Downer“ den Sampler.
Zudem sind da fast morbide anmutende Rock-Entwürfe von [1][der
südafrikanischen Songwriterin Lucy Kruger] (Lucy Kruger and The Lost Boys)
oder [2][der neuseeländischen Dark-Jazz-Combo The Pleasure Majenta], dann
wieder Shoegaze-Sound von Errorr, Math-/Punkrock von den Shybits,
[3][Industrial-Wave-Klänge von Gewalt]. Aber auch hübsche Ausreißer, etwa
der Synthpop von Minimal Schlager oder das funky Zeug von The Tarts, sind
auf dem Sampler vertreten.
## Schmuddelig, schrammelig, schräg
Für Rock-Expats ist die 8mm Bar seit vielen Jahren die erste Adresse in
Berlin. Die besagten Jealous etwa stammen aus dem Tel Aviver Underground,
die Band um die Riot Grrrls Paz Bonfil und Adi Kum gründete sich 2018 in
Berlin. „Das 8mm ist seit den Anfangstagen von Jealous unsere Homebase in
Berlin“, sagt Bassistin und Sängerin Adi Kum, die auch das Label Baby Satan
Records betreibt.
„Die Mitarbeiter sind nett, man kann ganz leicht eine neue Band gründen mit
Leuten, die neben dir am Tresen stehen.“ Der schmuddelige, schrammelige,
schräge Sound von Jealous ist auf der Kompilation bestens aufgehoben.
Auch für Mary Ocher, Musikerin und Schlüsselfigur des Berliner Underground
(die keinen Beitrag auf der Kompilation hat), war das 8mm ein erster
wichtiger Anker in Berlin: „Es hat sich so viel verändert, seit ich Ende
2007 nach Berlin gezogen bin. Die 8mm Bar war einer der allerersten Orte,
an den mich Freunde mitnahmen. The Virgin Tongues spielten, es war magisch,
ein glückseliges Chaos – alles sah gefährlich und aufregend aus“, sagt si…
„Der Club vermittelte, dass wir hier endlich alles sein können, was wir uns
erträumt haben.“ Für sie ist der Club Relikt eines mehr und mehr
verschwindenden Berlins. „Hoffentlich werden wir 2042 zusammenkommen, um
weitere 20 Jahre zu feiern!“
## Noch besser ist nur Hingehen
Und auch Patrick Wagner, Sänger und Gitarrist von Gewalt und großer
Antiheld des Berliner Rock, gratuliert dem Club via taz: „Die 8mm Bar hat
unsere Leben viele Male gerettet und zerstört. Gewalt ist stolz, Teil
dieses dreckigen Rock-’n’-Roll-Gesamtkunstwerks zu sein.“
Erschaffen hat dieses Gesamtkunstwerk der US-Amerikaner Alex „Olli“ Remzi
im Jahr 2002. Im Laufe der Jahre sind unter anderem die Quasi-Hausband
Brian Jonestown Massacre, Gurr, Kadavar und [4][Jaakko Eino Kalevi] dort
aufgetreten, insgesamt fanden bislang mehr als eintausend Shows statt.
Inzwischen hat der Club mit dem Label 8mm Musik und dem
Synästhesie-Festival noch weitere Pflanzen in den Berliner Underground
gesetzt.
Eine Ahnung vom Vibe der 8mm Bar vermittelt dieser Sampler, noch besser ist
nur Hingehen.
In der letzten Juniwoche gibt es mit der Dawuna Group (26. Juni), Ashinoa
(27. Juni), No Home + 990X (29. Juni) und Decadent Jugend, Holly Hunted und
Grgadorigovic (30. Juni) gleich mehrere Gelegenheiten, dort gepflegten
subkulturellen Akten beizuwohnen.
26 Jun 2023
## LINKS
[1] /Neues-Album-von-Lucy-Kruger/!5787483
[2] /Neue-Musik-aus-Berlin/!5867213
[3] /Debuetalbum-des-Berliner-Trios-Gewalt/!5820635
[4] /Neues-Album-von-Jaakko-Eino-Kalevi/!5541427
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Rockmusik
Popmusik
Rock
Rock
Kultur in Berlin
taz Plan
wochentaz
Gewalt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neue Musik aus Berlin: Tanz die Resilienz
Das Synthpop-Duo Minimal Schlager legt mit „Dance Is A Place Of Resilience“
ein Album voller Remixes vor. Ein All-Time-Pop-Klassiker sticht dabei
hervor.
Rock-Produzent Rick Rubin über sein Werk: „Mit dem Universum kollaborieren“
Beastie Boys, Johnny Cash, Slayer, Lana Del Rey – mit all diesen Stars hat
Rick Rubin Alben entwickelt. Ein Gespräch mit der Produzentenlegende.
Debütalbum des Berliner Trios Gewalt: Zwischen Lust und Ekel
Das Berliner Industrial-Krachrock-Trio Gewalt veröffentlicht sein
Debütalbum „Paradies“. Die Platte zetert und bebt sich die Apokalypse
herbei.
Underground-Festival in der Volksbühne: Wilde Überlappungen
Ein Festival zum 15. Geburtstag: Die 8mm-Bar in der Schönhauser Allee
feiert am Sonntag ihr Jubiläum mit der dritten Ausgabe des Synästhesie
Festivals.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.