# taz.de -- Ausbruch von Rindertuberkulose: Umgang mit Seuche spaltet Spanien | |
> In der spanischen Region Castilla y León verbreitet sich Rinder-Tbc. Die | |
> Regionalregierung will Kontrollen lockern, Madrid macht da nicht mit. | |
Bild: Rinder auf einer Weide bei Salamanca, Archivfoto | |
MADRID taz | Zu schnell gemachte und dann nicht einhaltbare Versprechen | |
können in aufgeheiztem Umfeld schnell zu Gewalt führen – wie aktuell im | |
westspanischen Salamanca. Dort stürmten am Montagnachmittag aufgebrachte | |
Viehzüchter mit Knüppeln und Absperrgittern bewaffnet den Sitz der | |
Vertretung der Regionalregierung. Elf Polizisten und ein Demonstrant wurden | |
verletzt. | |
Kern des Streits ist die staatliche Kontrolle der Rinderhaltung und die | |
Fleischbeschau im Schlachthof. Am 15. Mai hatte die Regionalregierung – | |
eine Koalition aus der rechten Partido Popular (PP) und der rechtsextremen | |
VOX – angeordnet, die bestehenden Regelungen zu lockern. Und das obwohl – | |
oder gerade weil – in der flächenmäßig größten autonomen Region Spaniens, | |
Castilla y León, großflächig [1][die Rindertuberkulose ausgebrochen] ist. | |
Weil das unter anderem den Schutz der Verbraucher untergräbt, waren | |
daraufhin die Anwälte der Madrider Zentralregierung vor Gericht gezogen. | |
Konkret argumentierten sie, die Regionalregierung verstoße mit der | |
Lockerung der Kontrollen gegen spanische und europäischen Richtlinien für | |
hochansteckende Tierseuchen. | |
Das oberste Gericht der Region stoppte deshalb am Montag den Erlass der | |
Regionalregierung. Das Landwirtschaftsministerium ordnete an, dass Tiere | |
und Fleischprodukte aus Castilla y León nur noch eingeschränkt in andere | |
Regionen verbracht werden dürfen. | |
## Gefahr für Menschen | |
Rindertuberkulose ist eine durch Bakterien verursachte Krankheit, die meist | |
die Atemwege befällt. Weil sie hochansteckend ist, ist sie | |
anzeigepflichtig. Wo sich die Rinder infiziert haben, ist unklar. | |
Möglicherweise sind erkrankte Wildtiere oder von Menschen in die Ställe | |
eingeschleppte Erreger verantwortlich. Befallene Tiere müssen gekeult | |
werden. Das Fleisch darf auf keinen Fall in den Handel kommen. | |
Die Krankheit ist über Tröpfcheninfektion vom Tier auf den Menschen | |
übertragbar – und umgekehrt. 1936 waren in Deutschland 31 Prozent der | |
Rinder infiziert und Erkrankungen auch unter Menschen weit verbreitet. | |
Inzwischen gilt die Tuberkulose in Europa als weitgehend ausgemerzt. | |
Weltweit allerdings starben 2021 1,6 Millionen Menschen an dem Erreger. Wie | |
viele sich bei Rindern angesteckt hatten, ist nicht klar. | |
Die Regionalregierung akzeptierte den Spruch der Richter. Aber sie wettert | |
seither gegen die Linkskoalition in Madrid unter dem Sozialisten Pedro | |
Sánchez, der sich Mitte Juli der Wiederwahl stellt: „Wir verlangen, dass | |
die Einschränkungen seitens des Landwirtschaftsministeriums so schnell wie | |
möglich aufgehoben werden“, erklärt ein Sprecher der Regionalregierung | |
Castilla y León. Die Region hat mit die größte Rinderproduktion in Spanien. | |
## Aufregung bei Landwirten | |
„Die [2][Viehzüchter befinden sich in einer kritischen Situation, nicht nur | |
wegen der Dürre, sondern auch wegen des Krieges in der Ukraine und der | |
Inflation]. Der Anstieg der Fixkosten erdrückt die Landwirte, und die | |
ganzen gemeinschaftlichen und nationalen Vorschriften machen es ihnen nicht | |
leicht“, verteidigt der rechtsextreme Vizepräsident der Regionalregierung, | |
Juan García-Gallardo, den Verstoß gegen EU-Normen. | |
Die Viehzüchter, die am Montag fast zeitgleich mit der Sitzung des Gerichts | |
protestierten, werfen PP und VOX dennoch vor, vor Madrid in die Knie | |
gegangen zu sein. Sie unterstützten lautstark den Aufruf des | |
Viehzuchtverbandes nach der „sofortigen Entlassung der verantwortlichen des | |
tierärztlichen Dienstes der Region“, heißt es darin. | |
Die Tierärztliche Kammer von Castilla y León stellt sich ebenso wie die | |
großen Gewerkschaften Spaniens hinter die Beamten des Veterinäramtes. In | |
vielen Dörfern seien Tierärzte, die ihre Arbeit ernst nähmen, „anhaltenden | |
Angriffen und persönlichen Drohungen durch Landwirte ausgesetzt“, heißt es | |
in einer Stellungnahme. Der Tierarztverband hatte sich von Anfang an gegen | |
die Lockerung der Tuberkulosekontrolle gestellt. | |
6 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Urteil-ueber-Alpaka-mit-Rindertuberkulose/!5792864 | |
[2] /Hilfspaket-der-spanischen-Regierung/!5901382 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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