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# taz.de -- Zerstörter Staudamm in der Ukraine: Flut am drittgrößten Fluss E…
> Vor dem zerstörten Damm am Dnipro staute sich ein 230 Kilometer
> langer See, viermal größer als der Bodensee. Die Fluten bedrohen
> Zehntausende.
Bild: Der zerstörte Damm am Dnipro
Berlin taz | Der Dnipro ist mit über 2.000 Kilometern nicht nur der
drittlängste Fluss Europas. Er dürfte durch seine Ausdehnung auch einer der
flächenmäßig größten Flüsse der Welt sein. Denn er ist allein auf
ukrainischen Staatsgebiet durch sechs teils gigantische Dämme zu Seen
aufgestaut.
Der Kachowka-Stausee, [1][dessen Damm Dienstagfrüh zerstört wurde], war der
südlichste und zweitgrößte. Er ist 230 Kilometer lang und bis zu 9,4
Kilometer breit. Mit 2.150 Quadratkilometern Fläche ist er fast so groß wie
das Saarland, das hierzulande gern als Vergleich genommen wird – oder rund
viermal so groß wie der Bodensee.
Der Damm wurde Anfang der 50er Jahre zu Zeiten der Sowjetunion errichtet,
vor allem um ein Wasserkraftwerk zu betreiben.
Anders als der größte See in Deutschland ist der Kachowka-Stausee nicht
besonders tief. Er misst an seiner tiefsten Stelle etwa 32 Meter. Aber
insgesamt stauten sich hinter dem Damm dennoch 18 Kubikkilometer Wasser,
die jetzt ungebremst durch das Flusstal zum Schwarzen Meer strömen.
## Tal der Hoffnung
Das Tal selbst ist zum Glück recht breit, sodass sich die Wassermassen
einigermaßen verteilen können. Bereits kurz nach dem gebrochenen Damm
weitet es sich auf 4 Kilometer. Bei der Stadt Cherson, die gut 60 Kilometer
flussabwärts liegt, ist das Tal sogar an die 6 Kilometer breit.
Die Geografie des Tals könnte die Städte am rechten Ufer des Flusses, auf
dem aktuell die ukrainischen Truppen stehen, vor allzu großen Schäden
bewahren. Denn breit und flach ist das Tal vor allem am linken Ufer, wo die
russischen Truppen die Stellungen halten. Auch Cherson liegt am rechten
Ufer leicht höher als der Flusslauf.
Betroffen sind jedoch Menschen auf beiden Seiten des Flusses. Laut
russischen Behördenangaben sind 22.000 Menschen von Überschwemmungen
bedroht. Das meldet die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA unter
Berufung auf die von Russland installierte Verwaltung in den besetzten
Teilen des ukrainischen Gebiets Cherson. Die Menschen lebten in 14
Ortschaften im Süden des Gebiets Cherson. Russland hat Cherson für
annektiert erklärt, seine Truppen haben aber nur Teile davon unter
Kontrolle.
Der ukrainischen Regierung zufolge sind bis zu 80 Ortschaften durch
Überschwemmungen infolge der Zerstörung des Kachowka-Staudammes bedroht.
Das teilte Ministerpräsident Denys Schmyhal mit.
So absurd das klingt: Der Krieg könnte dazu führen, dass weniger Menschen
bedroht sind als in Friedenszeiten. Denn der Dnipro bildet hier seit
Monaten den Frontverlauf. Viele Menschen dürften das Gebiet schon seit
langem verlassen haben.
## AKW droht Wasserknappheit
Das Atomkraftwerk Saporischschja ist nur indirekt von der Zerstörung des
Staudamms betroffen. Es liegt am oberen Ende des Sees rund 120 Kilometer
Luftlinie hinter dem nun zerstörten Staudamm. Von der Flutwelle kann es
also nicht überschwemmt werden.
Dem AKW droht statt zu viel zu wenig Wasser. Die Kühlsysteme des von
russischen Truppen besetzten Atomkraftwerks werden mit Wasser aus dem vom
Damm aufgestauten Kachowka-See versorgt. Wenn das Wasser im See sinkt,
könnte die Kühlung mittelfristig infrage gestellt sein.
Der ukrainische Kraftwerksbetreiber Energoatom erklärte, eine Zerstörung
des Damms könne negative Folgen für die Atomanlage haben. Derzeit sei die
Lage aber „kontrollierbar“. Das Becken der Kühlwasseranlage habe am Morgen
einen Füllstand von 16,6 Metern gehabt. Das reiche für die Kühlung aus. Die
Internationale Atomenergiebehörde IAEA twitterte, es gebe „kein
unmittelbares nukleares Sicherheitsrisiko in (der) Anlage“.
Schon im Herbst, als die Ukraine die Gegenoffensive in der Region Cherson
startete, hatten sich beide Seiten vorgeworfen, die Sprengung des Staudamms
zu planen. [2][Mitte Oktober hatte es Berichte gegen], dass die Russen die
Menschen in der damals noch von ihnen besetzten Stadt Cherson zur
Evakuierung aufgerufen hatten, um einer möglichen Flutwelle zu entgehen.
Eine Straße über die Staumauer war bereits im Sommer 2022 nach ukrainischem
Beschuss unpassierbar geworden.
## Staudammzerstörungen 1941 und 1943
Die Zerstörung des Staudamms hat ein historisches Vorbild. [3][1941
sprengte die Rote Armee den Damm des Saporischschja-Stausees], um die
herannahenden Truppen der nationalsozialistischen Wehrmacht am weiteren
Vordringen zu hindern.
Eine mehrere Meter hohe Flutwelle soll sich damals durch das Tal des Dnipro
ergossen haben, mehrere zehntausend Menschen kamen ums Leben, laut einigen
Quellen waren es sogar mehr als 100.000 Opfer, obwohl der
Saporischschja-See wesentlich weniger Wasser enthält als der nun betroffene
Kachowkaer Stausee.
Die Deutschen bauten den Damm wieder auf, nur um ihn 1943 erneut zu
zerstören. Diesmal, um die zurückdrängende Armee der Sowjetunion zu
bremsen.
Auch in Deutschland wurde im Laufe des Zweiten Weltkriegs ein Staudamm
zerstört – mit fatalen Folgen. [4][Im Mai 1943 bombardierte die britische
Luftwaffe den Damm des Möhnesees im Sauerland]. Eine Flutwelle rollte von
dem kleinen Fluss im Sauerland bis ins Ruhrtal und tötet zwischen 1.300 und
1.500 Menschen.
6 Jun 2023
## LINKS
[1] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5939137
[2] /Krieg-in-der-Ukraine/!5889960
[3] https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article242140009/Zweiter-W…
[4] https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/moehnesee-staumauer-bombard…
## AUTOREN
Gereon Asmuth
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