| # taz.de -- Druck auf Kyjiws Bürgermeister Klitschko: Schutzräume ohne Schlü… | |
| > Nach dem Tod dreier Menschen steht Kyjiws Bürgermeister unter Druck. | |
| > Kontrollen zeigen: Zu wenige Schutzräume sind dauerhaft geöffnet. | |
| Bild: Klitschko in Sicherheit: Der Bürgermeister von Kyjiw während des Angrif… | |
| In entschlossener Pose präsentierte sich Vitali Klitschko am Montag auf | |
| seinem Telegram-Kanal. [1][Ein Foto zeigt den Kyjiwer Bürgermeister], wie | |
| er sich laut Bildunterschrift mit den Bezirksbürgermeister:innen der | |
| Stadt über die Ergebnisse der Untersuchung von Schutzräumen austausche. | |
| „Die Bezirksvorsteher haben heute insbesondere die Anzahl problematischer | |
| Unterkünfte in jedem Bezirk einzeln hervorgehoben. Und sie haben darüber | |
| gesprochen, warum sie nicht richtig ausgestattet sind und wie sie die | |
| Mängel schnell beheben können“, schrieb Klitschko. Und: Die Anstrengungen | |
| müssten weiter verstärkt werden. | |
| Vier Tage nach dem Tod dreier Menschen, die sich bei einem russischen | |
| Luftangriff nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten, tobt noch | |
| immer eine Debatte über die Verantwortlichen. Mittlerweile ist ein Wachmann | |
| von einem Bezirksgericht zu zwei Monaten Haft verurteilt worden, weil er | |
| nach Aufheulen der Sirene nicht rechtzeitig den Bombenschutzraum der | |
| Poliklinik im Kyjiwer Bezirk Desnjanskyj öffnete. Der Klinikdirektor, sein | |
| Stellvertreter und die Vize-Bezirksbürgermeisterin bekamen nur Hausarrest. | |
| Wie das ukrainische Nachrichtenportal graty.me aus dem Gerichtssaal | |
| berichtete, beschrieb der 62-jährige Wachmann Wadym Moschkin: „Es gab | |
| Luftalarm, ich ging los, um die erste Tür zu öffnen, dann hörte ich schon | |
| Leute an der zweiten Tür klopfen. Bevor ich sie öffnen konnte, gab es eine | |
| Explosion und ich wurde durch den Raum geschleudert.“ Fünf bis acht Minuten | |
| habe das gedauert. Auf Nachfrage der Journalisten räumt er seine Schuld | |
| ein: „Ich habe es nicht geschafft, meine Pflicht zu erfüllen. Mit fehlte | |
| Zeit.“ | |
| Am 1. Juni, kurz vor zwei Uhr in der Nacht, war die ukrainische Hauptstadt | |
| von Russland aus angegriffen worden − nach ukrainischen Angaben mit | |
| Iskander-Marschflugkörpern. Diese können bis zu 900 Stundenkilometer | |
| zurücklegen, bis nach Kyjiw brauchen sie nur wenige Minuten. | |
| ## Kindermord am Kindertag | |
| Die Flugabwehr wehrte die Geschosse ab, Trümmerteile trafen Menschen vor | |
| dem noch verschlossenen Schutzraum. Zwei Frauen und ein Kind wurden | |
| getötet. In die seit Wochen durch nächtliche Luftangriffe aufgebrachte | |
| Stimmung in der Ukraine ging dieser Angriff als „russischer Kindermord zum | |
| Kindertag“ ein. Schnell wurde aber auch nach lokalen Verantwortlichen für | |
| diese Tragödie gesucht: Wer ist zuständig für die Schutzräume? Warum sind | |
| die nicht immer offen? | |
| Präsident Wolodimir Selenski, an jenem Tag in Moldau beim Treffen mit | |
| europäischen Regierungschefs, sagte auf Nachfrage von Journalisten: „Ich | |
| würde sagen, das könnte einen Knock-out geben.“ Die Aussage wurde weithin | |
| als Drohung an den ehemaligen Boxer Vitali Klitschko gewertet. Dieser | |
| wiederum begann schon am Folgetag mit persönlichen Kontrolltouren zu | |
| verschiedenen Schutzräumen der Stadt. | |
| Einsatzkräfte des Innenministeriums weiteten den Schutzraum-Check auf die | |
| gesamte Ukraine aus. Wie Minister Ihor Klymenko mitteilte, habe die | |
| Kontrolle von rund 4.800 Schutzräumen im ganzen Land ergeben, dass etwa 20 | |
| Prozent der aufgesuchten Bunker geschlossen oder ungeeignet waren. | |
| In der Hauptstadt sind sogar fast die Hälfte der überprüften | |
| Luftschutzkeller nicht einsatzbereit. „Die Situation bleibt kritisch“, | |
| schrieb der ukrainische Minister für strategische Industrien, Olexander | |
| Kamyschin, am Montag bei Telegram. Von den rund 1.850 überprüften | |
| Schutzbunkern waren seinen Angaben nach 45 Prozent entweder nicht | |
| einsatzbereit oder für die Prüfer nicht zugänglich. | |
| ## Auch private Räume brauchen Hilfe | |
| Bürgermeister Klitschko verwies auf Telegram darauf, dass die Verwaltungen | |
| der einzelnen Stadtbezirke in den vergangenen zwei Jahren rund 1,2 | |
| Milliarden Hrywna (etwa 300.000 Euro) für den Bau von Notunterkünften | |
| erhalten hätten. Laut Klitschko wird zurzeit noch geprüft, wie diese Mittel | |
| genutzt wurden. | |
| Eine Kontrolle fand am Samstag auch bei Viktoria Schapowalowa-Besbabnaja in | |
| Odessa statt. Die ehemalige Bankerin hat dort, wo sie vor dem Krieg eine | |
| neue Filiale eröffnen wollte, mit Freiwilligen einen Schutzraum | |
| eingerichtet. Am Anfang habe sie mehrere Schutzleute rund um die Uhr vor | |
| Ort gehabt, berichtet sie. Mittlerweile sind Schlüssel in der Schule | |
| gegenüber und bei einem Helfer in der Nachbarschaft hinterlegt. „Ich kann | |
| den Schutzraum nicht immer offen lassen“, sagt sie, da sonst Spenden, | |
| Feuerlöscher und andere Ausstattung gestohlen werden könnten. | |
| „Schon vor dem Vorfall in Kyjiw hieß es von der Stadt, die Schutzräume | |
| sollten 24/7 geöffnet sein“, erinnert sie sich. „Aber dann müsste auch die | |
| Stadt das Personal stellen. Kostenfrei macht das niemand, und finanzielle | |
| Unterstützung von der Stadt bekomme ich nicht.“ | |
| Auch wenn sich der Bunker in Privatgebäuden befindet, wie bei | |
| Schapowalowa-Besbabnaja: Sobald die Stadt einen Schutzraum registriert und | |
| ihn in ihre offizielle Bunkerkarte aufgenommen hat, müssen die staatlichen | |
| Behörden sie auch betreuen. „Gebt uns Leute, dann öffnen wir wieder rund um | |
| die Uhr!“, so Schapowalowa-Besbabnaja. | |
| 5 Jun 2023 | |
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| [1] https://t.me/vitaliy_klitschko/2074 | |
| ## AUTOREN | |
| Peggy Lohse | |
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