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# taz.de -- Expertin über geflüchtete Erzieher_innen: „Seit Jahren brennt e…
> Familienministerin Paus will geflüchtete Erzieher_innen besser fördern.
> Delal Atmaca von DaMigra fordert eine bessere Ansprache im Jobcenter.
Bild: Die Schule München-Odessa bietet Deutschunterrricht für Geflüchtete au…
taz: Frau Atmaca, die Bundesfamilienministerin Lisa Paus will geflüchtete
Erzieherin_innen [1][besser in den Arbeitsmarkt bringen]. Wie schätzen Sie
diese Nachricht ein?
Delal Atmaca: Es ist tatsächlich positiv, was die Anerkennung von Berufen
angeht. Aber die selektive Anerkennung von ausländischen Berufsausschlüssen
ist schade. Und die Fachverbände fragen sich natürlich: Warum erst jetzt?
Es wird seit Jahren gefordert, [2][seit Jahren brennt es schon]. Dazu kam
die Studie der Bertelsmann Stiftung letztes Jahr.
Sie meinen die Studie, die berechnet hat, dass bundesweit etwa [3][384.000
Kitaplätze] und etwa 100.000 Erzieher_innen fehlen.
Genau. Fachkräftemangel in Erziehungseinrichtungen besteht auch, weil diese
Berufe nicht attraktiv sind. Mitarbeitende sind überarbeitet, werden
schlecht bezahlt, Ressourcen fehlen. Das ist oft so in Berufen, die
feminisiert sind. Viele Geflüchtete, die bereits als Erzieher_innen
gearbeitet haben, würden natürlich gerne arbeiten. Aber es hat einen
bitteren Beigeschmack, wenn unter dem Deckmantel [4][von Integration und
Systemrelevanz Zugänge geschaffen werden], die weiterhin stereotype
Geschlechterrollen zementieren, und Betroffene immer noch an Hürden
scheitern.
Haben Sie ein Beispiel?
Das fängt dabei an, dass man immer einen Arbeitsnachweis braucht. Wenn ich
aus der Ukraine fliehe, nehme ich vielleicht meinen Personalausweis mit,
aber doch nicht meinen [5][Berufsnachweis]. Oder mein Diplom oder mein
Abiturzeugnis. Das ist eine Hürde von vielen. Oder dass neu zugewanderte
oder geflüchtete Frauen ihre Rechte oft nicht kennen, heißt,
Arbeitsagenturen müssen Informationen mehrsprachig und zugänglich zur
Verfügung stellen.
Gibt es da geschlechtsspezifische Unterschiede?
Klar. Geflüchtete Frauen haben oft keinen Zugang zu Sprachkursen, aber
verlangt werden Sprachkenntnisse. [6][Sie finden keine Kitaplätze]. Auch
bei ihnen ist das Patriarchat nicht abgebaut, die stereotype
Rollenverteilung ist auch nicht anders als in Deutschland: Es wird
verlangt, dass die Frau sich um die Kinder kümmert. Aber wenn sie in einen
Sprachkurs gehen würden, hätten sie auch mehr Möglichkeiten.
Quasi ein Teufelskreis. Auf welchem Niveau sollten Erzieher_innen Ihrer
Meinung nach denn Deutsch sprechen – ginge es im Zweifel auch ohne
Sprachkenntnisse?
Es ist sehr wichtig, dass sie Deutsch können, für das gemeinsame
Miteinander und die Verständigung. Aber es kommt auch immer darauf an: Gibt
es schon fünf Erzieher_innen in der Kita, deren Muttersprache Deutsch ist?
Dann können sie es auffangen, dass zwei geflüchtete Erzieher_innen noch
nicht gut Deutsch können. Sie lernen dann im Alltag. Und es kommt auch
darauf an, was das für eine Kita ist.
Inwiefern?
Wenn es eine [7][Sprachkita] ist, in der die Kinder türkisch-deutsch
erzogen werden, macht es vielleicht weniger aus als anderswo. Aber alles
ist Kontext. Zum Beispiel fehlen prozentual gesehen die meisten
Erzieher_innen in Mecklenburg-Vorpommern. Da stellt sich die Frage: Wollen
Geflüchtete in ländliche Regionen, in denen normalisierte rassistische
Anfeindungen sie vielleicht mehr treffen? Man muss es ganzheitlich sehen.
Die Familienministerin spricht vor allem mit der Arbeitsagentur dazu. Was
sollte Ihrer Meinung nach dort verbessert werden?
[8][Behördenmitarbeitende] sprechen die Frauen zu wenig an oder sagen zum
Beispiel: Ach, du hast im Bereich Erziehung Erfahrung – schlagen dann aber
nur einen Praktikumsplatz vor. Da fehlt Wertschätzung für Erfahrung und
Leistung. Und zeitgleich gibt es Frauen, denen jahrelange Praxiserfahrung
fehlt, die total gerne in der Kita oder der Schule ein Praktikum machen
würden, um das Praktische zu erleben. Sie müssen gezielter angesprochen
werden.
An welcher Stelle sollte das eingebracht werden?
Das kann beim Asylantrag schon gefragt werden, wenn es zum Beispiel um die
Erfahrung geht. Aber auch bei der Beratung im Jobcenter könnte das besser
angesprochen werden. Und gesamtgesellschaftlich natürlich auch: Die
Menschen, die hierher nach Deutschland gekommen sind, verfügen über
wertvolles Wissen und Fähigkeiten. Das muss Wertschätzung erfahren und
gefördert werden.
Also braucht es vor allem Schulungen beim Personal, wenn ich es richtig
verstehe?
Genau. Und wir müssen aufpassen, dass wir geflüchtete Frauen, die andere
Erfahrungen mitbringen, nicht zu Quereinsteiger_innen machen. Oft wird
übersehen, dass Frauen, zum Beispiel aus dem Iran, Irak oder afrikanischen
Ländern, beispielsweise [9][Ingenieurinnen] sind. Wenn wir sie zu
Erzieherinnen umschulen oder in Care-Berufe im Gesundheitswesen stecken,
ist das keine Gleichstellung. Der Zugang zu Weiterbildung oder zum
Arbeitsmarkt ist mit Schwierigkeiten verbunden und Barrieren müssen
abgebaut werden. Die Politik sollte Veränderung vorantreiben und die
Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteur_innen vertiefen. Nur so
wird die Theorie der Praxis gerecht.
22 Jun 2023
## LINKS
[1] https://www.zeit.de/zustimmung?url=https%3A%2F%2Fwww.zeit.de%2Fpolitik%2Fde…
[2] /Mangel-an-Kitaplaetzen/!5932579
[3] /Studie-zu-Kita-Plaetzen/!5889710
[4] /Einwanderung-von-Arbeitskraeften/!5938852
[5] /Reform-der-Fachkraefte-Einwanderung/!5924273
[6] /Mangel-an-Kitaplaetzen-in-Berlin/!5903170
[7] /Kita-Sprachunterricht-in-Gefahr/!5879649
[8] /Zahlen-zu-Antiziganismus-in-Berlin/!5921467
[9] /Chancengleichheit-an-Unis/!5934857
## AUTOREN
Nicole Opitz
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
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Kitaplätze
Arbeitsmigration
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