# taz.de -- Einreiseverbot in Georgien: Franz Kafka lässt grüßen | |
> Unser russischer Autor lebt im Exil in Georgien. Als er von einer | |
> Dienstreise zurückkam, durfte er ohne Angabe von Gründen nicht mehr ins | |
> Land. | |
Bild: Straßenszenen in Tiflis, September 2022 | |
Nur noch zwei Schritte, dann wäre ich zu Hause, bei meiner Familie. Doch | |
der Grenzer sagt: „Ihnen wird die Einreise verweigert.“ Ohne Angabe von | |
Gründen. Herzlich willkommen, nicht zu Hause, sondern in der Welt von Franz | |
Kafka. | |
Georgien ist eines der Hauptziele russischer Migranten. Nach dem 24. | |
Februar 2022 kamen überstürzt Zehntausende, die Putins Krieg nicht | |
unterstützen. Auch ich habe mit meiner Familie ein Jahr lang in Georgien | |
gelebt. Und erlebte dann für 24 Stunden so etwas wie der Protagonist im | |
Spielberg-Film „Terminal“, gespielt von Tom Hanks. Als Bürger einer | |
osteuropäischen Diktatur ist dieser gezwungen, auf einem Flughafen zu | |
leben. Er wird dort als „unerwünschtes Element“ bezeichnet. | |
Ich kam von [1][einer Dienstreise aus Berlin] zurück. Bei der Passkontrolle | |
in Tbilissi hieß es, es gäbe einen „Systemfehler“. Das Foto aus meinem Pa… | |
wurde irgendwem per WhatsApp geschickt. 23 Stunden verbrachte ich daraufhin | |
in einer Arrestzelle, um dann zu hören: „Einreise verweigert“. Immer öfter | |
können Menschen aus Russland nicht mehr nach Georgien einreisen. Vielleicht | |
möchte das Land nicht als Hort von Putin-Gegnern gelten. Vielleicht liegen | |
dort Listen des russischen Geheimdienstes aus. Oder die Regierung der | |
Kaukasusrepublik weiß schlicht nicht, wie sie mit der neuen Realität | |
umgehen soll. | |
Mir wurde gleich am Flughafen vorgeschlagen, ich solle mir doch ein | |
Flugticket „irgendwohin“ kaufen. Ich kaufte dann eins ins benachbarte | |
Armenien, um in der Nähe meiner Familie zu sein, die in Georgien blieb. Und | |
ich dachte: Wo sollen wir jetzt eigentlich neu anfangen? Meine Frau, meine | |
Tochter, die das Schuljahr in ihrer georgischen Schule beenden muss. | |
Warum ich nicht einreisen durfte? Jemand meinte, es sei vielleicht wegen | |
meines Romans „Radio Martyn“. Darin geht es um einen oppositionellen | |
Piratensender und die Giganten, die Putins Welt und seine Propaganda | |
zerstören. Eine andere Vermutung: Vor zehn Jahren war ich aktiv [2][im | |
„Koordinierungsrat der Opposition“]. Oder: Weil mein Bruder Chefredakteur | |
des oppositionellen russischen TV-Senders Doshd ist. Was immer auch die | |
Erklärung sein mag, meine Einstellung zu Georgien ändert das nicht: Ich | |
werde das Land weiter lieben. Denn ein Staat und die Menschen, die darin | |
lieben, sind zwei unterschiedliche Dinge. | |
Und die Hauptsache: Die Geschichte meines Einreiseverbotes ist nichts im | |
Vergleich zu Putins Verbrechen in der Ukraine. Ich weiß, dass der Krieg | |
irgendwann vorbei sein wird. Russland wird besetzte Gebiete zurückgeben und | |
Kompensationen zahlen, Kriegsverbrecher kommen vor Gericht. Die dunkle | |
Vergangenheit wird aufgearbeitet. Dies würde auch Georgien und anderen | |
Ländern helfen, die unter der Nachbarschaft eines kranken Staates leiden. | |
Aus dem Russischen von [3][Gaby Coldewey] | |
Finanziert wird das Projekt von der [4][taz Panter Stiftung]. | |
Ein Sammelband mit den Tagebüchern ist im Verlag [5][edition.fotoTAPETA] | |
erschienen. | |
20 Jun 2023 | |
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[1] /Russinnen-in-Georgien/!5917605 | |
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[3] /Gaby-Coldewey/!a23976/ | |
[4] /Osteuropa-Projekte/!vn5913530 | |
[5] https://www.edition-fototapeta-shop.de/ | |
## AUTOREN | |
Filipp Dzyadko | |
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