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# taz.de -- Elbjazz im Hamburger Hafen: Jetzt geht es in Richtung Kreuzfahrt
> Der Hüftschwung unterm Hafenkran: Beim Hamburger Elbjazz-Festival treffen
> sich die Best Ager, ohne dabei von zu viel Jugendlichkeit gestört zu
> werden.
Bild: Das Programm ist eine Mischung aus künstlerischer Avantgarde und veredel…
Schlangen überall. Vor der jamaikanischen, mexikanischen und uruguayischen
Fressbude stehen die Leute und warten. Vor den Oldschool-Buden mit der
Beschilderung „Wurst“ und „Burger“ auch. Überall sind sie hungrig an d…
Freitagabend, und es ist kein Versäumnis der Veranstalter, denn Fressbuden
gibt es auf dem [1][Elbjazz-Festival] wahrlich genug.
Das Problem ist: Es gibt keine kulinarische Selbstversorgung auf diesem
Festival, das es laut Veranstalter auf über 20.000 Besucher*innen
bringt. Keine Zeltstadt, in der die Leute sich mit Dosenravioli und
Einweg-Grills über Wasser halten.
Denn das Elbjazz-Festival ist ein Festival mitten in Hamburg, hier wird
nicht gezeltet, hier wird im Hotel übernachtet oder zu Hause im eigenen
Bett. Zugleich ist das Elbjazz-Festival fern jeglicher Gastronomie, denn es
findet hauptsächlich auf dem Werftgelände von Blohm und Voss statt. Das ist
ein Ort, den alle sehen, die von [2][St. Pauli] auf die Elbe blicken, den
aber niemand aus der Nähe kennt, weil die Elbe dazwischen und das
Firmengelände abgeriegelt ist.
Das Werftgelände ist vor allem eine Betonfläche, in die rostige Stahlbalken
eingelassen sind. Darauf stehen Kräne, Container, Hebebühnen, ein altes
Bürogebäude aus Backstein und eine Werkshalle, in die die ganz großen
Schiffe reinpassen.
## Riesige Discokugel schickt Lichtkreise auf Wanderschaft
Beim Elbjazz-Festival befinden sich zwischen den Kränen zwei große
Open-Air-Bühnen. Von einem Kran hängt eine riesige Discokugel und schickt
abends Lichtkreise auf Wanderschaft. Die Fressbuden umfassen einen Bereich
namens „Food Court“.
Das Elbjazz-Festival ist ein Jazz-Festival für ältere Menschen, nachmittags
ist der Durchschnitt geschätzte Ü50, gedrückt durch vereinzelt
herumlaufende Kinder, die Ü40er mitgebracht haben. Zum Abend hin kommen
jüngere Leute dazu, also Ü30. Allen gemein ist, dass sie keine Dosenravioli
essen würden, auch wenn sie welche hätten. Das Elbjazz-Publikum blickt auf
Arte- und NDR-Kultur-Werbung, es kann 6,50 Euro für ein Bier und 10 Euro
für Falafel im Brot bezahlen und hätte vermutlich Schwierigkeiten, in einer
Ravioli-Notsituation den Dosenöffner auf Anhieb richtig in Anschlag zu
bringen.
Es gibt insgesamt vier Bühnen, eine in der Werfthalle, drei open air. Was
da geboten wird, ist genremäßig dem Jazz oft entrückt und qualitativ in der
Regel weit vorne. [3][Salomea] beispielsweise macht wilden TripHop, die
Leute tanzen zwischen den Stuhlreihen. Das Duo Domi (Keyboards) und JD Beck
(Schlagzeug) bringt Breakbeat mit High Speed-Bebop zusammen. Die
Marching-Band Die Meute stellt mit leibhaftigen Bläsern und Trommlern
Techno her. Und Derya Yıldırım kombiniert anatolische Folklore mit
entspannten Funk-Grooves.
## Ab und zu gemischt mit swingendem Schlagzeug
Und ja, ab und zu macht auch jemand Jazz ohne elektronische Sounds, mit
[4][swingendem Schlagzeug] und Saxofon und Soli. Kann sein, dass das den
Traditionalisten zu wenig ist. Für alle anderen ist das Programm eine
ambitionierte Mischung aus künstlerischer Avantgarde und veredelter
Tanzbespaßung.
In seinen Anfangstagen fand das Festival verteilt über den ganzen Hafen
statt, die Leute fuhren mit Bussen und Barkassen zu den Spielorten.
Mittlerweile gibt es nur noch drei Bühnen außerhalb des Werftgeländes,
einer davon ist die Elbphilharmonie. Außerdem kooperiert das Festival nun
mit TUI-Cruises und will nächstes Jahr eine Jazz-Kreuzfahrt anbieten.
Das ist verwunderlich, denn wenn man sich das Elbjazz-Publikum anschaut,
dann traut man ihm zu, dass es Kreuzfahrten uninteressant bis verwerflich
findet und eher bei der Gegendemo als am kalten Buffet zu finden ist. Mit
dem Festival ist es also ein bisschen wie mit den Grünen: Anfangs wild,
mittlerweile arriviert und in der Gefahr, den inneren Kompass zu verlieren.
Der Hauptact war dann die Jazzkantine, die wenig aufregend die Hits
vergangener Tage auftischte. Bei der TUI-Kreuzfahrt soll sie für das
Musikprogramm sorgen. Auch eine Art, von der künstlerischen Bildfläche zu
verschwinden.
16 Jun 2023
## LINKS
[1] /Festivalmacherin-ueber-ihre-Arbeit/!5719578
[2] /Tanzen-oder-nicht-tanzen/!5925354
[3] /Vier-Bilanzen-des-Popjahres-2021/!5822496
[4] /Jazzdrummerin-Carrington-ueber-Diversitaet/!5932659
## AUTOREN
Klaus Irler
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