# taz.de -- Verhandlungen zum Plastikabkommen: Ölländer setzen auf Vetorecht | |
> Jährlich werden 430 Millionen Tonnen Plastik produziert, vieles endet in | |
> der Umwelt. Ein globales Abkommen soll das eigentlich ändern. | |
Bild: Wie aus einem Endzeitfilm: Die Plastikvermüllung findet aber nicht nur i… | |
Paris taz | Bis zum November soll der erste Entwurf für ein | |
[1][internationales Abkommen zur Eindämmung von Plastikmüll] vorliegen. | |
Damit endete am späten Freitag die zweite von fünf Verhandlungsrunden unter | |
dem Patronat der Vereinten Nationen immerhin mit einem Minimalkompromiss. | |
Fast eine Woche lang hatten in Paris rund tausend Delegierte aus 175 | |
Ländern zusammen mit zahlreichen Lobbyisten und NGOs gestritten. Den | |
beschlossenen sogenannten Zero Draft für das globale Abkommen soll das | |
internationale Sekretariat der Konferenz unter dem Vorsitz des Peruaners | |
Gustavo Medra-Cuadra für die nächste Konferenz in Kenia ausarbeiten. | |
Die Aufgabe dürfte delikat werden, denn eine kleine Gruppe von Staaten, | |
angeführt von China, Indien und Saudi-Arabien, möchte aus wirtschaftlichen | |
Interessen alles Mögliche – bloß nicht, dass künftig weniger Kunststoffe | |
aus Erdöl produziert werden. Dagegen steht die sogenannte High Ambition | |
Coalition, der alle Industriestaaten, außer den USA, und viele | |
Entwicklungsländer angehören. Sie will, dass das neue Abkommen den | |
[2][gesamten Lebenszyklus von Plastik] abdeckt – von der Produktion bis zur | |
Wiederverwertung oder Entsorgung. Außerdem soll es den Ländern klare | |
Vorgaben machen. | |
Letzteres wollen insbesondere die USA verhindern. Diese schlagen vor, dass | |
die Länder freiwillige Aktionspläne entwickeln, die das Abkommen in einen | |
internationalen Rahmen einbettet, ähnlich wie beim Pariser Klimaabkommen. | |
## Anspruch auf Vetorecht | |
Während der ersten beiden Tage war es den Gegnern eines griffigen Abkommens | |
gelungen, die inhaltlichen Diskussionen zu blockieren. Sie wollten | |
debattieren, ob Abstimmungen überhaupt möglich sein sollen. Absurderweise | |
sind sich die Länder hier nicht einig, ob diese Frage schon entschieden | |
wurde oder nicht. | |
Die Industriestaaten und einige kleinere Entwicklungsländer sind der | |
Ansicht, dass man sich auf Abstimmungen geeinigt habe, bei denen eine | |
Zweidrittel-Mehrheit der UN-Mitglieder zur Annahme ausreichen würde. Die | |
größten Schwellenländer hingegen bestreiten dies und wollen beim | |
Konsensprinzip bleiben – das ihnen letztlich ein Vetorecht gäbe. Erst | |
Dienstagnacht konnte man sich schließlich darauf einigen, dass in dieser | |
Frage keine Einigung besteht. | |
Damit konnte man sich den inhaltlichen Fragen zuwenden, die ein Bericht des | |
UN-Umweltprogramms im April noch einmal deutlich gemacht hatte: Jährlich | |
werden mehr als 430 Millionen Tonnen Plastik hergestellt. Zwei Drittel | |
davon befinden sich in kurzlebigen Produkten, die schon wenig später wieder | |
zu Müll werden, in die Ozeane gelangen und oft auch ihren Weg in die | |
menschliche Nahrungskette finden. | |
Die Industrieländerorganisation OECD geht davon aus, [3][dass sich die | |
Menge an Plastikmüll bis 2060 fast verdreifacht, wenn weitergemacht wird | |
wie bisher]. Weniger als ein Fünftel wird derzeit recycelt, weil die | |
verfügbaren Technologien meist kosten- und energieintensiv sind. Der | |
Beitrag allein schon der Plastikproduktion zu den globalen CO₂-Emissionen | |
ist höher als der von Luft- und Schiffsverkehr zusammen. | |
## Umweltverbände drängen | |
Für die Mehrheit der Länder und erst recht für die Umweltorganisationen | |
besteht deswegen ein Konsens, dass die Zeit für einen Plastikstopp drängt. | |
„Die Verhandlungen dieser Woche haben gezeigt, dass die Erdöl- und | |
Plastikproduzenten alles in ihrer Macht Stehende machen, um das Abkommen zu | |
verwässern und hinauszuzögern“, erklärte Greenpeace-Sprecherin Joëlle Hé… | |
bedauernd. In der Tageszeitung Le Monde drückte der WWF seine Hoffnung aus, | |
dass im Entwurf für die nächste Runde dann zuallermindest „Regeln (für den | |
Abbau) [4][der gefährlichsten Kunststoffe]“ genannt werden. | |
Die Vereinten Nationen haben die Verabschiedung eines Abkommens für Mitte | |
2025 geplant. | |
4 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Verhandlungen-ueber-Kunststoffentsorgung/!5934921 | |
[2] /Studie-zu-Muell-im-Ozean/!5852721 | |
[3] /OECD-warnt-vor-Plastikmuell/!5858842 | |
[4] /Schutz-vor-gefaehrlichen-Stoffen/!5847023 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
Christian Mihatsch | |
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