# taz.de -- Klimaschädliche Weinflaschen: Wein besser aus dem Tetrapak | |
> Einweg-Glasflaschen sind klimaschädlich – doch beim Wein sehr verbreitet. | |
> Welche alternativen Verpackungen es für Wein gibt und welche Hürden sie | |
> haben. | |
Bild: Berlin, Prenzlauer Berg, neben einem Müllcontainer | |
BERLIN taz | Sie sind schwarz, grün, transparent und veredeln ihren Inhalt: | |
Weinflaschen. Doch der teure Look hat einen Preis: Bei der Herstellung | |
einer 0,75-Liter-Flasche Wein entstehen im Durchschnitt 830 Gramm CO2, | |
knapp die Hälfte davon entfällt auf die Produktion der Flasche. Allerdings | |
fehle in dieser Kalkulation der Transport, sagt Helena Ponstein, Expertin | |
für [1][Emissionsbilanzierung] in der Weinwirtschaft, „je nach Verkaufsort | |
und Transportweg kann sich dieser Wert also deutlich erhöhen“. | |
Den Angaben der Verbraucherzentralen von Hessen und Bayern zufolge sind | |
Glasflaschen einerseits zerbrechlich und schwer, sodass der Transport mit | |
hohem Energieaufwand verbunden ist. Dabei entsteht Mikroplastik durch einen | |
höheren Autoreifen-Abtrieb. Das Einschmelzen von Glas benötigt hohe | |
Temperaturen und ist deshalb sehr energieintensiv, sowohl für die | |
Herstellung neuer Flaschen als auch für das Recycling. Außerdem werden für | |
die Produktion von neuem Glas wichtige Rohstoffe wie Quarzsand, Kalk, Soda | |
und Pottasche benötigt. | |
## Sammelstruktur fehlt | |
Ponstein fordert deshalb ein [2][Mehrwegsystem] für Weinflaschen. In einer | |
Studie untersuchte sie, wie sich die CO2-Emissionen durch ein Pfandsystem | |
verändern würden. Damit könnte „ungefähr ein Drittel der CO2-Emissionen | |
eingespart werden“, so die Expertin. Dabei sei dieses Ergebnis konservativ | |
berechnet. „Wir gingen von einem Szenario aus, in welchem die Weinflasche | |
nur 5-mal wiederverwendet wird“, erklärt Ponstein. Da etwa Wasserflaschen | |
bis zu 50-mal wieder benutzt werden, gebe es aber deutlich mehr Potenzial. | |
„Wir wollten bloß nicht allzu weit abweichen von einer realistischen Option | |
in Anbetracht der heute sehr eingeschränkten Möglichkeiten.“ | |
Bislang gibt es allerdings keine Infrastruktur für die Sammlung und | |
Wiederverwendung. Während für Bierflaschen, Biermischgetränke, Softdrinks | |
und Mineralwasser seit 20 Jahren ein Einwegpfand gilt, sind Weinflaschen | |
hiervon ausgenommen. Sie landen in der Regel nach dem Leeren im | |
Glascontainer. „Im Vergleich zum Verband Deutscher Mineralbrunnen gibt es | |
für Winzer kein flächendeckendes System, das Flaschen spült“, erklärt | |
Ponstein. So gebe es vereinzelt Spülanlagen in Weinbauregionen, doch dies | |
sei nur ein Bruchteil, sagt sie. | |
Allerdings ist Mehrweg für Wein nicht die einzige Alternative: Es gibt | |
Optionen wie sogenannte Bag-in-Boxen. Das ist eine lose Kombination mit | |
einem Innenleben aus einem Folienverbundmaterial mit Aluminium oder | |
Kunststoff und einer Umverpackung aus Karton. Sogar PET-Flaschen gibt es | |
seit dem 1. Januar 2021 für Wein ebenso wie für Sekt, Frucht- und | |
Gemüsesäfte. | |
## Schweden ist Vorreiter | |
„Wenn man nur die Perspektive der Treibhausgasemissionen betrachtet und | |
alles andere ausblendet, ist der Getränkekarton heute das bessere | |
Verpackungsmaterial“, erklärt Ponstein. Für Weine, die schnell getrunken | |
werden – dies sei die Mehrzahl der Weine –, sei die Bag-in-Box daher keine | |
schlechte Lösung. Außerdem könnten die Kartons gut recycelt werden, weil | |
Pappe und Innenleben nur lose verbunden sind, anders etwa als bei | |
Tetrapaks. Schweden ist in dieser Hinsicht Vorreiter: Dort gehen „fast die | |
Hälfte der Weine in Bag-in-Box über den Tresen“. | |
Bei Plastik bestünde allerdings das Problem, dass das Getränk auf Dauer | |
weniger genießbar ist. Glasflaschen hingegen seien inert, sie können keine | |
Stoffe an die Weine und andere Lebensmittel abgeben. | |
Darüber hinaus sieht Ponstein ein Imageproblem: „Es ist wichtig, dass der | |
Verbraucher versteht, dass auch hochwertige Weine in sehr leichten Flaschen | |
daherkommen können“, sagt sie. So hätten Verbraucher:innen gelernt, | |
dass besonders gute Weine in schweren Flaschen verpackt seien. Dies sei | |
aber nicht notwendig, erklärt die Expertin. | |
## Mehr Bewusstsein nötig | |
„Das ist ein Problem, wenn auf ressourcenschonende Verpackungen umgestellt | |
werden soll. Auch den Umstieg auf eine Leichtglasflasche hemmt diese | |
Ansicht, obwohl das über 10 Prozent der Emissionen einsparen würde. Da | |
besteht die Aufgabe, das besser zu kommunizieren.“ | |
Dass es mehr Bewusstsein seitens der Verbraucher:innen benötigt, findet | |
auch Frank Schulz vom [3][Deutschen Weininstitut]. „Winzer sind sich der | |
Problematik durchaus bewusst, und es ist auch in ihrem eigenen Interesse, | |
kosten- und energiebewusst zu handeln“, sagt er. Anstelle einer | |
Einwegglasflasche sieht er Bag-in-Boxen oder PET-Flaschen aus Kunststoff | |
als alternative Lösung. Dass sie bei den Konsument:innen gut ankommen, | |
bezweifelt er allerdings. „Wollen Endverbraucher in einem besonderen | |
Moment, wenn sie feiern, ihren Wein aus einem Karton serviert bekommen?“ | |
Was das Konsumverhalten angehe, mache er „durchaus ein großes | |
Fragezeichen“. | |
Die Option von Mehrwegglasflaschen hält Schulz nicht für realistisch. Die | |
Weinbranche sei viel kleinteiliger als andere Getränkebranchen, erklärt er. | |
„Bei Wasser zum Beispiel haben sich Mineralbrunnen vor Jahren auf einen | |
gemeinsamen Flaschenstandard geeinigt.“ Gemeint sind standardisierte Kästen | |
sowie gepunktete Glasflaschen. „Das war eine ziemlich kluge und wegweisende | |
Entscheidung, die über mehrere Jahre gut funktioniert hat. Das klappt aber | |
nur, wenn der Handel mitspielt.“ | |
## Weinkonsum neu denken | |
Ein ähnliches Modell habe es in den 50er bis 70er Jahren auch in der | |
Weinbranche gegeben. Damals sei die grüne Ein-Liter-Flasche weit verbreitet | |
gewesen. Diese war einfach in der Wiederverwendung und wurde von | |
Winzer:innen an die Kund:innen ausgeliefert und nach dem Konsum wieder | |
eingesammelt. Heute funktioniere das nicht mehr, da sich die | |
Gesamtsituation „hinsichtlich der Vertriebskanäle völlig verändert“ habe. | |
So liefere der Winzer nur noch zehn Prozent des Weins selbst aus. Dabei | |
findet das Massengeschäft, das Auswirkungen auf die Umwelt hat, im Handel | |
statt. Ein Mehrwegsystem hält er aufgrund der vielen unterschiedlichen | |
Weinflaschensorten für „schwierig umzusetzen“. | |
Schulz sieht vor allem die Konsument:innen in der Verantwortung. Diese | |
könnten „durch ihr Bewusstsein Veränderungsprozesse aktiv mitgestalten“, | |
sagt er. Die Weinbranche werde sukzessive umstellen, wenn | |
Konsument:innen beispielsweise nach Bag-in-Boxen fragen würden: „Wenn | |
also das Bewusstsein da ist, wird sich auch beim Wein | |
zwangsnotwendigerweise etwas ändern.“ | |
5 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /CO2-Emissionen-im-Verkehr/!5918724 | |
[2] /20-Jahre-Einwegpfand/!5905822 | |
[3] https://www.deutscheweine.de/ | |
## AUTOREN | |
Shoko Bethke | |
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