| # taz.de -- Abfall in Nigeria: Das Müllgeschäft in der Megacity | |
| > Lagos ist Afrikas größte Stadt, es gibt Unmengen von Müll, aber keine | |
| > funktionierende Müllabfuhr. Daraus ist ein blühendes Geschäft geworden. | |
| Bild: Auf dem Wertstoffhof von Mariam Abass wird das Plastik noch per Hand getr… | |
| Lagos taz | Heute sind die riesigen Säcke mit kleinen Plastik- und | |
| Papierstreifen an der Reihe. Auf einem Hinterhof im Norden von Lagos stehen | |
| sie unter einem Wellblechdach, damit sie beim nächsten Regen nicht nass | |
| werden. Johnson Eke überprüft, dass beide recycelbaren Stoffe in | |
| verschiedenen Säcken gelandet sind. Er trägt eine schwarze Basecap, Jeans | |
| und T-Shirt. Dass er Müllsammler ist, sieht man ihm nicht an. „Wir sind ein | |
| wichtiger Teil der Gesellschaft, tragen zum Umweltschutz bei und sorgen | |
| dafür, dass Lagos heute aufgeräumter ist“, sagt er selbstbewusst. | |
| Täglich holen Müllsammler*innen in der Megacity mit 20 Millionen | |
| Einwohnern Plastik aus Gräben, bitten in Privathaushalten um Altpapier und | |
| kaufen kleinen Unternehmen Abfälle ab. Wie viele es sind, weiß niemand | |
| genau. Die Vereinigung der Müllsammler im Bundesstaat Lagos (ASWOL), die | |
| ihren Sitz auf diesem Hinterhof hat, zählt 3.700 Mitglieder. Vor zwei | |
| Jahren sagte der Gouverneur von Lagos, Babajide Sanwo-Olu, der soeben | |
| wiedergewählt worden ist, die staatliche Abfallbehörde Lawma habe im | |
| Bundesstaat Lagos 30.000 Arbeitsplätze geschaffen. | |
| Riesige Mengen fallen täglich an: 12 bis 15 Tonnen, lauten Schätzungen. | |
| Etwa ein Sechstel davon ist Plastikmüll. Müll ist bis heute in Lagos | |
| überall. Im öffentlichen Raum gibt es bis heute kaum Abfalleimer und schon | |
| gar keine regelmäßige Müllabfuhr. | |
| Während in wohlhabenden Gegenden vor allem PET-Wasserflaschen anfallen, | |
| sind es in dicht besiedelten, ärmlichen Stadtteilen vor allem | |
| Softdrink-Flaschen sowie verschiedene Arten von Tüte. Die durchsichtigen | |
| festen sind für Trinkwasser – „Pure Water“ ist der Ruf der | |
| Straßenverkäufer, die damit durch die staugeplagten Straßen ziehen. In die | |
| hauchdünnen schwarzen Plastikbeutel – „Nylon“ genannt – kommt alles vom | |
| fertigen Essen bis hin zu Markteinkäufen. Und es gibt immer mehr | |
| Styroporboxen. | |
| Auf die Frage, ob Müll schlichtweg besser vermieden werden könnte, | |
| schmunzelt Adeleye Odebunmi. „Ich war vor einiger Zeit in Großbritannien | |
| und sollte in einem Supermarkt Geld für eine Plastiktüte zahlen. Es hieß, | |
| so wolle man zusätzlichen Müll vermeiden. Ein solches System würde in | |
| Nigeria aber nicht funktionieren“, sagt der Gründer von Pakam. | |
| ## Müllsammeln per App | |
| Sein Unternehmen bringt per App Müllsammler*innen, Privathaushalte und | |
| Unternehmen zusammen. Per Klick lässt sich auswählen, wann und wo | |
| Plastikmüll abgeholt werden soll. So lassen sich Fahrten planen, und | |
| Verbraucher*innen haben die Sicherheit, dass eine zuverlässige Person | |
| die Abfälle abholt und kein Dieb. Auch die Bezahlung läuft virtuell. Wer | |
| Recycelbares abgibt, erhält dafür Geld. | |
| „Zuvor stand eher der soziale Aspekt im Vordergrund. Die wenigen | |
| Unternehmen taten so, als ob sie den Menschen einen Gefallen tun würden“, | |
| so Odebunmi. Heute ist klar: Mit Müll lassen sich in Nigeria und vor allem | |
| in der Megametropole Lagos Millionen verdienen. | |
| Manche Müllsammler*innen verdienen umgerechnet über 500 Euro im Monat. | |
| Das ist weit mehr, als Putzfrauen oder Fahrer bekommen, und es wertet den | |
| Job extrem auf, sagt Johnson Eke, der früher Ventilatoren und Kühlschränke | |
| repariert hat. | |
| [1][In den vergangenen Monaten hat jedoch die Bargeldknappheit] durch die | |
| misslungene Ausgabe neuer Naira-Geldscheine auch diesen Geschäftszweig | |
| ausgebremst. „Es liegt am Boden“, sagt Mariam Abass. Vor gut einem Jahr hat | |
| sie eine Sammelstelle für wiederverwertbaren Müll eröffnet. Zuvor war sie | |
| Hausfrau. | |
| Doch nach dem Tod ihres Mannes musste sie einen Job finden. Heute kauft sie | |
| Firmen Plastiktüten ab, lässt sie hier auswaschen und verkauft sie dann an | |
| Recyclingbetriebe. Gerade bei kleinen Mengen sind die Gewinne marginal, da | |
| der Transport oft teuer ist. Auch fehlt es an einer Müllpresse. Die Tüten | |
| werden noch per Hand gewaschen, und manchmal müssen sie auch | |
| auseinandergeschnitten werden. Dafür sind an diesem Morgen drei | |
| Mitarbeiterinnen zuständig. | |
| Mariam Abass ist zuversichtlich: Müll ist ein gutes Geschäft. „Die | |
| Notwendigkeit zum Recycling ist auf jeden Fall da.“ | |
| 23 Mar 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katrin Gänsler | |
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