# taz.de -- Bargeldmangel in Nigeria: „Wir müssen Geld jetzt kaufen“ | |
> Eine missglückte Währungsreform in Nigeria, wo am Samstag gewählt wird, | |
> hat das Land in eine Krise gestürzt. Es gibt kaum noch Bargeld. | |
Bild: Kunden warten seit Stunden vor einer Bank in Lagos, in der Hoffnung, etwa… | |
Lagos taz | Blessing Kayode bettelt regelrecht, nachdem er seinen grauen | |
Toyota zum Halten gebracht hat. „Ich will nur essen. Kannst du mir | |
wenigstens etwas geben? Vielleicht 1.000 Naira oder 500?“ Kayode fährt Taxi | |
für das Unternehmen Bolt, das in Nigeria bekannter ist als Uber. An diesem | |
Tag haben alle seine Kund*innen in der Megacity Lagos per Kreditkarte | |
bezahlt. Doch wann das Geld auf sein Konto überwiesen wird und er Zugriff | |
hat, weiß er nicht. „Das ist schon wieder ein Kartentrip“, sagt er, „ich | |
brauche Bargeld. Ich habe noch nichts gegessen und bin ein alter Mann.“ | |
In [1][Nigeria, wo am Wochenende ein neuer Präsident gewählt wird], gibt es | |
seit Wochen kein Bargeld mehr. Grund dafür ist [2][der missglückte | |
sogenannte Naira Swap]. Präsident Muhammadu Buhari hatte vergangenes Jahr | |
entschieden, neue Naira-Scheine einzuführen. Binnen sechs Wochen sollte die | |
Umstellung erledigt sein in dem Land, das bis heute eine Bargeldökonomie | |
ist und in dem nicht einmal jede*r zweite Erwachsene ein Konto hat. Die | |
wenigen neuen Naira-Scheine, die im Umlauf sind, sind hart umkämpft. Vor | |
den Banken bilden sich schon morgens lange Schlangen. | |
6.30 Uhr vor einer Bankfiliale im Stadtviertel Ikoyi: „Ich bin Nummer 15“, | |
sagt eine schmale Frau und stützt sich auf einen Besen. Eigentlich müsste | |
sie arbeiten, doch zwischen Fegen und Schrubben versucht die Putzfrau, | |
zumindest etwas Geld zu bekommen. „2.000 Naira würden schon helfen“, sagt | |
sie. Das sind nicht einmal 4 Euro. Vor den unzähligen Bankautomaten wartet | |
niemand mehr. Geld gibt es höchstens in den Filialen. | |
Noch sind viele Wartende einigermaßen ruhig und organisieren die | |
Reihenfolge in der Schlange selbst. „Bist du nach der korpulenten Frau | |
angekommen?“ „Ja.“ „Dann hast du Nummer 30.“ Eine gute halbe Stunde s… | |
kommt schließlich ein Mitarbeiter heraus. „Seid geduldig und ruhig. Wir | |
fangen heute mit 10.000 Naira an.“ Ein erleichtertes Raunen geht durch die | |
Schlange, die mittlerweile bei Nummer 50 angekommen ist. | |
Gerade die arme Bevölkerung – in Nigeria sind das 133 Millionen Menschen – | |
leidet. In den Großstädten lassen sich zwar schnell Jobs als Putzfrau oder | |
Fahrer finden. Doch der Lohn reicht kaum zum Überleben. Reserven hat | |
niemand, und wer mehrere Tage keinen Zugang zu Geld hat, kann kein Essen | |
mehr kaufen. Die ganz arme Bevölkerung hat nicht einmal mehr Geld für | |
Trinkwasser. | |
## Anspannung vor der Wahl | |
Am Nachmittag an der Awolowo Street in Ikoyi. An der Geschäftsstraße liegen | |
Dutzende Banken. Vor den Eingängen haben sich Menschentrauben gebildet, die | |
Stimmung ist gereizt. Nur wenn jemand die Geschäftsräume verlässt, wird | |
wieder eine Person hineingelassen. Die Wut ist so groß, dass Wartende den | |
Vorraum einer Bank stürmen. Die Frau des Sicherheitsdienstes ist machtlos | |
und verlässt den Raum sofort. Fünf junge Männer drücken sich gegen die | |
Trennscheibe, klopfen und drohen, erst zu gehen, wenn sie Geld bekommen. | |
Andere in Lagos nutzen einen POS, Point of Services. Händler*innen am | |
Straßenrand balancieren kleine Kartenlesegeräte auf ihren Knien. Hier ist | |
es möglich, Rechnungen zu bezahlen oder Geld per Karte zu holen. Die Gebühr | |
lag früher bei ein oder zwei Prozent. Heute wird deutlich mehr verlangt, | |
obwohl die Zentralbank das untersagt hat. Doch vielen bleibt keine Wahl. | |
„Wir müssen jetzt unser Geld kaufen“, lacht ein Mann im schwarzen Hemd, | |
„das ist Nigeria.“ | |
In der Awolowo Street ruft eine Frau in die Menge: „Wie soll das in den | |
nächsten Tagen gehen? [3][Es sind Wahlen], wir brauchen Geld.“ In Nigeria | |
ist an Wahltagen alles geschlossen und das Haus darf nur verlassen, wer | |
wählen geht. Da der Ausgang so ungewiss ist wie nie zuvor, ist die | |
Anspannung groß. Wer kann, legt sich Vorräte an. | |
25 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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