# taz.de -- Staatssekretär Graichen entlassen: Und nun? | |
> Habeck opfert seinen wichtigsten Staatssekretär. Nach der | |
> „Trauzeugen-Affäre“ war Patrick Graichen angeschlagen und muss nach neuen | |
> Verstößen gehen. | |
Bild: Sorgenvolle Gesichter schon am 10. Mai: Graichen und Habeck im Bundeswirt… | |
BERLIN taz | „Es ist der eine Fehler zu viel“, sagt | |
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Mittwochvormittag sichtlich | |
angefasst. Staatssekretär Patrick Graichen, den Habeck bis zuletzt | |
verteidigt hatte, wird in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Graichen | |
gilt als Architekt der Energiewende und war der strategische Kopf des | |
umkämpften Wärmewendegesetzes, das der Bundestag noch vor der Sommerpause | |
verabschieden soll. Nicht nur die Affäre und der Rauswurf selbst ist ein | |
Problem für Habeck, auch der Zeitpunkt scheint ungünstig. | |
Graichen hatte am Auswahlverfahren des neuen Chefs der Deutschen Energie | |
Agentur (Dena) teilgenommen – obwohl einer der Bewerber sein Trauzeuge | |
gewesen war. Als das öffentlich wurde, hat der neue Dena-Chef sein Amt erst | |
gar nicht angetreten. | |
Habecks Ministerium versuchte [1][den Schaden] zunächst zu begrenzen. Es | |
veröffentlichte alle Auftragsvergaben an Institutionen, mit denen Graichen | |
beruflich oder familiär verbandelt ist: Agora Energiewende, deren Chef | |
Graichen war, das Ökoinstitut, wo seine Schwester und sein Bruder arbeiten, | |
und der BUND, wo seine Schwester Vize-Chefin ist. Das Ergebnis: Die | |
Aufträge haben nicht zugenommen, seit die Grünen im Wirtschaftsministerium | |
den Takt angeben. Doch all das war zu wenig, um die Empörungslawine zu | |
stoppen. Auch Graichens Entschuldigung kam reichlich spät. Die Opposition | |
wetterte munter gegen die „grünen Clanstrukturen“. | |
Den Ausschlag für den Rauswurf gab laut Habeck jetzt die Prüfung von zwei | |
Vorgängen. Der Staatssekretär hat die Vorstufe für eine Förderung über | |
600.000 Euro für den Berliner Landesverband des BUND durchgewunken – dort | |
ist seine Schwester im Landesvorstand. Das sei, so Habeck, ein Verstoß | |
gegen [2][die Compliance-Regeln]. Einen ähnlichen Verdacht gebe es bei der | |
Besetzung einer Expertenkommission. Die Fehler, so Habeck, „sind | |
unterschiedlich gravierend. Aber sie stehen nicht allein.“ Graichen habe | |
sich damit „zu angreifbar gemacht“, um sein Amt noch effektiv ausüben zu | |
können. | |
## Der Schaden ist nicht zu übersehen | |
Habeck lobte seinen Staatssekretär nochmals in höchsten Tönen. Graichen sei | |
es zu verdanken, dass es im Winter keine Gasmangellage und keine | |
Wirtschaftskrise gegeben habe, zudem habe er wie kein anderer die | |
Energiewende vorangetrieben. Außerdem kritisierte der Minister erneut die | |
treibjagdartige Debatte um Graichen, die auch von russischen Trollfabriken | |
und Rechtsextremen befeuert werde. | |
Und nun? Habeck braucht schnell Ersatz – schon wegen des zentral wichtigen | |
Wärmewendegesetzes. Am Ende der Pressekonferenz versuchte Habeck noch einen | |
kleinen Scherz zu machen. „Ich würde meinen Trauzeugen nicht als neuen | |
Staatssekretär berufen“, so der grüne Minister, dessen Popularität in der | |
Affäre schwer gelitten hat. | |
Mag sein, dass Graichens Abgang auch eine Chance bietet. Denn der | |
Staatssekretär war auch für die Gasumlage verantwortlich, die nach viel | |
Kritik im letzten Herbst einkassiert wurde – und auch für die miserabel | |
kommunizierte Wärmewende samt Austauschverbot für Gas- und Ölheizungen. | |
Der Schaden ist allerdings unübersehbar da. Habecks Krisenmanagement war | |
nicht optimal – zu spät, zu wenig. Vor allem aber hat das dichte | |
Beziehungsgeflecht in Ministerium und Umfeld und die laxe Handhabung der | |
Compliance-Regeln schwere Einkerbungen im grünen Image hinterlassen. Die | |
Grünen sehen sich gern als selbstloser Sachwalter übergeordneter Interessen | |
und höherer Moral. In der Öffentlichkeit steht dieses Image nun infrage. | |
17 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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