| # taz.de -- SBTRKT veröffentlicht ein neues Album: Eine Pop-Oper im Miniaturfo… | |
| > Jahrelang was es ruhig und öde um den Künstler SBTRKT. Auf den 22 Tracks | |
| > von „The Rat Road“ zeigt er, was ihn von anderen Produzenten | |
| > unterscheidet. | |
| Bild: Künstler SBTRKT, jetzt ohne Maske | |
| Als der Londoner Künstler SBTRKT Anfang der zehner Jahre aufs Tableau kam, | |
| schien die Welt langsam wieder ins Lot zu finden: Die unruhigen nuller | |
| Jahre mit ihrem Al-Qaida-Terror, Kriegen im Irak und in Afghanistan und der | |
| globalen Finanzkrise schienen halbwegs überstanden. | |
| Jetzt konnte ein neues Jahrzehnt beginnen, das sich vor allem durch eine | |
| neue Welle von Künstler*innen ankündigte: Selbstsichere Millennials, die | |
| zwischen dem Ästhetizismus der Generation X und der drängenden | |
| Identitätspolitisierung einen aufregenden Weg fanden, um durch den | |
| Dschungel der Einflüsse zu schlüpfen – oder ihn mit viel Trockeneisnebel | |
| sogar noch blickdichter zu gestalten. | |
| Musikalisch äußerte sich das unter anderem in der New British Wave des | |
| Post-Dubstep, einem Genrebegriff, der alles zusammenführte, [1][was | |
| irgendwie von Dubstep (sehr prominent dabei der Londoner Burial) | |
| beeinflusst war, aber neue Wege auftat]. | |
| Da gab es die Tanzflächen-Fraktion, die vom Label Hessle Audio in Bristol | |
| angeführt wurde, und die Popecke, die sich etwas durchlässiger zeigte: | |
| [2][Das Londoner Duo Mount Kimbie] spielte zwischen Dancefloor und Charts, | |
| James Blake dirigierte vom Klavier aus ganze Orchester – und dann war da | |
| [3][die Musik von SBTRKT]. | |
| ## Gesang von Leilah und Sampha | |
| Wenn man heute in sein feines Kaugummi-Zeitlupen-Duett „Limitless“ | |
| reinhört, kann man erahnen, was den britischen Produzenten aus der Masse | |
| herausstechen lässt: Instrumentals, die aufschäumende Emotionen mit klaren | |
| Beat-strukturen verbinden, dabei genügend Platz für die | |
| Gastsänger*innen zum Glänzen und Scheinen lassen. Anno 2023 ist Platz | |
| für den Gesang von Leilah und Sampha. | |
| Der zärtlichen D’Angelo-Stimme des sanft dreinblickenden Sampha hatte | |
| SBTRKT 2011 erstmalig eine Bühne geboten und damit dessen Solisten-Karriere | |
| enormen Vorschub geleistet. Er selbst blieb lieber hinter einer Maske | |
| verborgen. So was war damals noch möglich: Afrikanische Masken zu | |
| verwenden, ohne dass Cultural-Appropiation-Vorwürfe gemacht wurden. | |
| So blieb SBTRKT mehr Zeit, um an seinen Songs zu knobeln: Sommerhits und | |
| Ohrwürmer voller House, R&B und knurrige Bass-Synths. [4][SBTRKT schuf | |
| körperwarme Musik, dabei auch noch mit dem Versprechen eines | |
| zukunftsträchtigen Jahrzehnts in den Startlöchern]. | |
| Leider haben sich die Schwüre der neuen Klangwelt der zehner Jahre nicht | |
| ganz so eingelöst wie erhofft. Es folgten öde Jahre zwischen 2014 und 2017. | |
| Und um den kenianisch-indischen Schotten Aaron Jerome, wie SBTRKT | |
| bürgerlich heißt, wurde es in der Folge stiller. Zwar werkelte er als | |
| Ghostwriter an der Musik berühmterer Künstler*innen und remixte sie – | |
| wie etwa Radiohead –, seit seinem Album „Save Yourself“ (2016) blieb er | |
| jedoch auf Tauchstation. | |
| ## Mal Samplelastiger Hyperpop, dann klarer R&B-Popsound | |
| Mit „The Rat Road“ haut er jetzt ein Album mit 22 Tracks raus und erzählt, | |
| dass es eine „Vorauswahl“ von 400 Songs gab. Man fühlt sich an das | |
| US-Enigma Frank Ocean erinnert. Der Einfluss von Oceans Alben „Channel | |
| Orange“ und „Blond“ ist bei SBTRKT deutlich. Auf dem Album finden sich | |
| einige der besten, durchdachtesten, facettenreichsten Produktionen des | |
| Schotten wieder. So etwa „Don’t Let“, das sich in drei Minuten zu maximal… | |
| Höhen aufschwingt, Schicht um Schicht aufträgt und voll komprimiert | |
| überwältigt, um dann in einer sanften Stimmung aufzugehen: eine Pop-Oper im | |
| Miniaturformat. | |
| Etliche, oft sekundenkurze Klangvignetten, geben dem Songmaterial den | |
| Charme eines Skizzen-Mixtapes. Einerseits roh, dann wiederum über Skits ist | |
| alles zu einer großen Erzählung gestrickt. Dass dabei Brüche unumgänglich | |
| sind, zeigt „No Intention“, das auf „Don’t Let“ folgt. Ästhetisch pa… | |
| nicht zusammen: Links der samplelastige Hyperpop, rechts dann ein exakter | |
| und klarer R&B-Popsound mit der Stimme, der bis dato kaum in Erscheinung | |
| getretenen Leilah. | |
| Wer kann, der sollte diese Erosionen in einem Künstleralbum mitgehen und | |
| das hybride Werk mit zehn Gästen und hunderten Ideen konzentriert hören. | |
| Auch wenn „The Rat Road“ hie und da unter seiner Volatilität und | |
| Sprunghaftigkeit leidet, einige der Songs gehören zum Besten, was in | |
| Großbritannien abseits des Jazz-Hypes produziert wurde, seit Post-Dubstep | |
| 2013 langsam verschwand. | |
| 16 May 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Lebenszeichen-von-Londoner-Burial/!5832021 | |
| [2] /Neues-Album-von-Mount-Kimbie/!5896225 | |
| [3] /Postdubstep-aus-London/!5032434 | |
| [4] /Der-Brite-SBTRKT-stimmt-mild/!5113022 | |
| ## AUTOREN | |
| Lars Fleischmann | |
| ## TAGS | |
| R&B | |
| Musik | |
| Neues Album | |
| Neues Album | |
| Album | |
| Popmusik | |
| Dubstep | |
| Inklusion | |
| Feine Sahne Fischfilet | |
| Antisemitismus-Vorwurf | |
| Dancefloor | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Inklusion in der Musik: Zahnpasta ist gut für die Latrine | |
| Nico Deuster war als DJ für 18 Uhr gebucht. Eigentlich eine schlechte Zeit | |
| zum Auflegen – aber es kam anders und die Folgen begleiten ihn bis heute. | |
| Neues Album von Feine Sahne Fischfilet: Das Leben ist kein Binnenmeer | |
| Die linke Punkband aus Meck-Pomm versucht mit dem Album „Alles glänzt“ nach | |
| einem Übergriffsvorwurf die Wogen zu glätten. | |
| Roger Waters im Konzert: Putins britischer Nachtwolf | |
| Der kontroverse Rockstar Roger Waters startet in Hamburg seine Tournee. Mit | |
| dabei ist ein fliegendes Schwein und die übliche Holocaustrelativierung. | |
| Dance-Duo Kinzua: Pfeifen im Ohr nach der Clubnacht | |
| Musikalisch schwer zu kategorisieren und doch auf dem Dancefloor zuhause: | |
| Das Berlin-Leipziger Duo Kinzua und sein Album „None of the Above“. |