# taz.de -- Spaniens Regierung zieht Wahlen vor: Mieses Ergebnis für Sánchez | |
> Spaniens linker Ministerpräsident Sánchez hat Neuwahlen angekündigt. | |
> Zuvor räumten rechte Parteien bei den Kommunal- und Regionalwahlen ab. | |
Bild: Schlechte Laune in Madrid: Die sozialistische Partei von Sánchez musste … | |
Madrid taz | Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Pedro Sánchez hat | |
vorgezogene Neuwahlen angekündigt. Statt im Winter sollen die | |
Parlamentswahlen am 23. Juli dieses Jahres stattfinden, erklärte er am | |
Montag. „Es ist notwendig, dass die Spanier klarstellen, welche Politik | |
gemacht werden soll und welche Kräfte diese Politik umsetzen sollen.“ Es | |
sei die beste Option, wenn die Spanier selbst das Wort ergriffen, um den | |
politischen Kurs des Landes festzulegen, so Sánchez, der mit einer | |
Linkskoalition in Minderheit reagiert. | |
Mit seiner Entscheidung reagiert er auf das verheerende Ergebnis der | |
Kommunal- und Regionalwahlen am Sonntag. Die [1][rechte Partido Popular | |
(PP)] hat bei diesen stark zugelegt. Im Bündnis mit der rechtsextremen VOX | |
werden die Konservativen die Regierung in mehreren Regionen und in vielen | |
großen Städten des Landes, die bisher von Linkskoalitionen regiert wurden, | |
übernehmen. Knapp 64 Prozent der rund 35,5 Millionen Wahlberechtigten | |
fanden den Weg an die Urnen. | |
Die sozialistische PSOE von Sánchez muss schmerzhafte Verluste hinnehmen. | |
So fällt die Region Valencia nach acht Jahren wieder zurück an die PP, die | |
einst aus der Mittelmeerregion die korrupteste Gegend Spaniens gemacht | |
hatte. Extremadura, eine der Hochburgen der Sozialisten, wird künftig von | |
einer rechten Koalition regiert werden. Auch in der Hauptstadt Madrid | |
erzielte die PP die absolute Mehrheit. | |
Der PP unter Parteichef Alberto Nuñez Feijóo ist es gelungen, aus dem | |
Urnengang eine Art Referendum über den „Sánchismus“ zu machen. Sie warfen | |
dem Ministerpräsidenten immer wieder vor, das Land „an die Feinde Spaniens | |
zu verkaufen“. Gemeint ist damit auch die Unterstützung der | |
Minderheitsregierung Sánchez durch katalanische und baskische Parteien. | |
## Vorwurf der PP: Sánchez arbeite mit „Terroristen“ | |
So bestimmten die kommunalen Kandidaturen der baskischen Linksnationalisten | |
EH Bildu, die Sánchez bei mehreren Sozialmaßnahmen im spanischen Parlament | |
unterstützten, die Debatte. In mehreren Gemeinden befanden sich auf deren | |
Listen ehemalige Kämpfer der [2][2018 endgültig aufgelösten | |
Separatistenorganisation ETA]. „Sánchez arbeitet mit Terroristen“, so das | |
Motto der PP. | |
Den Sozialisten gelang es nicht, ihre Themen in die Wahlkampfdebatten | |
einzubringen. Dabei hätten sie einiges vorzuweisen gehabt: Die | |
Linkskoalition hat während der Covidpandemie und der Ukrainekrise den | |
Sozialstaat ausgebaut wie nie zuvor. Mindestlohn und Renten wurden | |
angehoben, der Kündigungsschutz erweitert, ein Mieterschutz sowie | |
Krisenhilfen für Selbständige und Kurzarbeitsprogramme eingeführt. | |
Dank einer gezielten Energiepolitik, stiegen die Strompreise weniger als im | |
restlichen Europa. Während Länder wie Deutschland in die Rezession | |
rutschen, wächst Spaniens Wirtschaft stetig. | |
Die PP profitierte vor allem vom Untergang der rechtsliberalen Ciudadanos. | |
Diese flog in hohem Bogen aus sämtlichen Regionalparlamenten und fast allen | |
Gemeinde- und Stadträten. Ihre Stimmen gingen zum Großteil an die PP und | |
ein kleinerer Teil an die rechtsextreme VOX. Spaniens Rechte sammelt sich | |
erneut – nach Jahren der Krise der PP. | |
## Auch das linke Spektrum feiert kleine Erfolge | |
Doch auch im linken Spektrum verschwindet eine Partei aus der politischen | |
Landschaft: die Mitte der 2010er Jahre entstandene linksalternative | |
Podemos. So verloren sie in den Regionen Madrid und Valencia ihre | |
parlamentarische Vertretung. | |
Wo sie weiterhin die Stadträte und Regionalparlamente einzog, mussten die | |
Linksalternativen und Postkommunisten stark Einbussen hinnehmen, während | |
eher regional ausgerichtete linksalternative Optionen, wie Más Madrid in | |
der Hauptstadtregion, ihre Position weitgehend halten oder gar ausbauen | |
konnten. | |
Für Sánchez wird es nicht leicht. Er muss seine Sozialisten aus der | |
Depression führen und hoffen, dass sich die Parteien links der Sozialisten | |
neu gruppieren und somit wieder attraktiv für die Wähler werden. | |
Arbeitsministerin Yolanda Díaz versucht dies mit einer Wahlplattform unter | |
dem Namen Sumar. | |
Gleichzeitig wird die PP in den kommenden Wochen [3][eine Koalition nach | |
der anderen mit VOX] in Regionen und Gemeinden bekannt geben. Das macht so | |
manchem in Spanien Angst und könnte die linke Wählerschaft mobilisieren. | |
## Brauchen die Sozialisten die baskische EH Bildu? | |
Sánchez hat nur eine Chance: Einmal mehr der Ministerpräsident eines | |
Sammelsuriums von linken, regionalen und nationalistischen Parteien zu | |
werden. Sie alle wollen eine rechts-rechtsaussen Politik, die die Vielfalt | |
Spaniens leugnet, verhindern. | |
Dabei werden die Sozialisten auch weiterhin auf die von den Rechten | |
bekämpfte EH Bildu angewiesen sein. Die Linksnationalisten wurden bei den | |
Kommunalwahlen im Baskenland und Navarra erstmals stärkste Partei und ließ | |
die konservative Baskisch Nationalistische Partei hinter sich. | |
Hinweis: In einer vorherigen Version des Artikels wurde die Podemos als | |
linksnationalistisch bezeichnet. Das zur heutigen Politik der Partei besser | |
passende Adjektiv ist linksalternativ, wir haben die Passage daher | |
angepasst. | |
29 May 2023 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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